Lautes Motorsägengebrüll reißt mich aus dem Schlaf. Danach ertönt ein Ächzen und Schmatzen, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Der Blick aus dem Fenster zeigt mir den Ursprung der Schlachtgeräusche: zwischen Holzhofgasse und Bautzner Straße werden auf dem ehemaligen Parkplatz neben dem Pferdekopfbrunnenplatz Bäume gefällt. Krachend rauscht ein weiterer Ast zu Boden, die Motorsäge zählt Jahresringe.
Unwillig lasse ich das Rollo wieder zurück schwingen und versuche in einen schönen Traum hinüberzugleiten. Doch das Brechen und Knacken des Holzes lässt mich nicht schlafen. Ich erinnere mich an das schmerzhafte Ziehen, das Bäumefällen in mir auslöst. Es ist schwächer geworden mit den Jahren. Als Dorfkind stellte ich mich todesmutig den „ABMern“ in den Weg, wenn sie Buchen am Wegesrand verschnitten. Selbstgemalte Protestschriften auf Karo-Papier machten meinen Erzfeinden, den Forstarbeitern, bewusst, dass sie ihre Tätigkeiten ausdrücklich zu meinem persönlichem Unmut ausführten. Haltlose Drohungen. Unterschrift mit Ausrufezeichen. Ein Totenkopf mit dickem Filzstift gemalt. Fällen gefällt mir nicht!
Jetzt fällt die zweite Pappel vor dem Haus und ich stehe in eine Decke gewickelt am Fenster und knipse Fotos. Der Besitzer des Bettes, in dem ich schlafe, kommt augenreibend dazu. Ich erwarte ein mitleidiges Lächeln für mein trauriges Gesicht – doch bald stehen wir beide und schauen fassunglos wie bei einer Hinrichtung zu. Köster heißt der Richter, der das Urteil sprach. Er ist sich seiner Sache sicher, sein Name steht auf einem großen Plakat draußen am Bauzaun. Wir erinnern uns an rauschende Nächte unter dem Blätterdach, wenn die Straße still war. Auch an Streit am offenen Fenster, an Feuerwerk über der Johannstadt, an Bierchen auf der Parkbank vor dem Brunnen. An gleißende Sommertage und frühe Morgenstunden mit Blick über die Dächer der Neustadt. Unsere Empörung reicht nicht für einen Protest. Oder lässt uns die Erfahrung mutlos abwinken?
So lange standen sie und sind gewachsen, Ring um Ring. Und die Erwartung eines Wohnhauses, gestaltet durch ein Osnabrücker Bauunternehmen, ist kein Trost für den herben Verlust. Wie schnell Bäume fallen! Es dauert einen Tag. Man wird sich an die Bebauung gewöhnen. Der Rewe steht auch auf seinem Platz, als wäre vorher da kein Land gewesen. 199 Studentenappartements, zwei Gewerbeeinheiten und eine Tiefgarage mit 132 Plätzen vs. fünf Bäume.Auf dem Pferdekopfbrunnenplatz recken sich, angeleint und eingezäunt, zehn neue Bäumchen in den Himmel. In der Küche auf dem Tisch steht ein Ästchen von den Pappeln, die jetzt nur noch Holz sind. Es trägt dicke Knospen und ist drei Tage zu früh dran, um ein echter Barbarazweig zu sein.
Traurig :(
Wann kommt denn endlich für den Garagenkomplex gegenüber mal ein anständiger Wohnungsbau hin. Das wär doch mal ne feine Sache. Im Übrigen gebrüße ich die Lückebenbebauung in der Neustadt sehr, endlich wird es mal ein urbanes Stadtbild.
Schön das diese Brache verschwindet. Schade das sie wohl eher durch Belanglosigkeit bebaut wird. An dieser Stelle hätte man einen „Hingucker“ bauen können….
der baubeginn war seit monaten für diese wochen angekündigt, auch ist jetzt wieder die übliche fällsaison, aber es reichte nicht mal für ein protestplakat, vielmehr wird die umweltzerstörung bezeichnenderweise verschlafen. das ist vielmehr schade als die drei buchen. so, und nun legt euch wieder hin.
Wie langweilig.
Keine Demonstranten, keine Wasserwerfer, keine Schlagstöcke, keine Bullen. Stuttgart kann das besser. Da gabs wenigstens was zu gaffen.
Philine—Danke……….
dachte schon der Anton ist umgezogen,aber ich habe noch mal hochgescrollt um den Autor und Fremdbettschläfer zu erkunden!!
Bäume weg–Beton her–der Lauf der Zeit………(wirklich 199 Studentenwohnungen??,bei uns kommen die Studis arbeiten fürs Essen)
grussi……. :lol:
Interessant. Als ich gestern dort mit dem Fahrrad vorbei fuhr, dachte ich mir noch, wie schade das Entfernen der Bäume doch sei.
Wann wurde denn das Foto „Abend“ geschossen? Die beiden Hunde auf dem Bild waren bereits 15 Uhr an dieser Stelle bei diesen kalten Temperaturen dort angeleint.
Schnief. Ich bin auch so ein Dorfkind, und jeder gefällte Baum tut mir weh. Nur so schön aufschreiben kann ich das nicht.