Um dieser Frage nachzugehen, veranstaltete man 1913 eine Umfrage (und das möge man beachten) unter bereits „mehrfach“ verheirateten Frauen aus den bürgerlichen Kreisen der Königlich-sächsischen Residenz.
Und die Antworten waren hoch interessant. So meinte eine dieser „mehrfach eheerfahrenen“ Damen, dass es angeblich für Männer leicht sei, sich ideal zu geben. Er brauche ihr nur Glauben zu machen, dass sie ihn jeden Tag aufs Neue in Begeisterung und Entzücken versetze. Und die Damen sind dann so leicht „rumzukriegen“? Ein Kosewort am Morgen, eine Schmeichelei am Mittag soll die Frau glauben lassen, dass außer ihr keine ihrer Mitschwestern einen solchen idealen Mann habe.
Bringe er ihr von Zeit zu Zeit einige Kleinigkeiten mit, ihre Lieblingsblumen, ein Stück Torte um das Hüftgold zu mehren oder ein kleines Bild von einem angesagten Künstler, sofern „Mann“ das nötige Kleingeld hat, dann sei der Gipfel des Idealen erreicht. Dieser Mann habe dann die treueste Ehefrau an seiner Seite. Also mache die Liebe oder was immer er und sie dafür hielten, blind, taub und … blöd?
Eine adlige Dame aus den höchsten sächsischen Bürgerkreisen meinte, dass derjenige ideal sei, der seine Frau von seiner Arbeitskraft und Tüchtigkeit sowie der Dicke seiner Brieftasche überzeugen kann. Es dürfe sich in seinem Umfeld nur kein anderer Mann ihm in Sachen Tüchtigkeit und Intelligenz Konkurrenz machen. Dazu gehörten unausgesprochen auch eine gute körperliche Gestalt (Sixpack kannte man damals noch nicht, sportliche Körperkultur schon) sowie ein ritterliches, sprich großzügiges, charmantes und schmeichlerisches Wesen. Und schon schmelze die Damenwelt reihenweise seufzend und kurz vor der Ohnmacht stehend dahin.
In bürgerlichen Kreisen heirateten die Männer übrigens erst im „reiferen“ Alter, meistens weit jenseits der 30.
Sado-Maso-Praktiken?
Dem gegenüber hatte eine deutsche Schriftstellerin eine ganz andere Vorstellung. Für sie müsse der Gatte ihr immer mal wieder eine dramatische, herzzerreißende, das ganze Haus daran teilhaftig seiende Eifersuchtsszene machen. Das versetze sie in eine orgiastische Rage. Damit beweise er seine Liebe zu ihr. Dabei darf natürlich kein Wort der Beleidigung und Beschimpfungen über seine Lippen kommen. Selbst im Zorn möge er vornehm und zurückhaltend sein. Die Nachbarn könnten wohl ein anderes Lied singen. Schon interessant, wie verbrämt und widersprüchlich hier über Sado-Maso-Praktiken gesprochen wurde.
Natürlich bedarf es noch anderer Eigenschaften, so die Damen in der Umfrage. Ganz wichtig: Er, der Ehegatte, müsse es unbedingt verstehen, sich ihre Liebe zu erhalten. „Ehen, die nicht im Jubel der hinreißenden Leidenschaft geschlossen worden sind, sind dadurch zu glücklichen Ehen geworden, weil die Frau in dem Manne den idealen Gatten erblickt habe“, lesen wir dazu in den „Dresdner Nachrichten“ vom 7. Mai 1913. Angeblich hielten sogenannte Vernunftehen am besten.
„Die Männer wiederum wissen gar nicht, wie leicht sie den idealen Gatten geben können. Es gehöre dazu nur ein ‚oberflächliches‘ Studium der eigenen Frau. Nur geben sich die Männer dafür zu wenig Mühe“, hieß es in der Zeitung.
Aber auch die Frau müsse sich Mühe geben, ihren Mann zu verstehen und ihn nicht zu enttäuschen, meinten einige Damen in der Umfrage. „Ein Mann, der sich seine Frau als große Dame gedacht hat, wird enttäuscht sein, wenn sie sich als Hausmütterchen entpuppt, deren Horizont nicht über Küche und Stube hinaus geht.“ Drum prüfe, wer sich ewig binde – dieses Sprichwort gilt noch immer. Nur gab es bei diesen „Prüfverfahren“ erhebliche Unterschiede in der praktischen Umsetzung zwischen Mann und Frau.
Und gab es den idealen Gatten wirklich und wollten ihn unsere Uromas überhaupt? Oskar Wilde lässt eine Frau in einem seiner Filme sagen: „Ein idealer Gatte! Ach ich glaube nicht, dass ich den gern hätte. Das riecht ein wenig nach dem Jenseits.“
Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.
Sehr amüsant zu lesen!
Ansonsten dasselbe Gehabe wie seit Jahrtausenden.
Lustig, wie sich die Triebe trotz technischer und sozialer Entwicklung gehalten habe!
Danke, Marcus, dass es dich freut. Ja, es ist auch ein Motiv dieser Reihe, zu zeigen, was sich im Verhalten der Menschen verändert hat und was nicht.