Vor wenigen Tagen haben wir über das Thema „Wohnraum weicht Ferienwohnung“ berichtet. Während unserer Recherchen sagte Pressesprecher Karl Schuricht, dass es eine Studie gebe, die aber noch nicht innerhalb der Verwaltungsspitze erörtert wurde. Das ist nun offenbar geschehen.
Die Stadtverwaltung nennt heute offiziell die Zahlen, die schon in der Beschlusskontrolle des des Stadtrates zu lesen sind (als PDF auf dresden.de). In der Pressemitteilung heißt es:
1.150 bis 1.300 Wohnungen in Dresden – das sind 0,4 Prozent des gesamten Wohnungsbestands in der Landeshauptstadt – werden als Ferienwohnungen genutzt und gelten damit als potenziell zweckentfremdet. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Forschungsinstituts Empirica AG. Sie haben im Auftrag der Stadt private Unterkünfte analysiert, die auf Internetportalen wie Airbnb und Fewo-direkt inseriert werden. Betroffen seien laut Empirica überwiegend Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen.
Laut dieser Untersuchung verteilen sich die als Ferienwohnungen genutzten Wohneinheiten vor allem auf die zentralen und touristisch attraktiven Stadtteile: die Altstadt (3,6 Prozent des Wohnungsbestandes) sowie die Äußere und die Innere Neustadt (2,1 bzw. 1,6 Prozent). Belege für Wohnungsmarkt-Verzerrungen durch die angebotenen Ferienwohnungen oder kleinräumige Auswirkungen auf Dresdner Nachbarschaften fanden die Experten nicht. Allerdings hat die Anzahl der Ferienwohnungen zwischen 2017 und 2019 stadtweit um 300 Wohnungen zugenommen. Das entspricht einem Anstieg um 50 Prozent.
Dresdens Beigeordnete für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen, Kristin Klaudia Kaufmann (Linke), erklärt: „Dass unsere Stadt Gäste und Touristen aus aller Welt anzieht, freut uns natürlich. Der Reiz Dresdens liegt gerade in den kurzen Wegen. Hier kann man gleichzeitig gut leben, arbeiten und wohnen. Das soll auch in Zukunft so sein“. Die Bürgermeisterin plädiert deshalb für ein Frühwarnsystem: „Die Stadt wird regelmäßig ein wachsames Auge auf eine mögliche Zweckentfremdung von Wohnraum werfen. Sollte immer mehr Wohnraum durch Umwidmung verloren gehen, werden wir mit der Landesregierung über ein Zweckentfremdungsverbot sprechen.“
Derzeit haben die Städte und Gemeinden in Sachsen keine rechtliche Handhabe, um eine Zweckentfremdung von Wohnraum durch Ferienwohnungen zu verhindern. Dafür wäre eine Landesvorschrift erforderlich. Diese müsste auch genau definieren, unter welchen Umständen Wohnraum als zweckentfremdet gilt. Nach den Empirica-Forschern liegt dies vor, wenn eine Wohnung mindestens 90 Tage pro Jahr zur Fremdenbeherbergung vermietet wird.
Ein generelles stadtweites Verbot lehnt Kristin Klaudia Kaufmann jedoch ab: „Es geht darum, die Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohner mit Wohnraum zu sichern und den typischen Charakter und Charme der Stadtteile zu bewahren. Deshalb sollte das Zweckentfremdungsverbot auf Stadtteilebene ansetzen. Ein Riegel sollte zu allererst in Stadtteilen vorgeschoben werden, in denen viele Ferienwohnungen vorhanden und die Mieten überdurchschnittlich hoch sind.“
Zweckentfremdung von Wohnraum in Dresden (Studie)
- Die Studie von Empirica gibt es auf dresden.de als PDF zum Download.
