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Von großen Spießerinnen und kleinen Täuschungen

Der Spar-Markt auf der Alaunstraße
Der Spar-Markt auf der Alaunstraße
Das täglich Brot und die anderen Leckereien hole ich mir ganz gerne auch mal im Supermarkt. Dem geneigten Neustädter stehen zurzeit drei Einrichtungen zur Verfügung. Früher, ja da gab es mal den Geheimtipp Kaisers an der Loge, aber der war wohl so geheim, dass sich nie ein Kunde hin verirrt hat. Der Spar auf der Königsbrücker wird nun schon seit Ewigkeiten umgebaut und was im Parkhaus-Kita-Projekt auf der Kamenzer reinkommt ist noch immer ungewiss.

Momentan drängen sich die Neustädter also beim Plus gegenüber der Post, beim Spar-Nachfolger gegenüber von Rossmann und Punker-Clique und ganz besonders im Konsum auf der Alaunstraße. Der strahlt und glitzert mit seiner modernen Aufmachung. Muss er auch, schließlich ist es hier ein bisschen teurer als anderswo.

Nichtsdestotrotz bin ich hier am liebsten. Weil, hier ist es irgendwie am meisten Neustadt. Die Kassenschlange ist der Beweis für die Vielfalt des Viertels. Hier ein kleiner Überblick. Am Bezahlen oder besser am Groschen-Suchen ist ein riesiger Punker. Seine Haare, zumindest die, die er noch nicht abrasiert hat, sind zerzaust. Statt einem Ring hat er einen kleinen angespitzten Pflock im Ohr. Auf seiner Lederjacke stehen Sprüche wie: Ich bin nicht tot, ich riech nur so. Als er seine sechs Flaschen Sternburg bezahlt hat, seufzt die Kassiererin leise und erleichtert auf. Es kann weiter gehen. Als nächstes sind zwei Mädchen, beide keine 20 Jahre alt, an der Reihe. Ihre Haare blond, ihre Haut rein, ihre Kleidung lässig und studentisch chic. Die Flasche Rotwein und ein paar Hygieneartikel werden mit nem Zehner bezahlt. Dann ein Typ, Marke Maschinenbaustudent, nur zwanzig Jahre älter. Leichte Glatzenbildung am Hinterkopf, ein derber Fleck auf der grauen Jacke, auf dem Laufband liegt ein Toastbrot, ein paar Fertiggerichte und zwei Tetrapack H-Milch. Hinter ihm eine hochaufgeschossene, junge Frau, strenger Hosenanzug, streng gezopftes Haar, strenge Brille, strenger Blick zu mir, weil ich wohl einen Augenblick zu lange hingesehen habe. Sie stellt zwei Kräuter-Pflänzchen im Töpfchen auf das Band und legt einen kleinen Feta-Käse, einen probiotischen Joghurt und Bio-Eier dazu. Sie bezahlt, na klar mit Karte und packt alle Einzelteile akkurat in ihren Sportrucksack.

Innerlich schüttle ich den Kopf, so spießig in der Neustadt, ist das überhaupt erlaubt? Verwirrt starre ich ihr hinterher. „Fünf achtundfuffzig“, die Kassiererin drängelt. Doch vorne, neben dem Backstand, die Spießerin, sie zückt nen Euro und drückt ihn dem Punk in der Lederjacke in die Hand. Das ist die Neustadt – immer für eine Überraschung gut.

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Anmerkung 2013: Die Supermarkt-Situation in der Neustadt hat sich inzwischen stark verändert und aus dem Spar-Markt ist eine Drogerie geworden.

8 Kommentare

  1. Neustadt ist auch:

    -morgens halb 10, auf dem Fussweg ins Büro über die ersten Biertrinker vorm Bürohaus zu stolbern.

    -am Abend 20 Uhr, auf dem Fussweg nachhause sich zu fühlen wie im Urlaub. Der ganze Tumult auf den Straßen und die Urlaubslaune der Stadtteilgäste aus aller Welt. Das nicht nur am Wochenende sondern jeder Zeit.

    -die traute Einigkeit der Alternativen, Unternehmer und Gäste das die Neustadt für alle offen ist und keiner einer Überwachung bedarf. Nirgends ist Sakko, Lederjacke und Uniform so nah beinander.

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