Die Neustadt kümmert sich selbst. Ausrufezeichen. Fragezeichen. Zur Diskussionsrunde mit Ideenwerkstatt hatte der Scheuneverein mit Unterstützung des Stadtbezirksamtes eingeladen. Dessen Chef brachte im Laufe des Abends die halbe Million ins Spiel. Rund 60 Neustädter waren gekommen. Am Ende des Abends hatten sich sieben Projektgruppen gebildet.
Die Veranstaltung war gewissermaßen die Fortsetzung der ersten Diskussionsrunde im November 2018. Während damals vor allem die Probleme der Neustädter von den zuständigen Verantwortlichen von Polizei und Behörden notiert wurden, ging es diesmal darum, was die Neustädter selber tun können und wollen.
Sören Rogoll von der Initiative Gesprächsbereit moderierte auch diese Veranstaltung. Den Auftakt machte die Ideenfindung. Binnen weniger Minuten brachten die Anwesenden mehr als ein Dutzend Ideen ein. Das reichte von Kleinigkeiten wie dem Insektenschutz oder der Vermeidung von Zigarettenkippen bis hin zu großen Ideen: Neustadt autofrei oder Neustadt plastefrei.
Der Moderator und Olaf Hornuf vom Scheuneverein sammelten die Ideen und stellten sie thematisch zusammen. Daraus bildeten sich sieben verschiedene Arbeitsgruppen, die dann eine gute Stunde Zeit hatten, ihre Idee weiter zu entwickeln.
André Barth, der Stadtbezirksamtsleiter, erläuterte die seit diesem Jahr veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen. Denn mit der Umbenennung des Ortsamtes in Stadtbezirksamt geht auch eine gewisse Emanzipation dieser Verwaltungseinheit und des zugehörigen Stadtbezirksbeirates einher. Nicht nur, dass die Räte mit der nächsten Kommunalwahl direkt gewählt werden können und nicht mehr ein Anhängsel der Stadtratswahl sind, es gibt auch einen eigenen Etat für den Stadtbezirk.
Für jeden Einwohner stehen nun 10 Euro pro Jahr zur Verfügung. Das macht für die Neustadt zusammen 508.000 Euro. Barth schränkte am Abend aber ein, dass natürlich nicht das ganze Geld für die Projekte aus der abendlichen Runde zur Verfügung steht. Gefördert werden auch Vereine und bestehende Initiativen. Aber, so der Amtsleiter, für gute Ideen sei es jetzt einfacher Fördermittel zu bekommen. Zur Unterstützung bei entsprechenden Anträgen stünden er und die Neustadt-Kümmerin Manuela Möser bereit.
Für Projekte bis 1.000 Euro brauche es nur die Zustimmung des Stadtbezirksbeirates, die können zu 100 Prozent gefördert werden. Für größere Projekte gibt es ein mehrstufiges Verfahren.
Nach einer guten Stunde stellten die Projektgruppen ihre Arbeitsergebnisse vor.
Die größte Gruppe beschäftigte sich mit dem Thema „autofrei“ – wurde dabei unterstützt von der Initiative „Woche des guten Lebens“, die schon recht konkrete Pläne für eine autofreie Woche in der Neustadt im nächsten Jahr hat. Dabei stellte sich heraus, dass es zu diesem Thema schon mehrere Initiativen in der Neustadt gibt. Eine davon, die Initiative für eine schönere Louisenstraße trifft sich am 20. Februar im Projekttheater.
Ebenfalls auf großes Interesse stieß der Kampf gegen die Zigarettenstummel auf Gehwegen und Straßen. Mit gratis Taschenaschenbechern wollen die Initiatoren dem Problem Herr werden.
Weitere Gruppen beschäftigen sich mit einem Lebensmittelzug, der seinen Auftakt zu Saisoneröffnung auf dem Alaunplatz im April finden soll. Die Initiative „plastefreie Neustadt“ will sich im ersten Schritt mit der Verbreitung von Coffee-To-Go-Mehrweg-Bechern beschäftigen. Die Gruppe „Tauschschränke“ hat die Idee entwickelt, auf dem Scheunevorplatz einen Tauschmarkt zu installieren. Eine weitere Initiative will sich für legale Plakatierflächen in der Neustadt engagieren. Die Initiative „Neustadt(t)raum“ beschäftigt sich damit, generationsübergreifende Netzwerke herzustellen.
Die einzelnen Initiativen wollen nun ihre Projekte selbstständig weiter entwickeln. Sieht so aus, als ob sich tatsächlich zumindest ein Teil der Neustädter selbst kümmern will.
Das klingt ja alles recht gut. Um weniger Müll auf den Gehwegen( z.B.Zigarettenstummel)zu vermeiden, sollten auch genügend Müllbehälter zur Verfügung stehen. Das ist ja nur ein Gedanke.
Wie wärs denn mal damit, die wirklich wichtigen Probleme anzugehen: die Neustadt wieder sicher zu machen, sodass man sich nachts als Frau wieder alleine an der Scheune vorbei trauen kann oder man in den Bars nicht dumm angemacht oder gar begrabscht wird. Aber man kann natürlich auch die Augen zu machen und bissl im Dreck nach Kippenstummeln wühlen…
Klingt interessant.
@TomDD: Wo fehlen Dir denn genau Müllbehälter?
Liebes „Nachdenklich“, genau dafür war die Veranstaltung im vergangenen November da. Wie mit überführten Grapschern umgegangen wird, dazu gleich mehr in einem der nächsten Artikel. Gegen „Dummes Anmachen“ gibt es meines Wissens noch kein Gesetz. Der gestrige Abend stand übrigens im Zeichen dessen, was die Neustädter selber machen können. Für Sicherheit ist mit gutem Grund die Polizei zuständig.
