„Mein Name ist Wilhelm Born und im September eröffne ich mit dem Papst eine Herrenboutique“. Wäre das kein Loriot-Zitat und wüsste ich nicht, dass Wilhelm Willy Born dieses Intro nur verwendet hat, um meine etwas inkonkrete Frage nach seiner Identität zu parodieren, dann könnte man ihm das fast glauben. Willy sieht nämlich aus, als wäre er mit einigen Wassern gewaschen und könnte das katholische Oberhaupt nach vollbrachter Fußhygiene auch zu einem Spirenzchen dieser Art verführen. Seinen Wurzeln nach zu urteilen, dürfte das verwendete Wasser elbisch gewesen sein. Sowohl früher als auch heute, denn Willy stammt aus Dresden und wurde von seinen Eltern im zarten Alter von drei Jahren nach Hamburg verschleppt. Vom Plattdeutschen zum Plattenladen quasi.
In Norddeutschland erfuhr Klein-Willy seine Sozialisation, wie er sagt, wurde Ergotherapeut und ließ sich von seinen ersten Schallplatten plätten. Er wählte aus Beruf und Berufung letzteres aus und eröffnete einen Plattenladen mit einem guten Freund in Hamburg, das war Ende der 60er. Die Erde drehte sich, die Platten drehten sich und im Innern so mancher Köpfe drehte sich Ende der 60er auch so einiges bunt durcheinander, doch auch der schönste Kreisel trudelt irgendwann aus.
Der halblegal aufgezogene Laden scheiterte, der gute Freund verstarb und Willy entschloss sich den innerdeutschen Turbulenzen Anfang der 90er den Rücken zu kehren und nach Amerika zu reisen. Den Fall der Mauer bekam er noch mit, dann bestieg er ein Flugzeug und interessierte sich für die revolutionären Ereignisse nur noch periphär. Er war mit Camper-Van und Freundin und neuem Kontinent beschäftigt. Als Willy 1991 aus den Vereinten Staaten ins vereinte Deutschland heimkehrte, fiel sein gereiftes Auge auf die Stadt seiner Geburt. Großväterlicherseits, so wusste er, standen hier noch einige Häuser, die es eventuell zu besitzen gab. In Dresden angekommen, stellte sich das als Trugschluss heraus. Die Besitztümer des Großvaters Rudolf Born, Bildhauer und Professor an der HfbK waren futsch, ominösen Betrügereien zum Opfer gefallen. Willy winkt ab. So genau weiß er das nicht mehr. Ist ja auch nicht so wichtig, findet er ab diesem Punkt der Geschichte doch den roten Plattenfaden wieder.
Er betrachtete sich also die Neustadt, befand sie als „ziemlich im Arsch, aber voller Potenzial“ und tat sich mit den Zentralohrganisten zusammen. Sie hatten den Standort, er die Moneten und so wurden zwei Filialen eröffnet. Willys befand sich auf der Alaunstraße 17 in Form einer Hinterhofklitsche, die andere wie bereits berichtet auf der Martin-Luther-Straße. Es folgte der Zusammenzug mit dem Chicsaal und dann der zerklüftende Streit. Die Ohrganisten wollten zuerst einmal den Nachholbedarf der DDR-Kunden in Sachen Stones aufarbeiten, Willy wollte mit Techno und Dubstep durchstarten. Im November 1998 zog er in die heutigen Räume, nahm die qualmenden Köpfe des THC-Shops mit bei sich auf und schmiss zusammen mit Krelli, übergelaufen vom Zentralohrgan, seinen eigenen Laden.
Zehn Jahre lang wurde regelmäßig das Ende proklamiert, Willy war dem Dresdner Publikum etwas weit voraus geprescht. Doch kurz vor Peng rappelte sich der Laden doch wieder hoch – auch mit der Hilfe zahlreicher angeschnittener Sparstrümpfe. Die Vinyl-Renaissance vor drei Jahren gab dem Geschäft neuen Auftrieb, Elektronisches findet sich nicht mehr im Regal, eher handgemachtes Zeug. Und Willy ist auch ruhiger geworden, hat seine Nebentätigkeiten als DJ und Sänger bei den „Mad Cows“ und „Smells like gun powder“ ad acta gelegt.
So langsam geht seine Sehnsucht wieder Richtung Camper-Van, diesmal aber in Familie mit dem Söhnchen und der Frau. Richtung Skandinavien oder Marokko oder in die Türkei. Selbstredend wird sich im Auto nur ein Kassettendeck befinden. Und Krelli führt den Laden weiter, der die Neustadt so zuverlässig mit Schall und Rauch versorgt.
Drop Out Records
- Alaunstraße 43, 01099 Dresden
- Montag bis Freitag 11 bis 20 Uhr, Sonnabend 11 bis 17 Uhr
- im Internet zu erreichen unter http://www.drop-out-records.de/
Die wohl weltbeste Neustädter Punk-Rock-Combo „Goldner Anker“ hat übrigens extra für Willy einen Song geschrieben.
Eigentlich ein echtes Juwel, dieser Laden. Leider habe ich Krelli bis jetzt viel zu oft genervt und irgendwie angepisst erlebt. Kann mich auch täuschen…
dubstep schon 1998? welch pionier…
Goldner Anker is doch keen Punk-Rock du Fatzke.
Doch … hier der Beweis:
i like… Ankers und Dropouts !!!!
Es ist immer schön dort vorbeizugehen, weil immer gute Musik läuft.
Bin durch meinen ehem. Schul-und Kinderfreund Uwe Büttner auf euren Laden aufmerksam geworden. Interessant! Ich muss es einfach mal schaffen, vor Ort zu sein. Grüße aus Dresden
Regina und Siggi