Die um ihre Vokale gekürzte Prinzessin Cndrll bezeichnet ihre Zeichnungen als Kritzeleien – alle anderen nennen sie Kunst. Bekannt von Stickern, Postern und Shirts sind besonders ihre „Muschiblumen“. Der Krise bietet Cndrll alias Cindy Fuchs die Stirn mit Blümchenmalen. Sie unterstützt Spendenaktionen für Hecht und Neustadt, indem sie Geldgeber*innen eigenhändig belohnt: Pro Spende ein Bild.
Cindy Fuchs kommt an diesem sonnigen Tag aus einer 24-Stunden-Schicht im Uniklinikum Dresden. „Der Tag fing an mit einem Fenstersprung und endete mit einer Messerstecherei“, berichtet die OP-Schwester. „Heute wollten sie’s wissen.“ Mit Kaffee und Tiki-Eis gepäppelt findet sie noch Kraft für das Interview. „Die Fuchs schläft nie“, witzele ich. Cindy kneift ein Auge zu und lacht.
Die Identität des Viertels bewahren
Cindy erzählt, wie die Krise über den Menschen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zusammengeschlagen ist. Existenzängste brachen Frustrationen Bahn. Der Tenor lautet oft: „Wie soll ich anderen helfen? Ich muss mich um mich selbst kümmern.“ Cindy sagt: „Ich fühle mit.“ Das entscheidende Fünkchen Hoffnung zu bewahren sei nicht leicht.
„Aber irgendwo, in irgendeiner Sofaecke hat jeder noch einen Euro. Und genau der ist wichtig.“ Sie hat beschlossen, der Krise mit gespitzter Mine zu begegnen. Sie will Hecht und Neustadt mit ihrem Aufruf bespenden. Es gelte, mit den kleinen Läden, Betrieben und Künstler*innen die Diversität des Viertels und damit dessen Identität zu bewahren. Für jede Spende ab einem Euro setzt sie sich an ihren „schicken, aber unbequemen Schreibtisch“ und zeichnet ab dem 28. August ein florales Ornament als Dankeschön. Dazu müssen die Spender*innen einfach einen Screenshot von der Spende an Cindy senden. Das Bild kann anschließend bei Cindy in der Neustadt ab abgeholt werden.
Cindy ist in ihrem Job während der Krise „auf der sicheren Seite“. Sie muss nicht in Kurzarbeit gehen. Ihr Mann ist im Einzelhandel tätig und ebenfalls gefragt. „An manchen Tagen klatschen wir uns im Schichtsystem zuhause nur kurz ab“, erzählt Cindy.
In ihrer freien Zeit widmet sie sich seit dem Ende ihrer Ausbildung und der Rückkehr nach Dresden 2014 wieder intensiv ihren „Kritzeleien“, die seit gut zwei Jahren zunehmend feministischer geworden sind. Auf ihrem T-Shirt tauchen Mittel- und Zeigefinger einer Hand in eine sich entfaltende Rosenblüte ein. Darüber steht: Treat yourself right.
„Ich bin ein großes Mädchen“
Für das Foto dreht sie sich ins Licht wie eine Sonnenblume. „Ich bin ein großes Mädchen“, sagt Cindy. Früher habe sie sich deswegen versteckt. Mittlerweile ist sie dieser einschnürenden Scham entwachsen: „Das Gefühl, sich dafür rechtfertigen zu müssen, dass man so aussieht, wie man aussieht, ist sowas von unnötig.“ Allgemein würden Phänomene des weiblichen Körpers als schmerzlicher Makel empfunden: Flaum auf der Oberlippe, Pickel auf der Stirn, Röllchen am Bauch, Dellen am Hintern ebenso wie die Form der Genitalien.
„Das Geschlecht jeder Frau ist einzigartig und schön. Egal, wie es aussieht, es ist schützenswert. Niemand hat das Recht, sich daran zu vergreifen, weder psychisch noch physiologisch.“ Als Symbol hat Cndrll für diese Botschaft die von ihr liebevoll so genannte „Muschiblume“ gewählt.
„Damit komme ich klar“
Bei einigen sorgen ihre Motive für Irritationen. Menstruierende Frauen, erblühende Vulven, Körper jenseits des glatten Schönheitsklischees. „Es gibt Leute, die mich als Emanze titulieren“, sagt sie. Das sei meist nicht wohlwollend gemeint. An Cindy prallt das ab. „Damit komme ich klar. Es stimmt ja.“ Sie entkräftet die feindselig ausgesandte Bemerkung, indem sie den Begriff ‚Emanze‘ nicht als Schimpfwort auffasst.
Emanzipation bedeute für sie, die eigenen Wertvorstellungen zu vertreten, ohne dabei andere einzuschränken. Sie zitiert die Stachelschwein-Parabel Schopenhauers: Auf der Suche nach Wärme darf sich jeder nur so weit an den Anderen annähern, dass die eigenen Stacheln den Anderen nicht pieken. Das passe auch gut auf die derzeitige Abstandsregelung. „Von mir aus können die Typen hinter mir Hand in Hand gehen. Aber ich bin OP-Schwester. Ich hätte gern aus Rücksicht auf Patienten meine 1,50 Meter.“
Keine Blüte ist nichtig
Die Hauptsache sei, dass ihre Zeichnungen zum Diskurs anregen. Über was gesprochen wird, das gerät nicht in Vergessenheit. Das gilt für viele Themen, die Cindy am Herzen liegen. Corona verschlimmert die Lage besonders für die Schwachen: Häusliche Gewalt, katastrophale Zustände von Obdachlosen, Armen, Abhängigen. Schreckliche Dinge passieren auf der Welt. Aber Cindy ist überzeugt: Jede*r kann etwas tun. Kein Euro ist zu gering, keine Blüte nichtig.
Ihre Stifte setzte Cindy bereits für ein Tierheim in Hohnstein/Ernstthal ein. Sie entwarf das „Fuchsmädchen“ als Motiv passend zu dem aufgenommenen Findel-Fuchskind und sammelte mit den Drucken Geld. Spendenziel: Eintausend Euro. Am ersten Tag gingen 50 Prints weg.
Auf die Idee für das Hechtviertel Spenden zu sammeln kam sie, weil sie im vergangenen Jahr erstmalig einen Stand auf dem Fest hatte. Sie verlangte einen Euro pro Werk. Am Freitag war sie ausverkauft, druckte nach und kam am Rest des Wochenendes mit einer Weggabe ihrer Kunstwerke auf Spendenbasis auf Einnahmen, die nahezu den Preisen in ihrem Onlineshop entsprachen. Eine Resonanz, die sie in der jetzigen Situation für den guten Zweck nutzen möchte.
Cndrll ruft auf
- Für jede Spende ab 1 Euro zeichnet Cndrll ein Design im A6 Format: Spenden für das Hechtviertel // Buntes Rettungsprojekt Neustadt
- www.cndrll-design.com Cndrll auf Instagram
Danke für den megastarken Frauen-Power Artikel, Philine <3