„Ich ziehe meine zwei Joker und beantrage zwei Schweigeminuten für die sterbende AfD“, mit diesem Satz brachte Max Aschenbach ungefähr 90 Prozent des Publikums zum Lachen. Nicht lachen konnten die AfD-Vertreter in der ersten Reihe, sie waren von den Piraten nicht eingeladen, aber dennoch da. Das war dann aber schon der lustigste Moment des Abends, obwohl sich einige Politiker*innen echt Mühe gaben, witzig zu sein.
So fiel dem CDU-Kandidaten zum Schluss-Statement in drei Wörtern nur sein Name „Hans-Jürgen Rosch“ ein, da hatte Jan Kossick von den Piraten eine passendere Antwort mit „Bunte Republik Neustadt“, allerdings verwirrte der das Publikum, in dem er für das Stadtteilfest mehr Anarchie und gleichzeitig eine Satzung forderte.
Buzzer und Leuchtleiste
Die Piraten hatten zum politischen Schlagabtausch ins Projekttheater geladen. Das Theater war bis auf die Treppe gut gefüllt. Die Kandidat*innen hatten je Antwort immer 60 Sekunden Zeit und einige Joker, wie Widerspruch und Verlängerung. Mittels Buzzer und einer bunten Leuchtleiste navigierte der Moderator einem Quiz-Master gleich durch den Abend.
Spannendes Statement eines Besuchers nach der Show: „Eigentlich kann man alle wählen.“ Tatsächlich gestalteten sich die Unterschiede in den Aussagen sehr gering. Vielleicht auch, weil von der CDU mit Rosch und Johannes Albrecht Heinke zwei Vertreter ohne realistische Wahlerfolgschancen da waren und weder ein Vertreter der Freien Wähler noch einer der AfD. Sonst wären die Unterschiede vielleicht deutlicher ausgefallen.
Verkehr
Doch auch Nuancen können spannend sein. Bei der Königsbrücker sind alle dafür, diese, so wie zuletzt beschlossen zu bauen, außer den Piraten, die hätten gern eine Sanierung im Bestand. Die „autofreie Neustadt“ können sich auch fast alle (außer FDP und CDU) vorstellen, wobei offenbar die Definitionen auseinander gehen, was autofrei bedeutet. Die Spitzenkandidatin der Linken, Caroline Lentz hob hervor, dass die Zeit für Privatautos vorbei sei.
Bunte Republik Neustadt
Dann die BRN, dieses bunte Stadtteilfest finden irgendwie alle gut, wünschen es sich aber anarchistischer (Piraten), ohne Büro (CDU) oder mit Satzung (Grüne, Linke, Piraten, Freie Bürger, SPD). Die Partei schlug vor, Zastrows Werbeagentur solle das Fest organisieren, Benita Horst (FDP-Parteikollegin von Zastrow) winkte ab, der wolle das nicht. Als das Thema dann auf die Freie Szene kam, waren irgendwie auch alle dafür, dass das gefördert werden muss, für die Linke äußerte sich Magnus Hecht ziemlich ausführlich, unter anderem mit der Idee für einen Nachtbürgermeister. Der Scheunevorplatzverantwortliche Olaf Hornuf blieb im Publikum ganz ruhig und fühlte sich überhaupt nicht angesprochen. Dann kam die Partei mit ihrer Schweigeminute. Daraus wurde aber nichts, weil das Publikum aufmuckte. Der ehemalige Ortsbeirat Michael Ton meinte, dass man mit Schweigen dieser Partei wohl nicht beikommen werde. Das Gemurmel der AfD-Vertreter (Stadtbezirksbeirat Stefan Strauß und die Landtagsabgeordnete Karin Wilke) war nicht zu verstehen.
Miete und Wohnen
Weiter ging es mit dem Thema Miete bzw. Wohnen. Die Partei vertrat auf einmal die Ansicht, dass man für geringere Mieten die Ansprüche senken müsse, vor fünf Jahren hieß es noch, man wolle das Viertel durchgentrifizieren (Neustadt-Geflüster vom 23. Mai 2014). Christian Hille von den Freien Bürgern brachte die Idee mit einem Gebietsschutz für bezahlbaren Wohnraum ein, Vincent Drews sprach von der Idee, Mieten für fünf Jahre einzufrieren, die FDP will Bauland ausweisen (auf Nachfrage am Stadtrand). Die Piraten verweisen auf das kooperative Baulandmodell, das auch die Grünen unterstützen, mit 30 Prozent Sozialwohnungen in jedem Neubau. Caroline Lentz (Linke) verwies auf die WiD* und forderte die Vonovia zu enteignen. Rosch (CDU) entgegnete, dass die WiD ein Tropfen auf dem heißen Stein sein und forderte gleich viermal „Bauen“.
Partybesucher
Die nächste Frage war etwas merkwürdig. So wollte der Quizmaster wissen, wie die Partybesucher in der Neustadt glücklicher gemacht werden können. Erstaunlicherweise äußerte keiner der Politiker die Ansicht, dass dafür die Bierpreise gesenkt werden müssen. Stattdessen Ulla Wacker (Grüne): „Ich glaube, die sind glücklich, sonst wären sie nicht so zahlreich da. Der CDU-Vertreter will Leggings und Boomboxen verbieten. Um dann nachzuschieben, dass dies nur ein Scherz sei. Ernsthaft glaube er eher an schärfere Kontrollen, denn die Wirkung von Geister-Kampagnen. SPD, Freie Bürger und Piraten wollen die Sperrstunde abschaffen und Magnus Hecht hat die Vision von einer Neustadt ohne To-Go-Verpackungen.
Nach ziemlich genau 90 Minuten war Schluss und vor der Bar wurde bei Bier und Zigaretten weiterdiskutiert. Fazit: Ein vergnüglicher Abend, zwar nicht besonders aufschlussreich, dafür unterhaltsam. Reichte nicht an das früher so beliebte Format „Dem Volk aufs Maul schau!“ heran.
Video und Termin
Im Laufe des Tages wollen die Piraten auch Videomaterial von der Show zur Vergügung stellen. Am Sonntag dem 26. Mai wird in Dresden gewählt. Insgesamt sieben Stimmen kann man abgeben, je drei für die Stadtbezirksbeiräte und Stadträte und eine für das Europaparlament. Einzeilheiten hier.
*WiD: Wohnen in Dresden, Die neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft der Landeshauptstadt Dresden. Weitere Infos unter www.wid-dresden.de
Nachtrag 19. Mai
Das Video vom Lokalbuzzern ist online.
Nachtrag 20. Mai
Das SPD-Zitat zur Miete stammt von Vincent Drews nicht, wie ursprünglich im Text geschrieben von Sabine Friedel. Ich bitte die Verwechslung zu entschuldigen.
Das wechselnde Bild macht leider den Artikel unlesbar, weil alles darunter hoch und runterhüpft (zumindest auf nem Mobilgerät)
Danke für den Hinweis. Ist behoben.
Da fühlen sich die Organisatoren wohl, wenn man sich nicht ernsthaft mit anderen Meinungen auseinandersetzen muss. Einfach nicht einladen, man kann auch sagen ausgrenzen, und schon ist die Welt in Ordnung. Dann noch einen gehässigen Witz über offiziell nicht Anwesende… so sieht die Toleranz in Wirklichkeit aus.
@ SteffenDD
Steffen du ausgebuffter Toleranzspezialist – bitte einfach aufhören an der Weltrum-rum-zu-jammern … dann klärt sich vieles, auch das mit der AfD.