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Filme, Füße, Festivals

Daniela Berndt führt in die Filmgeschichte Dresdens ein.
Daniela Berndt führt in die Filmgeschichte Dresdens ein.
Daniela Berndt und Heinz-Olaf Müller wirken aufgeregt, als sich an der Ecke Louisenstraße/ Königsbrückerstraße ein Grüppchen um sie versammelt. Gleich beginnt ihre erste cineastische Stadttour durch die Neustadt. Eine Tour, die ehemalige Kinos und Filmplätze entdeckt, in Hinterhöfe lukt und am Ende zwei Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat. Und auf dieses Zufußgehen kommt es besonders an:

Ein Festival geht zu Fuß

Seit Donnerstag, den 2. Mai veranstaltet der Verein „Dresden zu Fuß“ zum zweiten Mal das Jane‘s Walk Festival.

Die Veranstalterin Uta Gensichen erklärt: „Wir wollen auf das Zufußgehen aufmerksam machen.“ Der Grund: Zufußgehen ist ganz natürlich, sehr einfach (sofern die eigene körperliche Beweglichkeit nicht eingeschränkt ist) und eigentlich kommt man zu Fuß überall hin. Trotzdem wird der Fußverkehr in der Stadt unterschätzt. Und genau deshalb gibt es die Jane‘s Walk Festivals, aber auch um die Stadt zu Fuß neu zu entdecken. Thematische Führungen werden von Anwohner*innen organisiert.

Hier war früher das Kino: Palasttheater.
Hier war früher das Kino: Palasttheater.

Daniela Berndt und Heinz-Olaf Müller waren am Donnerstagabend der zweite Stadtspaziergang. Sie zeigten Orte, an denen ehemalige Ladenkinos humorvolle Filmabende veranstaltet haben. Zu Fuß führten sie in die Filmgeschichte Dresdens ein. Dabei sind die beiden selbst keine Filmspezialisten: „Aber wir gehen gern zu Fuß und interessieren uns für Filmgeschichte“, erklärt Daniela Berndt, die gerade im Fach Psychologie ihre Doktorarbeit schreibt.

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An der Grünfläche Ecke Alaun-/Böhmische Straße machen die Beiden einen längeren Halt. „Hier war mal das Palasttheater – also eigentlich ein Kino“, erklärt Daniela Berndt. Später wurde das Kino in Kosmos umbenannt, wegen eines Besitzwechsels 1934. Der Grund: Die vorherigen Betreiber*innen waren jüdisch. Heinz-Olaf Müller packt dabei ein kleines Büchlein aus und beginnt zu schwärmen. Was er in der Hand hält, ist das Buch: „Das Lied ist aus“ von Henny Brenner, die Tochter des ehemaligen Palasttheater-Betreibers. Sie schildert darin die Zeit vor 1934 aus Sicht ihrer Kinderaugen.

Orte, die man nur zu Fuß entdeckt

In der Louisenstraße 55 kommt die zehnköpfige Gruppe wieder zum Stehen. „Na, wer kennt das Porträt da oben?“, fragt Daniela Berndt. Niemand weiß es. Die Veranstalterin Uta Gensichen erklärt später: „Wäre ich an dem Ort jetzt mit dem Fahrrad oder dem Auto lang gefahren, hätte ich das Porträt nie gesehen. Das ist das Schöne am Zufußgehen, man kann fast überall verweilen und genauer hinschauen.“

Das Porträt von Sänger Emil Winter-Thymian.
Das Porträt von Sänger Emil Winter-Thymian.

Wer sich die Louisenstraße 55 genauer anschaut, erkennt das Bild von Emil Winter-Thymian (1860 – 1926) – ein Dresdner Sänger und Humorist, dem das Kino „Thymians Thalia Theater“ im Hinterhaus gehörte – also fast an der gleichen Stelle, wo sich seit 2005 das Thalia-Kino befindet. Es schließt an die ehemalige Ladenkinotradition aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts an. Dabei wurde in den Nebenräumen von Lebensmittelläden für wenig Geld Kino angeboten.

So ein Ladenkino wurde in den 1920er Jahren auch in derLouisenstraße 15 errichtet.
So ein Ladenkino wurde in den 1920er Jahren auch in der Louisenstraße 15 errichtet.

