Das zu beurteilen, kommt auf den Standpunkt an. Ist man Liebhaber von Tauben und anderem Geflattere, dann verteufelt man womöglich die wilde Bestie aus der Nachbarschaft. Nennt man einen Stubentiger sein Eigen, dann versteht man das Gezerre der Vogelliebhaber nicht, denn die eigene Mieze ist doch lieb und anschmiegsam. Dass sie hin und wieder ein Mäuschen fängt, ist nur Ausdruck ihrer tierischen Wildheit und zudem Teil ihrer Natur. Dass sie hin und wieder auch mal ein wertvolles Täubchen erhascht, sei es drum.
Katzen lassen sich halt nicht so dressieren wie Hunde, was letztere mächtig ärgert. Deswegen werden die meisten Wauwaus beim bloßen Geruch einer Katze auch zur Hyäne. Doch nun zu unserer Geschichte.
Ein Miezenbesitzer wandte sich 1913 mit einem Leserbrief an sein Leibblatt, die Dresdner Nachrichten. Er schilderte, dass sein Kater, Peterlob mit Namen, der Liebling der ganzen Familie gewesen sei. Bis zu seinem Tode war er anhänglich (er bekam schließlich freie Kost und Logis), ging selten auf Freiersfüßen (wahrscheinlich wegen seines hohen Alters und der Kratzbürstigkeit der eigenwilligen Katzendamen) und biss und kratzte niemanden (Zahn- und Krallenersatz stellte keine Krankenversicherung zur Verfügung). Zudem war er (angeblich) so sozial integriert, dass er mit einem zahmen Raben, einer Henne und einem Dackel aus einem Napf fraß!
Trotzdem verstand unser Katzenliebhaber die Klagen der Vogelfreunde. Deshalb offerierte er ihnen heiße Tipps im Umgang mit Nachbars Katze. Man baue in seinem Garten eine Falle der besonderen Art mit Falltüren, in die eine Katze leicht hineingehe.
Katzenpädagogik
Ist es eine zahme Katze, so werde sie sich im Käfig in eine Ecke setzen und solange miauen, bis sie befreit wird. Aber Strafe muss trotzdem sein, sonst nimmt die Katze die Lehre der Falle und das Verbot des Vogeljagens nicht ernst. Unser Leser empfahl daher diese katzenpädagogische Methode: „Feuer und Wasser sind ihnen ein Gräuel.“ Man gehe deshalb folgendermaßen vor: „Mit einer Gießkanne voll Wasser wird die Katze langsam und gründlich eingeweicht. Dabei ruft man immer wieder laut mit einem besonderen Zischen ‚Was willst du hier?‘ Dann nimmt man ein Salonfeuerwerk, brennt es hinter ihr ab und öffnet dann die Falltür. Die Katze kommt nicht wieder!“ Das Ergebnis: Der Vogelzüchter hat seine Ruhe und der Katzenliebhaber seinen Stubentiger unversehrt zurück. Also eine Win-win-Situation, würde man heute sagen.
Nun kann sich aber auch ein richtiger Wildfang in der Falle befinden. Diesen erkennt man daran, so unser erfahrener Leserbriefschreiber, dass diese Katze bei Annäherung wie toll im Käfig herumrast. Da müsse man sehr rabiat vorgehen. „Diese sackt man ein, wie auch anderes Raubzeug und tötet sie durch Schläge auf den Kopf.“
Spätestens jetzt ginge ein Aufschrei durch die Neustadt und nicht nur dort. Gegen diesen „Miezenliebhaber“ würden empörte Tierfreunde solange eine Demo vor seinem Haus organisieren, bis er freiwillig das Viertel verlassen hätte. Zu seinem Glück lebte er jedoch vor 100 Jahren.
Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.