Müde stapfe ich nach Hause. Der Tag war lang. Die Nacht zuvor länger. Biere, Tequilla, jede Menge Zigaretten. Mit einem fetten Kater im Gepäck hatte ich mich zu meiner Ausbildung geschleppt. Die nannten wir damals noch Lehre. Später am Tag drückte ich dann noch die Schulbank, um das Abitur nachzuholen.
Eine merkwürdige Vorahnung beschleicht mich. Vor dem Haus in der Königsbrücker Straße steht ein grün-weißer Lada: Polizei. Die waren doch erst vor ein paar Wochen hier, hatten die Hütchen-Spieler-Zentrale ausgehoben. Was ist heute nun wieder los. An der Haustür kommen sie mir entgegen. Vier kräftige Kerle in Uniform, ein Hund. Instinktiv drehe ich mich um und beobachte sehr interessiert den Verkehr auf der Straße.
Als die vier Polizisten mit ihrem Lada davonbrausen, springe ich die Treppe hoch. Tatsächlich. Die Tür ist eingetreten, hängt schief in den Angeln. Die Bretter vor der Küchentür sind abgerissen. Ein Blick in mein Zimmer: Ein Meer aus Federn. Bettdecke und Kissen aufgeschlitzt. Der einzige Schrank umgekippt. Das war eine Razzia.
Dann höre ich ein leises Wimmern aus dem Nebenzimmer. Dort sieht es ähnlich aus. Mitten im Chaos liegt ein Mädchen auf dem Bett. Sie ist blass, extrem blass. „Wasser“, wimmert sie. Ich geb ihr einen Schluck. Ganz langsam berichtet sie: „Die Bullen waren plötzlich da und ich hier ganz allein.“ Sie ist die Freundin meines Mitbewohners. Der hatte immer einen gewissen Vorrat an Haschisch da. Den hat sie nun schnell verschluckt, damit die Polizei nichts findet.
Ich erinnere mich an die Party des Vorabends. Der Drogenhund muss hier ja fast durchgedreht sein. Plötzlich verdreht sie die Augen und klappt wieder weg. Das können gut zwei Gramm gewesen sein, die sie da geschluckt hat. Warum hat sie das nicht einfach zum Fenster raus…
In der Nachbar-WG wohnt eine Krankenschwester, vielleicht kann die helfen. Das Mädchen atmet ruhig. Ich rase nach nebenan.
Gemeinsam entscheiden wir uns, den Notarzt zu rufen. Der nimmt sie mit ins Krankenhaus. Wir wissen nicht, ob sie nicht vorher noch was anderes genommen hat.
Am Abend war sie dann wieder da. Als wäre nichts gewesen, erzählte sie mir die Details. „Die Cops haben mich überrascht, das Shit, das musste weg“. Dabei hatten die Polizisten gar nicht nach Drogen gesucht, der Hund sei ganz ruhig geblieben.
Offenbar hatte mein WG-Kumpel neben dem Haschisch-Rauchen noch ein anderes illegales Hobby. Nächtliche Besuche in verschlossene Kioske gehörten wohl dazu. Geahnt hatte ich das schon, als ich ihn mal drauf ansprach, war ich nur wieder der spießige Angsthase. Aktuell war er erstmal untergetaucht.
Ob die Polizisten bei jener Razzia tatsächlich Diebesgut fanden, habe ich nie erfahren. Besagter Kumpel verbrachte dann aber einige Zeit hinter Gittern. Für mich war nach dem Polizeieinsatz Schluss in der Chaoten-WG. Ein Leben mit Mietvertrag lockte mich in die Sebnitzer Straße. Die hatte dann auch ein paar hübsche Überraschungen parat.
War früher alles besser?
- Als kleine Erinnerungsstütze an die frühen 1990er Jahre habe ich in loser Folge ein paar Geschichten über die wilde Zeit von damals veröffentlicht.
- Alle Geschichten unter #Früher-war-alles-besser? oder in den Büchern „Anton auf der Louise“ und „Anton und der Pistolenmann“
Jaja, wer kennt die Krankenschwester nicht!? …
Du weißt ja nicht mal, welche es war. ;-)
So schlimm kann’s nicht gewesen sein. Erst durch Decarboxylierung wird aus nicht aktiven THC-A das aktive THC. Und da das nicht passiert ist, war es noch nicht mal halb so schlimm/schön. Im Keks verbacken hätte es besser geknallt ;)