Tourette Boys haben eine neue Platte. In ihrem dritten Album „Zorn“ verleihen die Dresdner Musiker ihrer Wut auf die Gesellschaft Ausdruck. Wie sich das anhört, können Neugierige am 18. Mai in der Chemiefabrik erfahren. Vorab plauderte ich bei schwarzem Tee und Falafel mit den jungen Musikern über ihre neue LP, Feminismus und ja, sogar Exorzismus.
Als ich im Memo auf der Rudolf-Leonhard ankomme, sehe ich nur zwei der drei Tourette Boys. „Unser Drummer konnte leider nicht. Der muss unseren Tour-Bus reparieren, damit der noch durch den TÜV kommt“, erzählt Sänger Benjamin, daneben Gitarrist Paul-Willy. Die beiden kennen sich schon seit der fünften Klasse und machten seitdem immer wieder gemeinsame Musikprojekte. Einige jahre Später kam dann Drummer Conrad hinzu und die Tourette Boys waren geboren.
Musikalischer Steckbrief des neuen Albums „Zorn“
Seit 2012 spielt das Trio nun seinen selbst ernannten „Psychedelic Powerblues“. Nach den beiden Alben „Point of no Return“ und „Kaiser“ und mehreren Kollaborationen mit anderen Künstlern aus dem Genre folgt nun das dritte Album „Zorn“. Auf diesem beweisen die drei Musiker erneut, dass sie das psychedelische Musikhandwerk beherrschen.
Der erste Track „Psychedelic Summoning“ wirkt hierbei gleich wie ein sechsminütiges Muskelrelaxans, jedoch ganz ohne Nebenwirkungen: Gitarrenklänge, bei denen man sofort die Augen schließt und den Körper langsam in Richtung Nirwana mitschwingt und ein Gesang, der sich so angenehm auf den Hörsinn legt, dass man hofft, der Song würde noch ein paar Minuten länger dauern.
Was tiefenentspannt beginnt, ändert sich beim dritten Track „Heister“, welcher mit schnellen Rhythmen und laut-kratzigem Sound den Zorn der Band erahnen lässt. So langsam in Fahrt gekommen, holt das Album mit „Weekend Escape“ und spätestens mit dem Bonus Track am Ende alle ab, die bereits Platten von Rock-Legenden wie Led Zeppelin und Pink Floyd im Regal stehen haben.
Lyrics mit gesellschaftskritischer Note
Doch der reine Klang ihrer Musik ist für Tourette Boys nur die halbe Miete. Es sind vor allem die Lyrics, welche ausdrücken, was sie zu sagen haben. Und dass die drei etwas zu sagen haben, steht außer Frage. Musik ist für die Künstler ein Medium um Barrieren in der Gesellschaft und emotionale Schwierigkeiten im eigenen Leben zum Ausdruck zu bringen. So geht es im Song „Evil“ um stereotype Maskulinität und Homophobie und im Track „Fuzz“ um das große Thema Migration.
Trotz hartem, gesellschaftskritischem Ton verlieren die drei Musiker hierbei ihren psychedelisch-bluesigen Sound nie. „Zornige Musik muss nicht gleich zornig klingen“, sagt Gitarrist Paul-Willy. Sicher, sie könnten auch wie andere Männer-Bands möglichst laute Musik machen, rumschreien, doch Tourette Boys mögen es eher subtil und um die Ecke gedacht.
Ein Exorzismus in der Gesellschaft
Dass Benjamin, Paul-Willy und Conrad es subtil mögen, sieht man auch auf dem Cover ihres neuen Albums: Eine Fotoaufnahme eines Schlafzimmers in einem Haus in einem alten, sorbischen Dorf, ein Ehebett, eine Blumentapete, ein Kreuz an der Wand. Trotz dieser auf den ersten Blick völlig gewöhnlichen Dinge überkommt den Betrachter ein bedrückendes Gefühl. Und darum ginge es auch, meint Benjamin. Die Bildelemente stehen für gesellschaftliche Konstrukte wie Religion und Ehe, in denen es häufig zur Unterdrückung der Frau kommt, und welche man hinterfragen sollte.
Dass ich beim Betrachten des Albumcovers zuerst an den Film „Der Exorzist“ dachte, schockiert die Musiker nicht. Im Gegenteil, die Idee der Teufelsaustreibung gefällt Sänger Benjamin. „Vielleicht sollten wir einen Exorzismus in dieser Gesellschaft durchführen, um endlich die verfestigten Strukturen aufzubrechen.“ Ob es am 18. Mai in der Chemiefabrik gar so weit kommen wird, bleibt abzuwarten.
Tourette Boys Record-Release-Konzert
- Samstag, 18. Mai, ab 20 Uhr. Chemiefabrik, Petrikirchstraße 5, 01097 Dresden
- Support: Sir Robin and the Longbowmen, Wrackspurts und Wiese
- Ticketpreis im Vorverkauf 8 Euro oder an der Abendkasse für 10 Euro
- weitere Infos zur Veranstaltung auf Facebook
- Musik inkl. neuem Album „Zorn“ von Tourette Boys auf bandcamp
Es soll übrigens auch „Frauen-Bands“ geben, die laute Musik machen und rumschreien.
Und wo bleibt da der Weckruf?