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Archiv der Avantgarden - Der Wandel wird kommen

Furchtbar, diese Hitze im Sommer 1911

Seit Wochen beherrschten Hitze und Trockenheit das Dresdner Elbtal. Ursache: eine Hitzewelle rollte über Mitteleuropa. Die Elbe konnte man an vielen Stellen durchwaten und dadurch, mal positiv betrachtet, Umwege über die Brücken vermeiden. Aber ganz so niedrig wie 1904 war der Wasserstand diesmal nicht. 1904 war die Elbe im Juli nur noch ein Rinnsal, vergleichbar mit der heutigen sommerlich dahinplätschernden Prießnitz.

In der Bekleidung hatten die Damen den Herren gegenüber viel durch ihre zweckmäßigere Ausgestaltung voraus. Es wären nur noch die Entfernung des Mieders, des Korsetts und eine Reduktion der Unterkleider auf das Notwendigste zu fordern, meinten Modeexpertinnen im Dresdner Blätterwald. Alle einschnürenden Bänder und Bandagen konnten zur Freude der Frauen in der Kommode übersommern.

Um wieviel weniger entsprach dagegen die Herrenmode in der sommerlichen Glut den gesundheitlichen Erfordernissen. Darauf machten die Dresdner Nachrichten in der Frühausgabe vom 30. Juli 1911 in einem Artikel aufmerksam.

„Der Hals (des Mannes) wurde durch den hohen steifen Kragen umschlossen. Eine Binde zog ihn noch zusammen, um jede Bewegungsfreiheit und Luftzutritt zu hemmen. Die Weste umgab enganliegend den Leib und enge Ärmel und enge, lange Woll- oder Leinenhosen wehrten jede Berührung des Körpers mit der umgebenden Luft ab. Diese Bekleidung hinderte natürlich jedwede Transpiration. Eine Reform der Herrensommermode wäre vom Standpunkt der Gesundheitspflege aus dringend erwünscht“, so der Gesundheitsexperte des Blattes.

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Badebekleidung für Frauen um die Jahrhundertwende. Foto: Wikimedia
Badebekleidung für Frauen um die Jahrhundertwende. Foto: Wikimedia
Dann verwies er ganz ohne Klassendünkel auf das Gros der arbeitenden Bevölkerung in Löbtau und im Hechtviertel. „Diese sei dem Mittelstande in den vornehmeren Gebieten (der Angestellten, Selbständigen und Beamten) voraus, da die männlichen Angehörigen der Unterschichten instinktiv die Erfordernisse der Hygiene beachteten, alle überflüssigen Kleidungsstücke ablegten und den Hals, eventuell auch die Brust der Luft aussetzten.“

Heute empfiehlt man bei großer Hitze: viel trinken. Damals, 1911, das Gegenteil. „Das reichliche Aufnehmen von Flüssigkeiten sei schädlich, denn es wirke ungünstig und vermehrt auf das Durstgefühl.“ Insbesondere vor unmäßigem Genuss alkoholischer Getränke in den Biergärten und Arbeiterkneipen wurde gewarnt, da diese „das Unbehaglichkeitsgefühl in der Hitze erhöhten. Der Genuss von Fruchteis sei auch nicht allen Personen zuträglich, da dazu eine ungeschwächte Verdauungstätigkeit notwendig sei.“

Und was sollte dann gut sein in diesen Hundstagen? Häufige Bäder, empfahl das Leib- und Magenblatt der Dresdner Bourgeoisie. „Sie entfernten die Schweiß- und Staubschichten vom Körper, öffneten die Poren und unterstützten so die Transpiration. Sie entlasteten andererseits auch die Nierentätigkeit.“ Und noch ein Tipp: „Es sei zwecklos, sich durch langes Verweilen im Wasser zu ermüden und dass Bademöglichkeiten mehrmals täglich und kurz dauernd den hygienischen Forderungen besser entsprechen.“

Vorausgesetzt natürlich, man verfügte zu Hause über ein Bad oder nutzte die öffentlichen Badeanstalten an der Elbe. Ersteres konnten sich nur gut Betuchte leisten. Letztere hatten in diesen heißen Wochen das Problem des niedrigen Wasserstandes. Oder man benutzte eine Wanne im 1895 eröffneten Nordbad.

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Mehrmals täglich? Das war dann doch eine Geldfrage. So blieb nur die heimische Waschschüssel oder „man wechselte häufig die Wäsche, denn damit unterstütze man das Ausscheiden der Flüssigkeit durch die Haut, da frische Wäsche den Schweiß leichter aufnehme“, so der Zeitungsexperte der Dresdner Nachrichten.

Und wenn man sich nicht wusch und die Kleidung nicht häufig wechselte, diese auch nicht wusch, sondern nur am Fenster oder im Hof lüftete? Dann verbreiteten sich eben „edle“ Gerüche. Da die Meisten damals leider so handelten, gewöhnte man sich daran. An die Gerüche, meine ich.

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.

Elbestrand
Elbestrand

6 Kommentare

  1. Interessant. War das Jahr 1911 in Dresden und Umgebung doch ein besonderes.
    Kein Wunder, dass viel Wert auf Hygiene gelegt wurde: 1911 fand die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden statt.
    Ferner entstand 1911 das Festspielhaus in Hellerau mit Adolphe Appias leuchtend weißem Theaterraum.
    Die Maler der Brücke zogen zum letzten Mal von Dresden zu den Moritzburger Teichen. Ende 1911 verließ sie Dresden Richtung Berlin.

    Komisch zu wissen, dass dabei alle fürchterlich geschwitzt haben.

    Die Spitzentemperatur betrug übrigens in Magdeburg 37,5 Grad. Die Trockenheit war extrem, die Ernteeinbußen groß.
    Also gibt es jetzt doch keinen Klimawandel?

  2. Wenn ich mit dieser Hysterie mein Geld verdienen würde, würde ich auch Anaylsen und Statistiken zusammenbasteln, viele aufklärende Webseiten verfassen und überhaupt alles dafür tun, damit auch jeder meiner Meinung unterstützt und verbreitet. Zur zeit läuft es prima.
    Greenwasching ist der am meisten boomende Wirtschaftfaktor der Zukunft. Bald kaufen die ersten Aktien und bald platzt auch die Blase wieder. Ein paar Kluge werden lachen. Die Dummheit und Gier ist unendlich. In 2 Jahren ist wieder was anderes Trend, wetten.

  3. Hallo Simmang, das die Erde eine Kugel ist wird uns ja auch nur von der Globus-Industrie und interessierten Karthographen eingeredet, insofern ist Vorsicht natürlich angebracht!
    Aber im Ernst: Natürlich ist Greenwashing ein Problem, ein grünes, faires oder regionales Argument ist in diesem Wirtschaftssystem eben in erster Linie ein Verkaufsargument. Das sollte aber eher dieses System, dessen Funktionsweise nicht zuletzt die klimatischen und generell ökologischen Entwicklungen begründet, in Frage stellen und nicht die objektiven Fakten!

  4. Selbst mein Vater erwähnte den Sommer 1911 als besonders trocken. Er war im Jahre 1911 im westlichen Münsterland (Metelen) auf einem Bauernhof geboren und der Sommer 1911 wird am heimischen Kamin später wohl häufiger Gegenstand von Erzählungen gewesen sein, sonst hätte er wohl nichts darüber gewusst.

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