Die freie Tänzerin und Choreografin Katja Erfurth wurde mit dem Kunstpreis der Stadt Dresden ausgezeichnet. Sie versteht den Preis neben der Auszeichnung ihrer Person als Würdigung für den Kulturort Villa Wigman an der Bautzner Straße.
Altes und Neues gehen in der Villa Wigman dynamische Synergien ein – so auch in der stillen Krisenzeit. Handwerkergeräusche dringen über den kleinen Hof der ehemaligen „kleinen szene“ der Semperoper Dresden. Für Katja Erfurth ist das Gebäude zu einem Lebensraum geworden. Als Vorsitzende des Vereins Villa Wigman für Tanz e.V. setzt sie sich seit 2016 für den Erhalt des Hauses für die Tanzszene Dresdens ein. In kleinen Schritten geht die Renovierung voran – derzeit werden im kleinen Saal neue Fenster eingesetzt.
„Das Haus ist ein Teil von mir“
Lang und fordernd war der Kampf darum, das ehrwürdige Haus im Sinne seiner Historie als Probenort besonders für die freie Tänzerszene zu nutzen. „Wir wollten nicht, dass die Villa dasselbe Schicksal ereilt wie das Palucca-Haus auf Hiddensee“, sagt Katja Erfurth. Dem Verein gelang es, ein neues Bewusstsein für den Ort zu schaffen und sich mit seinen Zielen Wohlwollen zu erarbeiten. Es gelang. Am 12. August 2019 zog der Verein und damit die freie Szene ein. „Wir haben vom ersten Tag an gearbeitet“, erinnert sich Katja Erfurth und meint damit den Tanz, als auch die Urbarmachung des Gebäudes. Seit dem Auszug der „kleinen szene“ hatte das Gebäude leer gestanden und muss dementsprechend gepflegt werden.
Die Stadt bezuschusst die Kosten und viele Hände helfen, damit der Tanz hier in Bewegung bleibt. Die Verwaltung und Organisation des Hauses fordert Energie. „Wir machen alles selbst“, sagt Katja Erfurth stellvertretend für das kleine Team, zu dem auch die Tänzerin Johanna Roggan gehört. Dazu gehört alles vom Klopapierkauf bis zur Finanzbuchhaltung: Auch, am Sonntag die Mülltonnen an die Straße zu stellen oder früh morgens den Fledermausbeauftragten einzulassen, damit er den auszubauenden Dachboden auf Hufnasen-Quartiere untersuchen kann. „Das Haus ist ein Teil von mir“, sagt Katja Erfurth.
Sie tanzte hier, damals noch Tänzerin der Semperoper, ihre ersten Soli. Der Schritt in die Selbstständigkeit 1997 war einer auf das Publikum zu: Katja Erfurth gefiel die Intimität der kleinen Bühnen. Sie wollte selbst Ideen umsetzen, in kleinen Gruppen arbeiten,
„Ich bin immer allein im Saal“
Die ansässigen Büros sind von freien Tänzer*innen angemietet, ein Studio auf Anfrage für Workshops und Kurse zur Verfügung. „Hier ist der Humus für das, was in Hellerau und dem Societaetstheater passiert“, sagt Katja Erfurth. Zwei Studios und ein Saal stehen zur Verfügung. Letzterer blickt zum Garten hinaus und ist komplett abdunkelbar – eine begehrte Blackbox. Hier probt auch Katja Erfurth. Für ihre aktuelle Produktion hat sie sich mit Gebärdensprache auseinandergesetzt. Das entstandene Stück feiert seine Premiere am 6. Juni im „Le Parcour, dem lebendigen Theatermuseum des Societaetstheaters.
„Für mich hat sich durch Corona nicht allzu viel geändert“, so Katja Erfurth. „Ich bin beim Arbeiten immer allein im Saal.“ Sie agiere ohnehin mit geringen Festkosten. Salopp gesagt: Nur wo viel ist, kann viel fehlen. Als vorteilhaft erwies sich ihr beruflicher Facettenreichtum: Katja Erfurth tanzt, choreografiert, schult Sänger*innen in der körperlichen Expression und betreut die Vorgänge in „ihrer“ Villa. Schmerzlich seien jedoch die fehlenden vielen kleinen Kontakte und Austauschmöglichkeiten. Die Villa Wigman ist als Ort der Vernetzung gedacht, an dem gemeinsame Projekte entstehen und wachsen können. Die Einschränkungen lassen auch kreative Prozesse auf Sparflamme köcheln.
Doch das Feuer brennt. Die Proben gehen weiter. „Es gibt keine Sicherheit. Talsohlen im Kalender gehören dazu. Man muss immer wieder Impulse zum Losgehen finden“, sagt die stets bewegte Katja Erfurth. Die Verleihung des Kunstpreises wird im Herbst stattfinden.
Kommentar entfernt, siehe Hausordnung, Stichwort Urheberrecht.
Das klingt immer alles ganz rührselig, aber wir lange wird denn noch der Mantel des Schweigens über Wigmans Deutschtum und ihr Verhalten im Dritten Reich gelegt?
@Theo: Du spielst vermutlich auf ihre Rolle bei den Olympischen Spiele 1936 oder als Ortsgruppenleiterin im NS-Lehrerbund an, siehe Bericht in der Taz von 1995. Allerdings engagierte sie sich auch für ihre Schülerinnen und Tänzerinnen jüdischer Herkunft und 1941 erhielt sie Auftrittsverbot und ihr Tanz galt als „entartet“. Quelle: Stadtmuseum Berlin. Aber ich stimme Dir in soweit zu, dieses Kapitel ihrer Geschichte könnte durchaus intensiver beleuchtet werden, da ist es auf der Seite der Villa Wigman ziemlich dünn.