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Fury in the Tiefkühllasagne oder: Was habt ihr denn gedacht?

Nun ist der Kasper also aus der Kiste, oder besser das Pferd ist aus der Schlachterei gesprungen. Pferdefleisch in Tiefkühllasagne! Und die Betonung liegt auf Pferd, nicht vordergründig auf Phenylbutazon. Dieser Wirkstoff, den sechs verwurstete Mähnenträger aus Frankreich intus hatten, ist nämlich eigentlich der springende Punkt. Das Rheumamittel kann beim Menschen schon in geringen Dosierungen Kopfschmerzen und Magen-Darm-Blutungen auslösen. Was mich jetzt nun so verwundert ist: warum wird nicht „Vergiftetes Fleisch“ getitelt?

Soll die Fokussierung der bei uns mit einem Speise-Tabu belegten Wendy-Tiere von der eigentlichen Schlamperei des Giftmischen ablenken? Ist die Verwendung von Pferdefleisch schwerwiegender als Medikamentenpanscherei und hält lebensmittelskandalgeprüfte Lasagnefetischisten eher vom Verspeisen und dem damit verbundenen sicheren Tod ab? Oder wirkt diese Schlagzeile aufgrund ihrer Exotik einfach absatzsteigernder für Zeitungen und treibt Reitern Tränen in die Augen? Vielleicht gehen denen langsam auch die Titel aus. Schließlich sind alle essbaren Tiersorten in Deutschland schon einmal verseucht gewesen. Der Wochenendeinkauf macht den Gang zur Apotheke für Ottonormalverbraucher überflüssig. Bei Angina: Schweineschnitzel. Bei rheumatischen Beschwerden: Tiefkühllasagne. Zur Verhütung: Butter aus Plastikdosen für den Herrn. Und es wird tatsächlich überlegt, abschreckende Bildchen auf Tabakpackungen zu drucken – der Vollständigkeit halber könnte das bei Großhandelsprodukten gleich fortgeführt werden.

Warum heißt so ein Medien-Schmaus noch Skandal? Wundert sich tatsächlich noch jemand, wenn in 400 Gramm Fertiggericht für drei Euro andere Inhaltsstoffe zu finden sind als in derselben Menge Katzenfutter für zwei Euro? Mieze und Wautz speisen dem Aufdruck nach dekadenter als mancher Gourmet: Graved Lachs, Petersilien-Leberwurst, Hühnchenfilet. Perversion in Reinform bei 25.000 Hungertoten am Tag. Wo kommen diese feinen Fleischhäppchen für unsere Vierbeiner eigentlich her? Als ich zu Dorfzeiten noch auf dem Bauernhof aushelfen war, musste ab und zu ein kranker Gaul vom Abdecker abgeholt werden. Da hieß es dann ganz offiziell: die Lene kommt ins Hundefutter. Schon schließt sich der Kreis.

Letztendlich liegt der Skandal nicht in der Tatsache, dass Gift in der Lasagne ist. Oder dass dieses Gift im Pferdefleisch ist. Der Skandal ist die Empörung, die aufwogt, als hätte niemand etwas anderes von den herrschenden Produktions- und Konsumverhältnissen erwartet. Wir lieben Lebensmittel – solange ihr sie esst.

Ein Glück sind faire Läden und alternative Speiseangebote in der Neustadt so zahlreich gesäht und werden auch genutzt. Weiterdenken kann Darmbluten ersparen. Es bleibt zu hoffen, dass die Hersteller von Bio-Labels großer Ketten ihren Beruf mit genauso viel Berufung angehen wie Grüntal und Co. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Wenn nicht, heißt das dann wohl Selbstjustiz.

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13 Kommentare

  1. sehr schön geschrieben! die Pferdebesitzer scheinen übrigens wirklich vorsichtig geworden zu sein… die letzten Tage konnte ich in Moritzburg einen immensen Rückgang an Pferdekutschaktivitäten wahrnehmen. Ob es daran liegt, das die Pferdeeigner beim Dorffleischer ihre letzten Gäule in Bares umgemünzt haben, solange es noch geht oder die guten Tierchen in Schutzhaft sicher verwahrt sind, vermag ich nicht zu beurteilen… hoffentlich sind die Bestände bis zur nächsten Hengstparade wieder aufgestockt, wäre albern wenn die Kutscher ihre Vehikel selbst durchs Dorf ziehen müssten

  2. Ich fürchte bloss, dass gut 80 Mio Menschen mit nicht-industrieller Nahrungsproduktion nicht zu versorgen sind…
    Es ist schön, wenn sich jemand die meist teureren Alternativen leisten kann, aber viele reichts nach Miete und anderen Fixkosten halt nur noch für Tiefkühllasagne… Essen selber zubereiten ist zwar meist günstiger als Fertigprodukte, aber auch die Zutaten müssen ja irgendwo her kommen.

  3. Hallo Philine,

    das hast Du sehr schön auf den Punkt gebracht und auch respektierlich formuliert !

