Gestern Abend war ein richtiger Älternabend (so macht man das liebe Kathys) in der Scheune. Die Generation der Mitdreißiger und Ü40er kam aus ihren Eigenheimen und gemütlichen Stadtrandswohnungen angereist. Die meisten hatten sich ein fetziges schwarzes T-Shirt über die rundlichen Wölbungen in Hüfthöhe gezerrt, der eine oder andere hatte gar seine hohen Schnürstiefel mitgebracht.
Nun stehen sie vor der Bühne und ein auch schon etwas älter gewordener Eugen Balanskat lässt die Menge grölen. Ja, Ja, Ja. Er singt von Schrebergarten und Kanickel, Kindersegen und Friede, Freude, Eierkuchen. Und wie passend: „In der Stickluft solcher Welten, mensch, da packt mich Atemnot“ – die hat mich inzwischen auch gepackt, denn wir alten Herren sind mobil geworden und das Pogo-Springen in der gut gefüllten Scheune lässt meinen Kreislauf kolabieren. Mit Mühe halte ich mich am nächsten Bier fest. Wie ging das nur früher, als der ganze Saal noch dazu geraucht hat.
Den Moment der Besinnung nutze ich, mir das Publikum etwas näher anzusehen und stelle fest, dass doch auch der eine oder andere Jüngere dabei ist. Immerhin die Texte der Skeptiker sind irgendwie immer noch aktuell. (Hier zum Nachlesen) Und der Rhythmus, der peitscht immer noch ordentlich nach vorne.
Inzwischen sind wir bei den Zugaben angelangt: „Pierre und Luce“ – da muss ich mich wohl doch noch mal ins Getümmel stürzen.
Wie kleine Schauer kommt die Erinnerung zurück. Mir fallen Bilder ein, als ich im Sommer 90 auf der Wiese vor der Scheune lag, die erste Freiheit und die erste Liebe genießend. Denke an heimliche Kletteraktionen – um Eintritt zu sparen, hatten wir eine Leiter organisiert und stiegen über das Fenster im Zwischengeschoss ein, nur um dann festzustellen, dass da schon ein Ordner wartete. Erinnere mich an finstere Zeiten, als eine Horde Neonazis die Scheune überfiel und sich einige mit Flaschenwürfen wehrten bis wir schließlich geschlossen auf die Straße stürmten und den Pöbel aus der Neustadt verjagten: „Straßenkampf, Straßenkampf, alle auf die Barrikaden“ – das singt nun der Eugen wieder auf der Bühne oben.
Dann ist Schluss und ich bin wieder in der Realität – muss bald zurück zum Schrebergarten.
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