Das Fachteam Suchtprävention der Diakonie Dresden hat auf der Rothenburger Straße neben dem Büro der Neustadtpiraten eine Kontaktstelle eingerichtet. Zuvor war sie in Gruna ansässig – jetzt hat sie in der Neustadt Fuß gefasst.
An der Rothenburger Straße ist die Kontaktstelle für Safer Nightlife schon seit Juni 2019 anzutreffen – aber erst seit der violetten Außenwerbung fallen die ehemaligen Geschäftsräume für Babybekleidung in ihrer neuen Funktion so richtig ins Auge: Das Team geht in die Werbephase. Die Kontaktstelle bietet Raum für Plausch, Workshops und Weiterbildungen und versteht sich nicht als Ort des erhobenen Zeigefingers, sondern des Gesprächs. „Die Leute können gern zu uns reinkommen und reden“, bieten Julia Noack, Fabian Günther und Daniel Ellerbrock an. Der neue Standort im bunten Viertel ist näher dran am Nachtleben – und am Laufpublikum. Vor kurzem wurde die Kontaktzeit am Mittwochnachmittag eingeführt.
Konsum risikoärmer gestalten
Einen Namen im Dresdner Nacht- und Partyleben hat sich die Kontaktstelle durch die Präsenz der apo(THEKE) in Clubs, auf Open-Airs und Festivals gemacht. Die apo(THEKE) ist das einzige Projekt seiner Art in Dresden. Das Projekt wird maßgeblich ehrenamtlich getragen und ist mit einem Pool aus 20 Mitwirkenden gut aufgestellt, so Fabian. In erster Linie seien Clubs der alternativen Feierkultur dem Projekt wohlgesonnen, berichtet er weiter. Sie nehmen das Thema Drogenkonsum als Realität und das Angebot des Fachteams als Maßnahme zur Verbesserung an. Die apo(THEKE) trägt zu Sicherheit und Gesundheit der Gäste bei, indem sie Konsum thematisiert, über Substanzen aufklärt und akut mit Traubenzucker, Obst und Elektrolyten aushilft. Ziel: Die Risiken des Konsums minimieren.
Besonders Freizeitkonsumenten, so Fabian, seien mit Wirkung und Risiken von Substanzen oft nicht vertraut und laufen so Gefahr, ihr Limit zu überschreiten. Nach Schweizer Vorbild würde das Team auch Drug Checking befürworten. Will heißen: Vor dem Konsum könnten Substanzen auf ihre Zusammenstellung getestet werden.
Der Test ist an ein beratendes Gespräch gebunden und hat nichts mit einem „Gütesiegel“ zu tun, wie es oft unterstellt wird, erklärt das Team. Julia und Fabian: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass Menschen eher auf den Konsum von chemischen Substanzen verzichten, wenn sie wissen, dass diese verunreinigt, gestreckt oder überdosiert sind.“ Dies hat sich bislang in Deutschland noch nicht etabliert, könnte mit der neuen Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU) aber möglicherweise relevant werden.
Ansprechen, nicht verteufeln
„Wir möchten niemandem den Konsum verbieten“, erklärt Daniel Ellerbrock. „Hier muss niemand beichten oder rechtfertigen. Wir sind da, wenn die Leute Fragen haben.“ Die Herangehensweise nennt sich „Komm-Struktur“. Reflexion des eigenen Konsumverhaltens, Sorge um Menschen im Freundeskreis, Interesse an Beratungsangeboten oder schlicht an einem Gespräch – die apo(THEKE) ist für einen weitgehend tabuisierten Bereich des Nachtlebens Anlaufstelle, ohne sich aufzudrängen. Auch weil eine tiefer gehende Unterhaltung im Party-Kontext häufig nicht möglich ist, wurde die Kontaktzeit am Mittwoch eingerichtet.
Über fünfzig Prozent der geleisteten Sozialen Arbeit des Fachteams Suchtprävention findet jedoch an Schulen statt: Ab der achten Klasse leistet sie auf Anfrage Aufklärungsarbeit zum breit gefächerten Thema Sucht. Hier mangele es, so das Team, maßgeblich an monetären Mitteln und Personal.
Interessierte Schulen müssen derzeit laut Team ein halbes bis Dreivierteljahr Wartezeit einkalkulieren. Während die polizeilichen Angebote eher abschreckend angelegt seien, arbeitet das sozialpädagogische Programm der Diakonie aufklärend und betont vorurteilsfrei.
Aufklärung ab der 5. Klasse
Man ist sich einig: Die Aufklärung müsste ab der fünften Klasse – also bei Jugendlichen unter 14 Jahren – ansetzen, um Prävention wirksam und nachhaltig voranzutreiben. Die problematischste Droge ist im Übrigen – wer hätte es gedacht – Alkohol und Tabak. Alkohol gehört neben Kaffee und Tabak zu den Drogen, die sich im Alltag so etabliert haben, dass sie als solche selten differenziert betrachtet werden.
Ein weiterer Bereich der Kontaktstelle ist das Coaching von Mitarbeiter*innen und Multiplikator*innen in Workshops oder Gesprächsrunden. „Dafür wollten wir in erster Linie ein Ladengeschäft“, so Julia. Die neue Adresse gibt dem grundlegenden Anliegen des Teams Ausdruck: Ein fester Ort mit genug Raum für offene, urteilsfreie Kommunikation des diversen Themas Sucht inmitten der Gesellschaft.
Safer Night Life & Suchtprävention
- Rothenburger Straße 9, 01099 Dresden
- Internetseite
- Kontaktzeit mittwochs 16 bis 18 Uhr
- Telefon: 89 96 06 07
Gin-Werbung im Artikel über Suchtprävention, das ist ja ein Ding!
Was ist das Gegenteil zu Text-Bild-Schere? Gin Werbung passt da ja wie Arsch auf Eimer.
Aber ich finde es ein tolles Projekt!
Die Überschrift: „Auf einen Plausch …“ macht einen Fehler, der im Umgang mit Drogen, häufig zu finden ist. Es findet eine dem Kontext unangemessene Verharmlosung statt … Urteilsfrei heißt eben auch, nichts beschönigen.
Ich bin selbstredend für eine differenzierte Behandlung des Themas.
Denn so nimmt man sein Gegenüber ernst.
Mir ist nicht so ganz klar, worauf Du hinaus willst? Ist das jetzt ’ne Kritik an der Überschrift oder eine an dem Konzept der apo(THEKE)?
Meiner bescheidenen Ansicht nach reißt die Überschrift das Konzept ganz gut an.
Zum Konzept kann ich nicht viel sagen, genau – mir ist die Überschrift zu fluffig.
Sie haben mittlerweile selbst eine Tochter. – Als sie geboren wurde, kam ich zugedröhnt in den Kreißsaal. Ich saß fünf Jahre lang viele Nächte am Bett meiner Tochter und habe geheult. Ich wusste: Wenn ich es nicht hinkriege, wird sie ihr Leben auch verkacken.
Viel Spaß beim Lesen.