Sie sitzt mir gegenüber. Sieht mich an. Unverwandt. Wir blinzeln. Ich erlaube mir kurz den Blick schweifen zu lassen. Sie steht auf. Nimmt Violine und Bogen und beginnt zu zaubern.
Ich sitze im Keller der Prießnitzstraße 36. Im Erdgeschoss hat die Künstlerin Karen Gäbler ihr Atelier. Hier im Keller muss wohl früher einmal eine Bäckerei gewesen sein. Die Fliesen an den Wänden und alte Klappen von Backöfen sehen danach aus. Ein Keller zum Gruseln.
Doch Deborah Jungnickel lässt mich nicht Gruseln. Die Violinistin der Dresdner Philharmonie zaubert auf den vier Seiten eine mir unbekannte Melodie. Ob sie improvisiert? Immerhin liegen ein paar Notenblätter vor ihr. Ihr Blick fällt selten darauf.
Ich höre sie atmen, ich höre, wie der Bogen über die Saiten streift. Geräusche, die man im Konzertsaal selbst auf den besten Plätzen nicht hört. Die Melodie füllt den kleinen Raum, vermischt sich mit dem untergründigen Charme des maroden Kellers. Jetzt höre ich nur noch Musik.
Meine Gedanken schweifen. Schwerer Rotwein kommt mir in den Sinn, vage Erinnerungen an ein Kellergewölbe in Budapest. Seltsam. Roten Wein trinke ich gar nicht und in Ungarn war ich zuletzt vor rund dreißig Jahren. Die Violine drängt sich wieder in den Vordergrund, berührt mich. Eine kleine Traurigkeit steigt in mir auf.
Dann nimmt sie ihr Instrument herunter, lächelt mich an. Formt ein tonloses „Danke“. Ich nicke und stolpere traumwandlerisch die Treppe hinauf ins Licht des Alltags. Als mir im Hausflur ein Vater mit Kind und Fahrrad entgegenkommt, ist das entschieden zu viel Realität.
1:1-Konzerte der Dresdner Philharmonie
Die Musiker spielen ohne Honorar, der Zuhörer zahlt keinen Eintritt. Die Konzertbesucher werden um eine Spende gebeten, die in den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung fließt.
Mit diesen Mitteln werden freischaffende Musikerkolleginnen und –kollegen bzw. Honorarkräfte des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden zu unterstützt, die besonders unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden.
Spenden-Möglichkeiten und weitere Konzerttermine
- Deutsche Orchester-Stiftung
Spendenkonto: Deutsche Orchester-Stiftung
Kennwort: 1_1Concerts Stuttgart
IBAN: DE35 1004 0000 0114 1514 05
BIC: COBADEFFXXX
- Freunde des HSKD e.V.
Spendenkonto: Freunde des HSKD e.V.
Spendenzweck: Spende Honorarlehrkräfte, 1to1Concerts
IBAN: DE11 8505 0300 3120 2168 51
BIC: OSDDDE81XXX
Auf der Website der Philharmonie finden sich weitere Termine, eine Anmeldung ist notwendig. Wie Matthias Greß von den Philharmonikern berichtet, haben sich in den vergangenen Tagen etliche weitere potenzielle Gastgeber gemeldet, gerne können sich Interessenten aber melden.
- Kontakt: www.dresdnerphilharmonie.de
1:1-Konzerte der Staatskapelle
Auch die Staatskapelle Dresden gibt aktuell solche 1:1-Konzerte. Auch da gibt es Termine in der Dresdner Neustadt, zum Beispiel im Café Oswaldz auf der Bautzner Straße und der Galerie Ines Schulz am Obergraben. Weitere Informationen auf der Seite der Staatskapelle Dresden.
@Anton
jaja…. das mit den Plötzen ist immer so ne Sache. Selbst bei einem Plotz schon schwierig. Wir wissen, wovon wir reden….
Interessant wäre ja auch, ob hier der Presseausweis zum Einsatz kam, oder ob die kunstinteressierte Journaille etwas gespendet hat.
Danke für den Hinweis, korrigiert.
Wie schon unter einem anderen Artikel kommentiert, war und bin ich schwerst begeistert.
Die Impressionen gehen mir nicht aus dem Kopf, und ich habe einen Ohrwurm.
Das akustische Erlebnis ist natürlich einmalig. Aber gerade bei guten Aufnahmen von Soloinstrumenten kann man Details wie die Atmung des Musikers oder das Geräusch der Klappen eines Saxophons hören.
Meiner Hörweise haben die zehn Minuten eine weitere Facette hinzugefügt.
Für alle, die gestern im Chorproberaum des Kulturpalastes waren, sei die Bach Solo Suite für Violoncello (Hidemi Suzuki) von Harmoni Mundi empfohlen.
Die Details sind enorm. Selbst auf YouTube hört man Vieles.
https://www.youtube.com/watch?v=zEHXTrJb3HQ
Ich hätte übrigens nicht gedacht, dass die kontrollierte Atmung eine so große Rolle spielt!