    Großes Lob !

    Freue mich schon auf Deinen nächsten Beitrag…..

  4. Fantastisch wie ein es ein Biolabel geschafft hat, jegliches kritisches Denken und Nachfragen im Keim zu ersticken und die Herde in die Bioläden rennen lässt.
    Solange dort Produkte aus F1 Hybriden verkauft werden, bleibt der Biononsens Opium fürs Volk. Sicherlich ist es einfacher, abzuschalten und brav und korrekt das Grünetikettierte zu kaufen, das Problem, genetisch veränderter Lebensmittel bleibt aber.
    Die Industrie hat euch wo sie euch haben will, lässt euch allerdings das Gefühl euch was Gutes getan zu haben. Nett von ihr…

  5. @Lord Böserich:
    Also meines Wissens nach entstehen F1-Hybriden durch Kreuzung und Selektion. Wuesste nicht, was daran falsch sein soll und in wie weit das etwas mit Gentechnik zu tun haben sollte?
    Schliesslich stammen alle unsere pflanzlichen Lebensmittel aus Kreuzungen von Arten.
    Aber immer gut, wenn man Grund hat auch an prinzipiell guten Entwicklungen etwas zu meckern zu haben.

  6. So eine Delikatesse für so wenige Geld. Was regt sich der Deutsche eigentlich auf?
    Solange keine Sprossen drin sind…

  7. >Das Problem, genetisch veränderter Lebensmittel bleibt aber.
    Was glaubst du denn wie alle „natürlichen“ Lebensmittel entstanden sind? Durch Genveränderungen. Das „Problem“ ist also nur ein eingebildetes Problem.

  8. F1 Hybrid…. ist ein Rennauto mit zusätzlichem Elektromotor… ihr könnt hier nicht einfach alles durcheinander bringen

  9. @ein anderer Stefan: Wenn man sich ansieht, was an Lebensmitteln weggeworfen wird – gibt Dir eine Antwort auf Deine Zweifel ob 80 Millionen zu versorgen sind

    und

    das Argument des Geldes kann man irgendwie nicht stehen lassen. Ich gebe mein Geld eher für (vermeintlich) ordentliche Lebensmittel aus, als es z.Bsp. in den Media-Markt zu schaffen…

    Es ist eine Frage des Wollens!

  10. @René: Es hat sicher seine Gründe, warum die „Tafeln“ seit ca. zehn Jahren immer größeren Zulauf finden. Dort werden viele Lebensmittel, die nach unseren teils absurden Gesetzen vom Einzelhandel entsorgt werden müssten, weil das MHD an der Grenze ist, noch an Bedürftige ausgegeben. Ich denke nicht, dass die Mehrheit der Tafelbesucher ihr Geld zum Mediamarkt trägt und deswegen nicht mehr genug fürs Essen übrig hat. So mancher Rentner hat eine Minirente und kommt damit nicht hin. Gerade viele Rentner schämen sich, zum Sozialamt zu gehen.

    Die Verschwendung von Lebensmitteln ist systemimmanent und angesichts der absurden Agrarsubventionen von vielen sicher auch begrüßt – je mehr produziert wird, desto mehr Kohle von der EU. In früheren Jahren wurde dann wieder auf Kosten der EU der Überschuss vernichtet, um die Preise nicht zu verderben…

  11. Mein liebe Stefan – ich rede nicht von den Bedürftigen – ich rede davon, dass es offensichtlich Lebensmittel „im Überfluss“ gibt, so dass wir – warum auch immer – Tonnen davon wegschmeissen. Soll heissen – ich denke das wir auch 80 Mio an Menschen versorgen könnten – wenn jeder „vernünftig“ konsumiert und natürlich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen würden. Aber genau da – fangen die Probleme an – ich möchte jetzt mal das Bääcks-Wort Lobbyismus vermeiden…

  12. Ach immer diese Diskussion wer moralisch besser ist. Ich halt es da eher mit den Asiaten: Genießbar oder Giftig. Und Genießbar ist vieles…

    BTW Was ist so schlecht am Pferd? Das Problem ist doch eher das ich wissen will ob es ordentlich verarbeitet wurde und nicht mit Keimen / Chemie belastet ist. Das Zauberwort ist wie immer Transparenz. Nur wenn eine gut ausgestattete Lebensmittelüberwachung ihre Ergebnisse frei veröffentlichen kann – inklusive Namensnennung – funktioniert es und eine Marktbereinigung kann statt finden. Im Gegenzug muss so eine Behörde für Falschmeldungen voll haften wenn sie Unwahrheiten verbreitet.

    BTW – „die Tafeln“ sind nicht dazu da den großen Ketten die Entsorgunskosten für nicht mehr ganz so optimale Lebensmittel zu ersparen und dann noch gute PR für diese zu machen. Es gibt auch genügend Kritikpunkte an den Tafeln:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Tafel_(Organisation)#Kritik_an_der_Tafel

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