Kaum sitze ich, steht schon ein Kellner neben mir. Ich versuche einen Scherz: „Das dauert ja ewig, bis man hier bedient wird.“ Der Kellner, ein schlanker Bursche Ende 20, ist weder beleidigt, noch versucht er zu kontern. Er setzt sein freundlichstes Lächeln auf und meint, dass er sich die größte Mühe gibt.
Ich habe mich mit einer langjährigen Freundin getroffen, die etliche Jahre fern von Dresden weilte und habe nun die Aufgabe ihr die Veränderungen in der Dresdner Neustadt zu zeigen. Natürlich muss ich mit der neuesten Kneipe anfangen. Im Prinz auf der Alaunstraße ist es sehr hübsch, adrette Stühle und Tische, warme Farben, leise und unaufdringlich klingt die Musik aus den Lautsprechern.
Wir können prima über alte Zeiten plaudern, dass hier an dieser Stelle mal der legendäre Alaungarten war, den wir immer für einen verkappten Puff gehalten hatten. Nur weil die Fenster so schummriges Licht abgaben, dabei war es eine ganz normale Kneipe. Allerdings hatte die Freundlichkeit der Kellner damals ein anderes Niveau.
Mein einziger Besuch wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Als ich nach zehn Minuten mein Bier immer noch nicht geleert hatte, fragte der Kellner, ein Mittfünfziger mit prächtigem Schnauzbart auf seine ganz eigene Art und Weise, ob ich nun zum Nuckeln oder zum Trinken gekommen wäre. Erschrocken trank ich aus und seitdem habe ich mich nie wieder hineingetraut.
Wir müssen weiter ziehen, ich möchte bei der Freundin gern noch ein paar Erinnerungen wecken. Unser nächstes Ziel ist der Biergarten im Oosteinde an der Prießnitz, den gab es zwar Anfang der Neunziger noch nicht, doch hier treffen wir alte Bekannte aus einer gemeinsamen Vergangenheit. Weiter geht es im historischen Rundgang, auf zur „Hundert“ auf die Alaunstraße. Da war ich schon lang nicht mehr und behaupte kühn, dass die sich kein Stück verändert hat. Und bis auf ein bisschen Farbe und neues Personal stimmt das wohl auch.
Am Ende des Abends sind wir im neuen Hieronymus angelangt. Daran will sie sich partout nicht erinnern. Erst als ich den Namen Tivoli, so hieß die Kneipe früher mal, einwerfe, erinnert sie sich. Stimmt, das war doch auf der Louisenstraße, mit den legendären Partys bis zum frühen Morgen. Inzwischen etwas angeheitert erklärt sie mir, dass sie die Neustadt noch ganz gut wiedererkannt hätte. Nur die erste Kneipe…, na ja werfe ich ein, die ist eben für die Touristen, irgendjemand muss hier schließlich auch mal Geld verdienen.
Nachtrag: Aus dem Prinz wurde im Januar 2009 das „Indochine“ und 2012 die „Bar Paradox“. Daraus wurde dann 2022 Phở Mum.