Nachtrag vom 10. Juni
Die SPD hatte gemeinsam mit Linken und Grünen das Gutachten gefordert. Zu dem Ergebnis der Studie sagt der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Vincent Drews, aus:
„Bezahlbarer Wohnraum in der Neustadt und der Altstadt ist jetzt schon Mangelware. Jede Wohnung, die dort dem Wohnungsmarkt durch zweckentfremdete Nutzung als Ferienwohnung entzogen wird, fehlt. Hier muss die Landesregierung dringend aktiv werden und eine gesetzliche Grundlage für ein Zweckentfremdungsverbot erlassen, das dann von der Stadt zielgenau eingesetzt werden kann. Es war richtig, die Studie bereits bei den ersten Anzeichen von Problemen in Auftrag zu geben. Jetzt kennen wir die Zahlen und ihre Entwicklung und können diese Debatte führen, bevor der Trend zu mehr Ferienwohnungen in der Zukunft weiter an Fahrt aufnimmt. Wir wollen dafür gerüstet sein, wenn die Situation auf dem Wohnungsmarkt noch prekärer wird. Denn unser Ziel bleibt klar: Bezahlbarer Wohnraum muss in allen Stadtteilen Dresdens erhältlich sein!“
Heute in der DNN:
„Studie: In Dresden lohnt sich kein sozialer Wohnungsbau“
(Artikel kostenpflichtig: https://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Studie-In-Dresden-lohnt-sich-kein-sozialer-Wohnungsbau)
Offensichtlich hat Dresden kein Problem mit fehlenden preisgünstigen Wohnungen und die prekäre Wohnungsmarktssituation, die Herr Drews sehen will, gibt es wohl nicht.
@Timur: Danke für den Hinweis. Die Studie bzw. das Gutachten kann man auf sachsen.de als PDF herunterladen.
Zentrale Aussage für Dresden aus meiner Sicht:
„Die starke Wohnungsnachfrage in (…) Dresden ließ seit 2012 die Angebotsmieten steigen (… Dresden: +21%), die jedoch weiter unter dem bundesweiten Mittelwert blieben. Auch die Mietbelastung ist in (…) Dresden trotz der geringeren Einkommen leicht unterdurchschnittlich.
Die Dynamik der Mieten und Kaufpreise führte zu starker Bautätigkeit. Deutlich mehr Wohnangebot in Dresden wird in Kombination mit schwächerer Wohnungsnachfrage dazu führen, dass sich dort der bisher kräftige Anstieg der Neuvertragsmieten abschwächt und kaum über der allgemeinen Inflationsrate liegen werden. Dresden ist „über den Berg“.“
Will nicht generell unken, aber ‚unterdurchschnittlich‘ und ‚unter dem … Mittelwert‘ können, ohne Kontext, statstisch-schönigende Blubberaussagen sein. Ich kenne genaue Zahlen nicht, und würde mich für Dresden freuen wenn die Zahlen positiv zu deuten sind, aber mit Verlaub Anton, würde ich deutliche Kritik an deinem Kommentar üben.
Was bringsts wenn wir leicht unterdurchschnittlich sind, wenn der ‚Durchschnitt‘ aber für viele normale Menschen schon eine deutliche Belastung ist (let alone hier in der Ostzone??)
Gnrfl…!
PS: auch dem empirica-paper würde ich das grundsätzlich nach erster lesung unterstellen. meld mich nochmal wenn ichs durchhab
Das ist kein Kommentar, sondern ein Zitat aus der Studie, gekürzt um den Leipziger Teil, das aus meiner Sicht den Kern der Studie wiedergibt.
Ob die Mietbelastung bundesweit zu hoch ist, ist ja eher eine politische Frage, denn eine statistische.
Ohkee, dann lass‘ ich aber trotzdem meine Kritik stehen dass ich die Reduktion auf die rein statistische Aussage bei einem Thema dieser Tragweite für äußerst ungünstig halte. Und „über den Berg“, auch wenns zitiert ist, lese ich als einen Kommentar von dir.
Nix für ungut, vielleicht bin ich auch überempfindlich.
@kurth: ich hätte es offenbar deutlicher machen müssen.