@Anton Lauer: z.B. vom Lutherplatz Richtung Pulsnitzer Straße zur Prießnitz Strasse gibt es es genau 2 (hintere Lutherkirche), einer am Oosteinde(etwas versteckt:-) ) Wenn man von der Prießnitzstrasse nördlich oder südlich geht, gibts nicht einen.Nordstraße auch z.b.keinen, nicht mal vor der Waldorfschule. Auf der Kamenzer nur einen unten beim Hostel. Also mir fallen da noch mehr Straßen ein.
@TomDD: Was hab ich Dir getan, dass Du mich als „lau“ empfindest. Der am Oosteinde scheint tatsächlich nur sehr schwer wahrgenommen zu werden. Dauernd schmeißen mir dort Leute ihren Müll in den Fahrradkorb.
@Anton Launer: Sorry für das vergessene „n“ :-)). schönen Abend noch
@Anton Launer: Alles nur der Polizei zu überlassen, ist dann doch etwas kurz gedacht. Jeder kann sich einbringen, sei es einfach keine Drogen bei den überall in der Neustadt Herumlungernden zu kaufen; verbal einzugreifen, wenn man(n) in Bars und Clubs das „dumme Anmachen“ beobachtet; kurz gesagt Zivilcourage zeigen und nicht einfach weg schauen und Refugees Welcome skandieren…Dass sich mit Kippenstummeln oder einem Autoverbot in der Neustadt beschäftigt wird, nenne ich Wegsehen und Ablenken von den eigentlichen Problemen. Oder wollen die Bewohner der Neustadt und ihre Kinder gern den Dealern, Anmachern und Angrabschern ausgesetzt sein? Man könnte den Eindruck gewinnen…
Hallo „Nachdenklich“, vielen Dank für Deine Gedanken.
„kurz gesagt Zivilcourage zeigen und nicht einfach weg schauen und Refugees Welcome skandieren“ — konstruierst Du da einen Widerspruch? Meine Erfahrung ist eigentlich eher die, dass diejenigen, die freundlich zu Flüchtlingen sind, in der Regel auch mehr Zivilcourage zeigen.
Meiner Meinung nach gibt es verschiedene Dinge im Viertel, die man als Probleme bezeichnen kann. Ich glaube, es ist ziemlich albern, das eine gegen das andere aufwiegen zu wollen. Die Leute jedenfalls, die sich am Abend zusammengefunden haben, um sich zu engagieren, haben die oben genannten Themen gefunden.
Eine Initiative gegen Grapscher, Dealer oder Anmacher wurde nicht gegründet. Du kannst das gerne ins Leben rufen. Sag mir Bescheid, dann kann ich da einen Bericht drüber schreiben.
Ich finde es einfach schade, wenn sich Leute für Dinge engagieren und die dann mit den Worten „Wie wärs denn mal damit, die wirklich wichtigen Probleme anzugehen“ abgekanzelt werden. Die haben sich für diese Projekte entschieden, weil ihnen das wichtig ist.
@ Nachdenklich
Das Wichtigste hat Anton schon geantwortet. Ich möchte noch hinzufügen, dass Dir ein bisschen die Anwohnerperspektive fehlt. Diese haben zum größten Teil keine Probleme, die 2-3 Hotspots zu passieren und besuchen unangemacht Bars und Clubs im Stadtteil. Vor allem kaufen sie keine Drogen bei den überall Herumlungernden.
Wahrscheinlich bist Du noch sehr jung (daher die laufenden Anmachen?), hättest Du die Neustadt 1990 – 1992 erlebt, hättest Du einen anderen Bewertungsmaßstab, was Gewaltpotential angeht.
Über den Kampf und die Prävention gegen Kriminalität bist Du ebenfalls schlecht informiert. Dafür gibt es andere Versammlungen und Projekte, deren Ergebnisse bisher sehr gut sind. Das gewaltsame Durchsetzen von Gesetzen ist Sache der Polizei. Und die macht ihre Arbeit auch.
Mit oder ohne Flüchtlinge passiert in der Neustadt nicht mehr, als in einer Großraum-Disco im ländlichen Raum, nur liegen dort eben keine Kippen rum. Du kannst also optimistisch sein. Alles ist so, wie Du es forderst, Du weißt es nur nicht.
@ Anton Launer: Ich achte und schätze das Engagement, ich habe lediglich angemerkt, dass es wichtigere Probleme gibt, die man angehen sollte…Dieses klein-klein-Denken hilft niemandem und macht die Neustadt nicht attraktiver.
@Pitti: Das ist natürlich sehr einfach gedacht: „Wahrscheinlich bist Du noch sehr jung (daher die laufenden Anmachen?), hättest Du die Neustadt 1990 – 1992 erlebt, hättest Du einen anderen Bewertungsmaßstab, was Gewaltpotential angeht.“ – aber gut, wenn man sich damit zufrieden gibt, dass es mal schlimmer war und man daher die heutigen Zustände toleriert – ganz kurz gedacht! Im übrigen bin ich über die von dir angesprochenen Maßnahmen informiert, für mein Empfinden fruchten sie jedoch gar nicht und genau deshalb habe ich in meinem ersten Post auch angemerkt, dass es wichtigere Probleme gibt, die man als Anwohner angehen sollte. Vielleicht müssen einige erst direkt davon betroffen sein, um das zu merken…
Die Zeit wird es zeigen.