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Silvester 1911

Diejenigen, die keinen Platz in den Restaurants und Kneipen fanden, trafen sich traditionell, nicht wie heute auf den Elbwiesen, sondern auf dem Altmarkt. Zum Aufwärmen hatte man entsprechende „Wärmflaschen“ bei sich. Den sogenannten „Flachmann“ gab es damals schon und der passte wunderbar in die Innentaschen der recht engen männlichen Bekleidung.

Altmarkt mit Straßenbahn im frühen 20. Jahrhundert - Postkarte Brück & Sohn-Kunstverlag
Altmarkt mit Straßenbahn im frühen 20. Jahrhundert – Postkarte Brück & Sohn-Kunstverlag

Als die Glocken der nahen Kreuzkirche das neue Jahr verkündeten, kam Leben in die Massen. Ein vielstimmiges „Prost Neujahr“ erklang zum nächtlichen Himmel, Buntfeuer und Wunderkerzen flammten auf, Schüsse knallten, Glocken läuteten, Papierschlangen surrten über die Köpfe hinweg und Konfetti-Bomben platzten auf den Hüten auf.

Knaller im heutigen Sinn waren polizeilich verboten. Auch wenn es hier und da ein wenig zu laut wurde, drückten die anwesenden Ordnungshüter meistens ein Auge zu. Diese waren an allen Zufahrtsstraßen zum Altmarkt präsent, um bei Gesetzeswidrigkeiten rasch einzugreifen, war in den Dresdner Nachrichten vom 2. Januar 1912 zu lesen.

Das Areal um diesen zentralen Platz war Auto-, Droschken- und Fahrradfrei. Aber die Straßenbahnen fuhren des Öfteren und bis tief in den Morgen hinein.

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Das machten sich viele Jugendliche am Rande des Altmarkts zu Nutze. Im Bericht des Dresdner Polizeipräsidiums vom 2. Januar 1912 wird die Situation beschrieben. Ähnlich dem heutigen „Straßenbahnstreicheln“ auf der Kreuzung Louisen- und Görlitzer Straße bildeten die jungen Männer, allesamt mehr oder weniger stark alkoholisiert, „auf den Gleisen dichte Knäuel und hinderten unter lautem Gegröhle die Bahnen am Fahren. Leere Bierflaschen flogen auf die Perrons*.“

Die Ordnungshüter ließen nicht lange auf sich warten und schritten ohne Zögern und ohne Samthandschuhe ein. Insgesamt sollen laut Polizeibericht in dieser Nacht „17 Sistierungen“ vorgenommen worden sein. Im heutigen Sprachgebrauch bedeutet das „vorübergehende Festnahme“.

*Perron – aus dem Französischen, in dem Zusammenhang sind wohl die Austritte der Straßenbahnwagen gemeint. In der Schweiz werden noch heute Bahnsteige so bezeichnet.

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.

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2 Kommentare

  1. Hallo,
    danke für den interessanten Artikel.
    „Perron“ ist mir noch ein gängiger Begriff,aus dem Sprachgebrauch meines Großvaters,er spazierte noch „auf dem Trottoire“ und fuhr am liebsten in der Linie 4 vom Bischofsweg Richtung Mickten „auf dem Perron mit“.
    Die alte Linie 4 fuhr in den 60ern noch mi sehr alten Bahnen,die hatten hinten am Einstieg so eine Art Plattform,den oder das (?) Perron.
    Passt dann auch irgendwie mehr zum Flaschen werfen
    Ein gutes 2020 wünsche ich allen.

Kommentare sind geschlossen.