Oktoberfest, Halloween und Fasching markieren die Hoch-Zeit des Kostümverleihs Kreative Engel auf der Rudolf-Leonhard-Straße. Herbst und Winter sind die Zeiten der Geister, Narren und Gestaltwandler. Das Geschäft mit dem Wechsel der Identitäten (oder dem Präsentieren der eigentlichen) ist abwechslungsreich und anspruchsvoll. Ihren Fundus haben Kora Engelhardt und Andreas Miersch im Kopf. Die Kostüme tragen Namen und sind mit genauen Beschreibungen dokumentiert – eine Art Familienalbum mit prominenten Angehörigen von Darth Vader über die kleine Meerjungfrau bis Trump.
„Das Internet ist schon der Feind“, sagt Kora. „Die Zeit ist schnelllebig.“ Besonders die Halbwertszeit von Superhelden hat sich dramatisch verkürzt. In den aktuellen Katalogen für HändlerInnen sind sie dargestellt durch einen Schattenriss. Darunter ist sinngemäß vermerkt: Hier finden Sie in Kürze das Kostüm zu dem Superhelden, dessen Film voraussichtlich in zwei Monaten in die Kinos kommt. Die Industrie hinkt sich selbst hinterher. Im Internet bestellen geht schneller.
Internet kills the Kostümverleih? Bisher haben sich Kora und Andreas mit ihrem buntscheckigen Laden zwölf Jahre behauptet. Die Kundschaft kommt bis aus Pirna, Radebeul und Meißen angefahren. Nicht jeder möchte ein aktueller Marvel-Held sein.
Angefangen hat Kora mit einem Geschäft für Kindermode. Diplomdesigner Andreas steuerte selbstgeschneiderte Kostüme bei, die schließlich die Oberhand gewannen. „Mittlerweile haben wir keine Zeit mehr zum Selbernähen“, seufzt Kora. Jedoch stehen besonders die eigenen Kostüme hoch im Kurs. „Es gibt oft Nachfragen, ob wir ein Kostüm rausrücken. Aber dann fallen die Kunden meist auf den Rücken, wenn sie den Preis hören.“
Die kleine Nähstube hinter dem Kassenbereich wird für Reparaturen und Anpassungen genutzt – des Kaisers Kleider sollen schließlich wie angegossen passen. „Wir legen Wert auf Authentizität“, sagt Kora.
Ihr Geschäft ist ein ausgelagerter, unerschöpflicher Kleiderschrank für Freizeit-Hero(ine)s und Monstrositäten aller Art, wobei die Palette von kleinen Scheuselichkeiten wie Kontaktlinsen bis hin zu großen Prächtigkeiten wie Barockroben reicht. Drei Tage Kostüm inklusive sämtlichen Accessoires kosten zwischen 25 und 45 Euro. Reinigung inbegriffen. Dazu gehört die fachkundige Beratung im Vorfeld. Gerade betritt eine Dame das Geschäft. „Sie wissen, worauf Sie sich mit den 80ern eingelassen haben?“, fragt Kora und führt an eine Kleiderstange voller Blusen.
Ihren gesamten Fundus haben die kreativen Engel im Kopf. Hinzu kommen dann noch Hüte, Schmuck, Handschuhe – die kleinen Dinge eben, die das Ganze perfekt machen. Nicht selten wünschen sich die Engel zusätzlich zu ihrer Aushilfe eine weitere helfende Hand. Aber die Einarbeitung ist nicht so leicht bei derart vielen Spezifika. „Aber“, sagt Kora „ich habe zwei Kinder. Sie wollen und sie werden.“
„Wir sind darauf angewiesen, dass es immer Menschen gibt, die sich gern verkleiden“, sagt Kora. Ich sehe da wenig Gefahr. Kleiden ist Pflicht, Verkleiden ist Freiheit. Die Faszination der Maskerade liegt in ihrer Ausgefeiltheit, dem Verschwinden des Verkleideten in seiner Hülle. Partys, auf denen bis zum Schluss unklar ist, wer hinter der Larve steckt, erfordern sehr viel Disziplin vom Angescheuselten. Dafür werden sie legendär. Und nicht zu vergessen die psychologische Komponente des Verkleidens: Wer bin ich wirklich, wer wäre ich gern und wenn ja, wie lange?
Und wie stehen die Engel selbst zum Verkleiden? Die Frage knipst in Koras Gesicht ein Lächeln mit 100 Watt an. „Ja!“
Kreative Engel
- Rudolf-Leonhard-Straße 21, 01097 Dresden
- Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Sonnabend 10 bis 13 Uhr
- www.kreative-engel.de