Auch in der Görlitzer Straße 18 befand sich mal ein Kino – aber ein größeres: das Hansatheaer mit 350 Sitzplätzen. Es zeigte bis 1945 Filme, wurde danach zwar nicht zerstört, aber auch nicht wieder in Gang gesetzt. Heinz-Olaf Müller vermutet, dass zu der Zeit fast nur noch Propaganda-Filme vorhanden waren und auf die Schnelle nichts Passendes mehr gefunden wurde.

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Sind die Sitze in der Schauburg breiter geworden?

Zuletzt geht es noch zur Schauburg und zum Filmverleih „Phase Vier“. Von Arnulf Huyras 1927 erbaut, gehört die Schauburg zum ältesten fast kontinuierlich betriebenen Kino Dresdens. Man könnte ja meinen, dass sich in den Jahren das Kino vergrößert hätte, aber nein: mit jedem Umbau wurden die Sitze größer und somit die Sitzplätze weniger. Von ursprünglich 1000 Sitzplätzen gibt es heute nur noch 850 Sitzplätze.

An der Phase Vier wird nun endlich der Titel der Stadttour (Cineastisches vom Albuminpapier über die „Dresden D 2“ bis heute) aufgelöst: Im Hinterhof des Phase Vier (Königsbrücker Straße 54) wurde die Dresdner Albuminfabrik gegründet: Bei dem Verfahren schlägt man Eiweiß mit Ammoniumchlorid-Lösung zu Schaum auf und bringt es anschließend auf das Papier. Bis zur Jahrhundertwende war das Albuminpapier das meistverwendete Fotopapier. Ein großer Teil der Weltproduktion wurde in Dresden hergestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Albuminpapier durch einfachere Verfahren abgelöst.

Zum Ende laden die beiden Stadtwalker noch zum Film „Citizen Jane“ ein. In der Dokumentation geht es um die Namensgeberin des Festivals: Die US-amerikanische Stadtplanerin und Aktivistin Jane Jacobs.

    „Sie rief schon vor 60 Jahren dazu auf, Stadt mit dem Blick auf menschliche Bedürfnisse und dem Ziel lebendiger Stadtviertel und unter Einbeziehung aller Bewohnerinnen und Bewohner zu planen“, erklärt die Veranstalterin Uta Gensichen.

Die ersten Jane’s Walk Festivals starteten 2007 in Toronto, seitdem breitet sich die Idee in der ganzen Welt aus. Auch in Dresden hat sich die Zahl der angebotenen Spaziergänge fast verdoppelt. Insgesamt werden 28 thematische Stadttouren angeboten. Im Rahmen des Jane‘s Walk werden bis zum Sonnabend, 5. Mai 2019, Bürger*innen kostenfreie Spaziertouren durch ihre Stadtteile anbieten . Jeder der rund 25 Spaziergänge steht unter einem Thema, zum Beispiel „Auf den Spuren von Erich Kästner“, „Geht ja gar nicht! Zu Fuß unterwegs in der autogerechten (Neu-)Stadt“ oder „Neue Vielfalt am Leipziger Bahnhof?“

Mit Film und Musik spazierten die Stadtwalker 2 Stunden durch die Neustadt.
Mit Film und Musik spazierten die Stadtwalker zwei Stunden durch die Neustadt.

Jane’s Walk – Mehr Informationen:

  • Das komplette Programm des Jane’s Walk Festivals findet sich unter: www.dresdenzufuss.de//janes-walk-festival
  • Liste aller ehemaligen Kinos in Dresden: www.stadtwikidd.de/Ehemalige_Kinos

2 Kommentare

  1. Mein Großvater Herr Paul Boden war vor dem 2. Weltkrieg bei Thymians Thalia Theater als urkomschier sächsischer Parodist engagiert. Sein Künstlernamen war Pabo. Ich hätte gern gewusst ob es evtl. noch Fotos aus dieser Zeit gibt, ich bin leider nur im Besitz einer einzigen Postkarte von einer Frontbühne. Ich würde mich freuen wenn ich Bildmaterial erwerben könnte.
    Vielen Dank für ihre Bemühungen

    Mit freundlichen Grüßen Hannelore Kretzschmar

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