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Frühsommer 1945 (Teil 4)

Dresden vom Mai bis zum Juli 1945. Zerbombte Stadtviertel, tausende Tote, hungernde Menschen, im Krieg verlorene Männer, zerstörte Infrastruktur, Wirtschaft am Boden, die Kriegsschuld und die Verbrechen im Dritten Reich, Unsicherheit überall. Die folgenschwere Nazi-Diktatur endete und die nächste Diktatur wird still und leise vorbereitet.

Diakonisse öffnete wieder

Am 13. Februar ging dieses traditionelle Krankenhaus am Neustädter Ufer im Bombenhagel unter. Eine Trümmerwüste markierte das Gelände. Keine Ärzte, keine Schwestern, keine Diakonissen. Nachdem sich die sowjetische Besatzungsmacht etabliert hatte, ging man an den Wiederaufbau. Vom Arbeitsamt vermittelte Handwerker richteten Erhaltbares notdürftig her. 150 Betten entstanden bis Mitte Juli 1945.

„Das Krankenhaus umfasst eine chirurgische, eine allgemeinmedizinische und eine gynäkologische Klinik mit Entbindungsstation. Die fachärztliche Betreuung ist Tag und Nacht gewährleistet. In einer chirurgischen Poliklinik werden erste Hilfen bis zu kleinen Eingriffen geleistet“, so in der Tageszeitung am 20. Juli 1945 zu lesen.

Es war aber nicht die einzige Gesundheitseinrichtung auf der Neustädter Elbseite. Das ehemalige Wehrmachtsreservelazarett im Gebäude der 26. Volksschule auf der Wurzener Straße entwickelte sich ab Mai 1945 zum Krankenhaus Neustadt. 125 Betten standen dort anfangs bereit. Weitere Einrichtungen in Klotzsche, in der Radebeuler Oberlößnitz, das Güntzheim auf der Trachauer Industriestraße ließen bis Jahresende die Bettenanzahl in Rechtselbien auf 1178 steigen.

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Es stank an allen Ecken

Sommerliche Hitze und Gewittergüsse waren die Geburtshelfer für Fliegen, Mücken, Käfer, Mäuse und Ratten. Brutnester fanden sich in den Ruinen, in unbebaute Ecken, weil nachts dunkel, im Alaunpark und anderswo. Eine nennenswerte Müllabfuhr existiert nicht mehr. Was machten die werten Einwohner? Man warf den Müll einfach in die Ruinen, auf vorhandene Schutthaufen, in Parkanlagen oder einfach in Nachbars Grundstück. Und wo was lag, kam neuer Müll hinzu.

Aus Mangel an Toiletten verrichtete man vielerorts die Notdurft im Freien. Es stank rechts und links der Elbe zum Himmel. Die Folge: Eine regelrechte Fliegenplage suchte auch die nicht zerstörten Stadtteile heim. Und die berühmten klebrigen, honigfarbenen Fliegenfänger, die man sich noch in Friedenszeiten an die Lampen hing, waren knapp bis nicht erhältlich. Wer von den reicheren Mitbürgern einen Kühlschrank hatte, konnte ihn nicht nutzen. Es fehlte an Eisblöcken. Und elektrisch betriebene hatten das Problem mit den stundenlangen Stromausfällen. Die Fliegen veranstalteten regelrechte Tiefflüge und Massenüberfälle auf Obst, Brot, Fleisch und legten dort ihre toxischen Eier ab. Das wenige Essen verdarb so noch schneller und Seuchen begannen sich auszubreiten, wie weiter unten erwähnt.

Die Tageszeitung richtete deshalb ernste Ermahnungen an die Dresdnerinnen und Dresdner. „Es muss daher für jeden Einwohner eine Pflicht sein, nicht nur seine Wohnung sauber zu halten, sondern mitzuhelfen, dass das ganze Haus samt Garten und umliegenden Straßen sich stets in sauberem Zustand befinden. Diese Sauberkeit ist nicht allein Angelegenheit städtischer Behörden. Jeder kann und muss da mithelfen. Vernichtet die Fliegen, beseitigt den Unrat und ihr werdet die Seuchengefahr herabmindern!“

Flüchtlingstrek im Jahre 1945
Flüchtlingstrek im Jahre 1945

Flüchtlingsströme

Die Tschechoslowakei und andere südosteuropäische Länder machten Ernst. Die deutschen und andere Minderheiten auf ihren Staatsgebieten mussten ihre alte jahrhundertelange Heimat verlassen. „In das Land Sachsen, dass schon durch die Kriegsevakuierungen aus Schlesien überfüllt ist, wälzt sich ein Strom von vielen zehntausend Flüchtlingen. Weitere hunderttausende werden folgen“, konstatiert die Tageszeitung die Fakten. Es drohte eine Katastrophe durch die unkontrollierbaren Flüchtlingsströme.
Ausgerechnet in dieser Phase brach eine Typhusepidemie aus. Ausgangspunkt war die Durchgangsstelle für Flüchtlingstransporte am Bahnhof Friedrichstadt. Die Epidemie erreichte mit 70 Erkrankungen pro Woche ihren Höhepunkt im August 1945, so auf der Website des Städtischen Klinikums Dresden zu lesen.

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In der zerstörten Stadt gab es weder für die Ausgebombten noch für die Flüchtigen Wohnraum. So haben diese Flüchtlinge in einigen ländlichen Gebieten zur Vernichtung der Kartoffelernte geführt, meldete die Zeitung. Aber es gab auch politische Probleme mit ihnen. „Unter den Flüchtlingen haben sich gesuchte Kriegsverbrecher, Gestapo- und SD-Agenten und andere Nazibanditen, zum großen Teil mit falschen Papieren, aber auch ohne jegliche Personalausweise, gemischt. Sie vor allem sind die treibenden Kräfte in der Organisierung von Banden, die das Land unsicher zu machen drohen. … Zudem drohen durch diese Flüchtlingsströme das Ausbreiten von Seuchen.“ Als „Habenichtse“ verunglimpft, wurden diese Menschen in der Stadt wenig gelitten. Misstrauen begegnete ihnen. Oft wurden sie ein Spielball von Geschäftemachern.
Mit Hilfe der Roten Armee musste die Sächsische Landesverwaltung die Probleme schnell und rigoros lösen.

Dazu wurden in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Ausschüsse aus Vertretern von Gesundheits- und Sozialämtern und dem Roten Kreuz gebildet, um ein Mindestmaß an Versorgung und Unterkunft zu leisten. Minderjährige ohne Eltern wurden in Heime gegeben, Erwachsene als Erntehelfer verpflichtet. Die Polizei sichtete Neuankommende für eine entsprechende Arbeitseignung. Doch die Stadt war überfüllt. „Alle aus der Tschechoslowakei sowie aus dem Westen und Osten neu ankommende Flüchtlinge sind in Sammellager zu erfassen und auf festgelegten Marschwegen, soweit ein Eisenbahntransport nicht in Frage kommt, organisiert und unter polizeilichem Schutz in den Raum Frankfurt an der Oder, oder weiter in Richtung Mecklenburg und Vorpommern unter Vermeidung der Städte über 20.000 Einwohner, weiterzuleiten“, so in der Verordnung der Landesverwaltung vom 13. Juli 1945 festgelegt. Dresden duldete keinen Zuzug mehr.

Unter der Rubrik „Frühsommer 45“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken aus der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.