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Die Hansastraße

Wen es aus der Neustadt gen Norden in die weite Welt zieht, dessen Weg führt fast zwangsläufig über die Hansastraße. Nach den ersten dunklen Metern im Tunnel wird der Verkehr ausgespuckt auf eine hektische vierspurige Straße.

Hinter dem Lärm und einem Torbogen versteckt sich gleich nach dem Bahnhof auf der linken Seite die Kunstgilde Hanse 3 mit einer bunten Mischung aus Werkstätten, Proberäumen, Ateliers, in denen auch Ausstellungen und Konzerte stattfinden. Womit der kulturelle Höhepunkt der Hansastraße schon früh abgehakt wäre.

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An der Gabelung zur Großenhainer Straße verabschiedet sich die Straßenbahn und überlässt den Grünstreifen in der Mitte den Bäumen und einem kleinen Trampelpfad.

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Hinter den vorbeifahrenden Autos stehen Häuser Spalier, mit grünem Putz und braunen Klinkerziegeln. Die Siedlung Hansastraße wurde in den 1920ern im Stile des Backsteinexpressionismus errichtet, umfasst über 500 Wohnungen und steht heute unter Denkmalschutz.

Ein Stück Architekturgeschichte steckt in den Fassaden der Hansasiedlung.
Ein Stück Architekturgeschichte steckt in den Fassaden der Hansasiedlung.

Zubringer zur Reichsautobahn

Nach der Siedlung wird die Bebauung weniger einheitlich und fällt generell karg aus, was daran liegen mag, dass der Teil der Straße zwischen Conrad- und Hechtstraße erst ca. 1940 als Zubringer zur neuen Reichsautobahn angefertigt wurde.

Zwischendurch trug die Hansastraße deswegen auch den Namen des Leiters des nationalsozialistischen Autobahnbauprojekts und hieß Dr.-Todt-Straße. 1945 bekam sie ihre ursprüngliche Bezeichnung nach dem norddeutschen Handelsbund Hanse zurück.

Trotz der vielen Bäume lädt die Hansastraße wenig zum Flanieren ein. Ihren Zweck erfüllt sie allemal.
Trotz der vielen Bäume lädt die Hansastraße wenig zum Flanieren ein. Ihren Zweck erfüllt sie allemal.

Ein wenig Handel gibt es auch vor Ort: Lidl versorgt so effizient mit Lebensmitteln, dass ein angebissenes Baguette auf dem Grünstreifen eine sinnentfremdete Existenz fristet, während hinter einigen barackenähnlichen Gebäuden die St.-Petri-Kirche zur Bitte um das täglich Brot anhält.

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Auch für Reisende, Durstige, anspruchsarme Fastfoodfans und kaputte Frontscheiben oder Reifen wird in unterschiedlichen Etablissements gesorgt.

Landidylle mitten an der Hauptverkehrsstraße. Aber Vorsicht: „Gott sieht alles – dein Nachbar noch mehr!“
Landidylle mitten an der Hauptverkehrsstraße. Aber Vorsicht: „Gott sieht alles – dein Nachbar noch mehr!“

Gartensparten im Fahnenrausch

Dahinter gibt die S-Bahnbrücke den Vorhang frei für eine ganz besondere Spezies in der Gattung der Freizeitdomizile: die Kleingärten. Hier trifft das Kleinbürgertum auf Urban Gardening. Mehrere Gartensparten mit klangvollen Namen wie Erholungsland oder Morgensonne reihen sich nahtlos aneinander und werden von endlosen geraden, von Hecken gesäumten Wegen strukturiert.

Als Nichtvereinsmitglied ist es wohl sicherer, sich mit neugierigen Blicken über Gartenzäune und der einen oder anderen stibitzten Kirsche zu begnügen. Flaggen wehen im Wind und künden hauptsächlich von Fußballliebe, Nationalstolz oder schlechtem Humor. Blumen bahnen sich ihren Weg über Zäune hinweg und kämpfen trotzig, wenn auch einigermaßen erfolglos, gegen Lärm und Beton. Zu Zerstreuung und kühlem Bier laden Sylvis Dartstube und die Gaststätte Eichenkranz ein.

Ein fensterloses Holzhäuschen mit abblätternder Farbe trägt ein Schild mit der Aufschrift „Kita“, verstörend. Immerhin gibt es auch Flächen, auf denen statt akkurat gestutzter Rosen Gras und Blüten wild wuchern. Techno-Klänge aus einem Gärtchen erinnern zusätzlich daran, die sich aufdrängenden Vorurteile im Zaum zu halten.

Einsame Villa? Deutliches Zeichen, man befindet sich in Pieschen.
Einsame Villa? Deutliches Zeichen, man befindet sich in Pieschen.

Tanken und Knattern

Die Grünmeile, in der außer der Straße nur zwei Tankstellen die Idylle stören und es weit und breit bloß ein einziges mehrstöckiges Wohnhaus gibt, endet mit der Einmündung der Weinböhlaer Straße. Hier werfen Netto, ein Hotel, eine Autowerkstatt und ein Motorradladen endgültig zurück in die Zivilisation, bevor sich die Hansastraße verabschiedet und der Radeburger Straße als ihrer Nachfolgerin die Aufgabe überlässt, den Verkehr zuverlässig aus der Stadt zu leiten.

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8 Kommentare

  1. Mit den „barackenähnlichen Gebäuden“ ist wohl die Chemo gemeint? :D

    @Anton: Sicher? Ich war doch der Meinung, dass die Petri-Kirche noch im Neustädter Teil der Leipziger Vorstadt liegt.

  2. Vielen Dank für diesen Beitrag und unbedingt mehr dieser Art!
    Straßen haben wir ja einige…

  3. Es sollte im Alltag aber doch wohl eher schwierig sein, im Eichenkranz Zerstreuung und ein kühles Bierchen zu finden.
    Dies ist, wenn dann doch nur, bei den seltenen eingemieteten Veranstaltungen der Fall. Doch auch da wird man nur schwer ein KÜHLES Bierchen finden, das kommt dann doch meist raumtemperiert aus nem Kasten nahe der Kegelbahn…
    Und man sollte etwas aufpassen, dass sich die gefundene Zerstreuung nicht durch die dominanten Abflussdämpfe wieder selbst zerstreut… ;)

  4. Bei allen teils berechtigten Vorurteilen gegenüber den Kleingärt(n)e(r)n sollte bedacht werden, dass gerade im Kleingartenpark Hansastraße viele junge Neustadt- und Hechtbewohner’innen ihren Garten haben. Ist ja wieder angesagt. Und da geht es wohl kaum um Nationalstolz und Fussballliebe, sondern eher um ökologisches Gärtnern und einen Platz im Grünen für sich selbst und den Nachwuchs. Das muss mal gesagt werden ;)

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