„Ich hatte solche Angst, dass mir die Beine gezittert haben“, sagt Kerstin über den ersten Auftritt der Impro-Theater-Gruppe „Elchtest“. Gemeinsam mit Bene gehört sie zu den Gründungsmitgliedern der mittlerweile zehnköpfigen Crew, die sich vor zwei Jahren als Ableger der Freien Spielkultur entwickelte. Nun hat „Elchtest“ zur langen Nacht der Theater im Stadtteilhaus „Wanne“ seine Premiere auf die Bühnenbretter gelegt – und erntete so viel Begeisterung, dass es gleich weiter gehen kann. Von Angst keine Spur. Ich durfte bei einer Probe dabei sein.
Jeden Mittwoch trifft sich „Elchtest“ mehr oder weniger vollzählig in der „Louise“. Heute haben sich Kerstin, Bene und Lars vor der Probe Zeit genommen. Kerstin und Bene entdeckten ihre Liebe zum Impro-Theater gemeinsam im Sandkasten. Im Impro-Sandkasten der Freien Spielkultur, um es unmissverständlicher auszudrücken. Nach einigen Workshops und Kursen kam man aufgrund einer internen Gruppendynamik überein: Wir wollen eine eigene Gruppe auf die Beine stellen. Das war im Mai 2017.
Im September dann begannen die regelmäßigen Proben. „Eine kritische Phase“ nennt Bene diese Zeit, denn nun musste sich zeigen, ob ein fester Kern Bestand haben würde. Er tat es – nur an einem festen Ort haperte es. Die Splittergruppe tingelte von Weberbau zu Alaunpark und Großem Garten. Die theatralische Aktion führte hin und wieder zu Missverständnissen. „Eine Aggro-Szene im Alaunpark kann zu Irritationen führen“, erzählt Bene aus Erfahrung.
Die Gruppe wuchs auf zehn Mitglieder und mehr an, teilte sich mit der Gruppe „Der wütende Mann“ noch einmal ab und legte sich schließlich auf zehn Teilnehmer*innen als Limit fest. Ziemlich schnell am Anfang kam man dann als den Elch als Namensgeber. Die Legende klingt nahezu mystisch.
Erst war da der polnische Elch, die Station in einem Dresdner Siemens-Büro machte und die Geister inspirierte. Im nächsten Treffen kam Mitspieler Jakob, obwohl er in der Woche zuvor gefehlt hatte, in einer Szene auf den Elch. Hinzu kam der Umstand, dass der Godfather of Improtheater Keith Johnstone, dessen Werke Grundlage und Inspiration für „Elchtest“ waren und sind, in Kanada gemeinsam mit Tierarzt Mel Tonken das Theater „Moose Loose“ gegründet hatte. So wurde der Elch Namenspatron.
Der große Reiz des Impro-Theaters besteht in seiner Spontanität und im Zusammenwirken mit dem Publikum. In vorher festgelegten Spiel-Formaten, von denen es eine schier unendliche Zahl gibt, bringen die Schauspieler*innen vom Publikum gestaltete Charaktere und Situationen auf die Bühne. Im Theater-Spiel steckt jede Menge Selbsterfahrung, darin sind sich alle einig und: „Jeder Impro-Spieler hat irgendwo einen Treffer. Und das ist gut so.“ Über die Jahre, sagt Kerstin, sei das Team gut zusammengewachsen. Das gemeinsame Spiel fußt auf sehr viel Erkenntnis und Vertrauen.
„Noch schlimmer als ein Blackout ist es“, erzählt Nils, „wenn ein Mitspieler eine Idee blockiert.“ Deshalb, ergänzt Kerstin, ist das Motto beim Improvisieren immer: Ja sagen, annehmen, was der andere anbietet. Und: „Auszuhalten auch mal nichts zu tun.“
Das kann ich gleich mal versuchen. Die erste Übung heißt „Ja, und dann“ und wird in Zweiergruppen ausgeführt. Immer einleitend mit der Formel „Ja, und dann ….“ beginnt man sich im Wechsel eine Geschichte zu erzählen. Es beginnt mit einer Orange. „Ja, und dann habe ich dir die Orange gegeben …“ – „Ja, und dann dann habe ich sie geschält …“ Um es kurz zu machen: Eine Gruppe reiste auf diese Art sehr harmonisch nach Rom, eine andere gestaltete einen Kinderbastelnachmittag, die dritte beschoss ein Gebäude mit Laserstrahlen und ich fand mich plötzlich nach einer Tollwutspritze in einer gescheiterten Ehe wieder. Am größten ist die Überraschung darüber, wie man sich selbst überraschen kann.
Impro-Theater Elchtest
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- Nächster Auftritt am 11. Mai um 19 Uhr im Stadtteilhaus in der „Wanne“, Prießnitzstraße 18, 01099 Dresden