Ich schlage die Augen auf. Der Schreck rutscht mir in alle Glieder. Was ist das? Ein Alien?
Nach wenigen Sekunden wird das Bild schärfer. Ich erkenne mich im Spiegel ohne Brille zwar nur schwer. Aber doch, das könnte ich sein. Kleine Stäbchen ragen aus Ohren und Nase. Ich blicke zur Seite. Noch ein Alien? Nein, neben mir sitzt ein Hund auf dem Friseurstuhl. Was ist hier los?
Ich bin beim palästinensischen Barbier auf der Louisenstraße. Der hat vor ungefähr einem Jahr hier aufgemacht und wird von zwei Brüdern geführt. Zwar ist das Lädchen in der Regel gut gefüllt, aber länger als eine Viertelstunde musste ich noch nie warten. Ideal für Termin-Muffel wie mich.
Heute hab ich mir ein Herz gefasst und lasse zusätzlich zur Haupthaarentfernung auch überflüssige Gesichtshaare killen. Nein, nicht die Bartstoppeln. Es geht um die fast unsichtbaren Härchen in den Ohren und der Nase. Und auch die Augenbrauen bekommen einen frechen Kurzhaarschnitt.
Aber eins nach dem anderen. Während der Friseur mir mit der Maschine über den Schädel rattert, klingt in meinen Ohren neumodische Hip-Hop-Musik, es klingt ein bisschen wie Capital Bra, aber der singt doch deutsch. Ich frage nach. Der Friseur grinst mich an. Musik? Nicht gut? Doch, doch, aber welche Sprache. Ein Kollege kommt dazu. Arabisch sei es nicht, vielleicht albanisch. Hm, gibt es dort populären Hip-Hop? Der Meister an der Schneidemaschine nimmt meine Frage aber zum Anlass, die Musik zu wechseln. Nun tönen Vivaldi-Klänge aus dem Apparat. Mir soll es recht sein.
Als dann das wenige Haupthaar auf Skinhead-Länge gestutzt ist, kommen wir zum zweiten Teil. Er zeigt mir den Zwirn. Augenbrauen? Klar, töne ich mutig. Dann zwickt und zwirbelt er mir über Stirn und Augenbrauen, dass es eine wahre Freude ist. Schließlich nimmt er ein Wattstäbchen tunkt es erst in heißes Wachs, dann nacheinander in beide Ohren und die Nasenlöcher. Ich hatte schon während des Zwirbelns lieber die Augen geschlossen.
Nun der Alien-Blick. Der Hund neben mir sitzt natürlich nicht auf dem Frisierstuhl, sondern auf Herrchens Schoß. Der lässt sich gerade den Bart abnehmen. Der Schneidemeister naht. „Achtung, tut kurz weh!“ Dann zupft er die Stäbchen aus Ohren und Nase, zeigt sie mir stolz mitsamt einem guten Dutzend Härchen. Endlich höre und rieche ich wieder klar.
- Fazit: Günstige Herrenhaarschnitte in hipper Umgebung mit freundlichem Personal. Preis für Haarschnitt und Wachsbehandlung: 20 Euro.
Barbier Beirut, Louisenstraße 73, 01099 Dresden, Telefon: 0152 020238088, Montag bis Sonnabend von 10 bis 20 Uhr
Wenn der Barbier frisiert, hat er hoffentlich einen Meisterbrief von der Handwerkskammer.
Die Redaktion lässt sich Nasen und Ohrenhaare entfernen.
Etwas mehr Information als wir zu diesem Thema gebraucht hätten. Freundlich formuliert !
Danke für den Artikel…schön, daß es mal wieder einen Testbericht gab!
Fortsetzung folgt? Ich bin ein großer Fan dieser Berichterstattung…Bitte weiter so, wenn das Haupthaar wieder nachgewachsen ist ;-)
@Randhecht: Mal sehen, ich verspreche noch nichts.
@ zwön
Der ist gar nicht zwingend nötig, um das Friseurshandwerk auszuüben. Sie können in Ruhe etwas anderes hoffen.
@Pitti und Zwön: Die Regeln, wie man ohne Meistertitel dennoch einen Salon eröffnen kann, sind hier gut aufgeschrieben.
Vielleicht könnte sich ne Frau namens Ruth finden, die daneben eine Bierbar eröffnet. Wenn dann die Bierbar „Bei Ruth“ neben dem Barbier „Beirut“ wäre das doch Anlass zu Freude. Und zu schönen Antworten auf Fragen nach dem Weg. „Barbier ‚Beirut‘? Bei Bierbar ‚Bei Ruth‘!“.