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Meine Odyssee

Was Corona mit mir macht (Folge 2) – subjektiv, kritisch, widersprüchlich und optimistisch

Die Angst geht um zwischen der Prießnitz und dem Neustädter Bahnhof, zwischen Alaunplatz und Hechtviertel. Die Inhaber der mehr als 200 Kneipen, Bars, Restaurants und Clubs traf es unerwartet wie eine Blitz aus dem Nichts. Furien haben uns aus unserer Beschaulichkeit und unserem geordneten Dasein gerissen.

Ich vermisse meine Stammkneipen und fühle mit den Inhabern von Kathys Garage, dem Blue Note, der Boys Bar, dem Blumenau oder dem Café Europa und den anderen Einrichtungen. Die Einnahmen fehlen ihnen, die Kosten bleiben und werden sie auffressen. Auch die originellen Szeneläden mussten schließen.

Viele Freiberufler wohnen im Viertel. Freiberufler und Selbstständige, die als Grafiker, Fotografen, Sänger, Künstler, Maler, Musiker, Barkeeper, Schauspieler, Dozenten, Schneider, Schuster, Kellner bisher einigermaßen um die Runden kamen, stehen vor einem Abgrund und einer Nebelwand.

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Blitzumzug

Angst geht um

Nicht jeder Vermieter erwies sich in diesen Tagen als kulant gegenüber den eingemieteten kleinen Gewerbetreibenden, wie mir ein Kneipier dieser Tage bestätigte, als er mir die Antwort seines Vermieters auf eine entsprechende Anfrage nach Mietstundung oder Erlass zeigte. Der Vermieter sähe „keinen Grund wegen der Corona-Krise auf seine Mieteinnahmen zu verzichten“. So besteht die berechtigte Angst, dass viele der kleinen Gewerbetreibenden und Freiberufler, die die Seele des Viertels ausmachen, die Durststrecken trotz Zuwendungen seitens der Stadt und des Freistaates nicht durchstehen werden.

Die Angst geht um in den überwiegend jungen Familien im Viertel. Eine existenzielle Angst. Ängste die sie bisher nicht kannten. Bisher lief es beruflich und finanziell meistens top. Man konnte sich die gegenüber anderen Dresdner Stadtteilen höheren Mieten leisten. Bis jetzt. Was wird aus den Arbeitsplätzen? Noch ist sie, die Angst, ein dumpfes Grollen. Aber mit jedem Tag nimmt das Grollen an Lautstärke zu. Was wird bleiben? Was nicht?

Und diese Angst treibt dieser Tage auch hässliche Blüten. Bei Facebook werden User mit anderen Meinungen verspottet und verunglimpft, nur um aus der Anonymität heraus von den eigenen Ängsten abzulenken. Andere rufen nach dem Ende der Beschränkungsmaßnahmen. Sie wollen so schnell wie möglich zur Lage vor Corona zurück, was irgendwie verständlich ist. Sie wissen meistens selbst, dass das nicht machbar ist. Aber es ist ihre Reaktion der Angst auf nun unausweichliche Veränderungen, die auf uns alle zukommen werden.

Und in ihrer Not greifen viele nach Strohhalmen und laufen Scharlatanen und irgendwelchen Experten hinter her. Instagram wimmelt von solchen Heilsbringern. Gefunden habe ich zum Beispiel ein Video eines österreichischen Politbloggers mit Namen Gerald Grosz. Eins seiner Videos hat mich an eine Aufnahme einer Rede eines Herrn G. aus dem Sportpalast Berlin in den vierziger Jahren erinnert. Und der Herr Grosz vergleicht in seinem Video Äpfel mit Pferdeäpfeln. Verschwörungstheorien machen die Runde. Und ich bin erschrocken, wie auch einige meiner „Facebook-Freunde“ solchen Typen auf den Leim gehen und schon „faktenresitent“ geworden sind.

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Ein Fest der Künste

Und Angst macht mir auch, wie viele es an Solidarität vermissen lassen und den Egoismen frönen.

Wie können wir unsere Ängste bewältigen? Da gibt es kein Allheilmittel. Jede Angst hat ihre individuellen Ursachen und Hintergründe. Aber kleine Pflänzchen von Heilmitteln wachsen bereits. So erzeugte ein bei Facebook aus Italien verbreitetes Video über einen Sänger, der von seinem Balkon aus den Gefangenenchor aus Verdis Nabucco den Anwohnern seiner Straße präsentierte. Mir brachte es Gänsehaut und Tränen. Unsere Sinne und unsere Gefühle sind ein Gegenmittel gegen Angst. Musik, Malerei, Literatur, Videokunst, Humor, Kultur also in der ganzen Breite – sie hilft uns durch diese gefährlichen Zeiten.

Liebe Künstlerinnen und Künstler, Musiker und Literaten, Maler und Grafiker der Neustadt. Tut euch zusammen und organisiert ein Fest der Künste nach Corona gemeinsam mit den Szenekneipen und Läden und Theatern und Clubs, ganz als Basis, als Graswurzel, als Neuanfang, als Aussaat in eine andere Zeit. Zeigt, dass ihr da seid, für die Neustädter da seid. Wir brauchen Euch – heute wie auch morgen.

Unterstützen wir sie und unsere Stammkneipen in der Neustadt mit den Möglichkeiten, die jeder von uns hat. Und wenn es etwas gegen das Vergessen ist. Werden wir uns auch unseres kulturellen Erbes bewusst, pflegen und schützen wir es. Es bringt nicht nur Trost, sondern nimmt uns auch die Angst und schafft Zuversicht – eine weitere Erkenntnis für Nach-Corona.

Bleiben Sie gesund.
Heinz Kulb

Folge 1

3 Kommentare

  1. Was in diesem Artikel fehlt, ist der Blick auf den Tourismus.
    Einige Gewerbetreibende sind nicht nur AirBnB als „Hobby“ sondern Hotels und Hostels.
    Inwieweit sich der Tourismus erholt, steht auf einem anderen Blatt. Das Reisen wird aktuell zu einem realen Luxus, wenn der „angereicherte Speckgürtel“ z.T. durch die Finanzierung der aktuellen Situation abgebaut wird.
    Vielleicht steigt er auch im lokalen Bereich, weil nach dem Shutdown die Bürger reisen wollen, nicht in Übersee o Asien, ggf. im eigenen Land. Doch bis es so weit ist, vergeht mehr Zeit, als der Besuch der lokalen Kunst & Kulturszene den Kneipen und Geschäften.

  2. 15 mal Angst in dem so einem kurzen Text … auch die restliche Wortwahl … Abgrund, grollen, Furien, Not … und mit „Odyssee“ wird (meist) eine lange Irrfahrt assoziiert. Schön, jetzt wissen wir: was Corona mit dir macht.

    Meine Empfehlung: Faktenbasiertes besonnenes Handeln.

  3. „Die Angst geht um in den überwiegend jungen Familien im Viertel. Eine existenzielle Angst. Ängste die sie bisher nicht kannten. Bisher lief es beruflich und finanziell meistens top. Man konnte sich die gegenüber anderen Dresdner Stadtteilen höheren Mieten leisten. Bis jetzt. Was wird aus den Arbeitsplätzen?“

    Die Arbeitsplätze sind futsch und die hohen Mieten können nicht mehr gezahlt werden. Dann werden die Vermieter mit den Preisen runtergehen oder Prohlis und Gorbitz eine Renaissance erleben.

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