„Ich mag es klein und solidarisch“, sagt Josi. Es war der Zufall, der sie zum Kafétraum und damit an den richtigen Ort gebracht hat. Aufgrund von Corona war das verflixte erste Jahr für die zweifache Mutter kein Spaziergang – getragen hat sie eine Welle der Unterstützung.
„Jeden Tag emotionales Schultertätscheln“, bezeichnet Josi das Gefühl, das sie zum Start ihrer Kaffeehaus-Karriere und zwischendurch, in den Corona-Tälern, von Unterstützer*innen empfangen durfte. Im Oktober 2019 waren es Bekannte, die sie auf das kleine Café an der Königsbrücker Straße aufmerksam machten. In eineinhalb Wochen war alles entschieden: Josi wollte, geradewegs aus der Elternzeit kommend, den Laden übernehmen.
„In meinem Leben bin ich eigentlich in alles durch Zufall rein gestolpert. Es haben sich immer Chancen ergeben. Ich habe sie ergriffen – oder nicht.“ In diesem Fall griff Josi zu. Drei Tage arbeitete ihre Vorgängerin Katja Brückner sie ein. „Sie war froh, dass ich das bisherige Konzept nicht einstampfen wollte“, berichtet Josi. Ihre Tätigkeit bei der Trageberatung Mondkrabbe hat Josi zugunsten des Kafétraum auf zwei Beratungen im Monat reduziert. Hilfe bei der Bewältigung des Tagesgeschäfts erhält sie durch einen Angestellten.
Kuchen für alle
Eine Affinität zu Kaffee und Kuchen hat Josi schon seit ihrer Kindheit: Mit zehn Jahren versuchte sie sich an ihrem ersten Kuchen. Einer Backmischung, die misslang, weil sie eine Zutat vergaß. Ihr Fazit: „Nie wieder Backmischungen!“ Kaffee probierte sie im selben Lebensjahr und interessierte sich seither auch für die Feinheiten der Zubereitung. Die besten Grundvoraussetzungen also.
„Ich mag nichts Süßes, ich esse keinen Kuchen und mag im Winter keine Suppe“, sagt Josi lachend. Gut, dass sie Chefin und nicht Kundin im Kafétraum ist. Hier stehen prächtige Torten mit Sahnehaube und Blaubeeren in der Vitrine. Aber auch belegte Bagels und Laugenbrezeln. Während des Gesprächs an der tosenden Königsbrücker Straße, schnellt Josis Arm im Minutentakt nach oben. Man grüßt die ersten montäglich verknautschten Stamm-Gesichter.
Softeis – pssst, vegan!
Ein Teil der Stammkundenschaft sei mit dem Wechsel weggefallen, sagt Josi. Hinzugekommen sind Menschen aus ihrem Freundes- und Dunstkreis. Die Preise versuche sie fair zu halten. Kein Kuchenstück kostet über drei Euro. „Luxus für alle, Kuchen für alle, das ist mein Motto“, sagt Josi und tunkt die Lippen in eine dicke Schicht aus geschäumter Hafermilch.
Seit dieser Woche experimentiert sie mit veganem Softeis. Am Montag: Eis aus Kokosmilch. Es schmeckt cremig und vollmundig. Zum Kaffee bietet Josi neben Kuhmilch auch laktosefreie Milch, Soja- und Haferdrinks an. „Mein Angebot ist zu 95 Prozent vegan“, sagt Josi. Sie lege Wert auf regionale und saisonale Kost – aber nicht so dogmatisch, dass dadurch die Preise in die Höhe schnellen. Sie achtet bei der Zubereitung auf wenig bis gar keine Zuckerbeigabe – zum Beispiel beim täglich angebotenen Bananenbrot.
Wunderbares in der Krise
Während des Shutdowns erfuhr Josi im gleichen Maße Existenzängste wie Unterstützung. „Ich habe rund um die Uhr gearbeitet“, erinnert sie sich. Sie stand zu nachtschlafener Zeit auf, um Kuchen zu backen, die sie morgens um sieben auslieferte. Nach zehn Stunden Arbeit warteten ihre Kinder auf sie. „Ich habe drei Monate lang nichts anderes gemacht“, erinnert sie sich und hebt die Braue, als bewerte sie die herausragenden Leistungen einer Spitzensportlerin. „Aufgeben war keine Option.“
Josi startete ein Crowdfunding, um die Zukunft des Kafétraums zu sichern. „Als ich nach dem Ende der Kampagne sah, wie viel Geld zusammen gekommen war, saß ich erstmal auf dem Bett und habe geheult“, sagt Josi. „Mir haben Menschen geholfen, die ich seit 10 Jahren nicht gesehen habe. Manche haben buchstäblich ihr letztes Hemd gegeben.“ Insofern sei die Krise auch etwas Wunderbares gewesen – so schräg das klinge.
Wieder schnellt Josis Arm zum Winken nach oben. „Wie immer?“, ruft sie.
Kafétraum
- Königsbrücker Straße 72, 01099 Dresden
- täglich 8 bis 16 Uhr, am Wochenende geschlossen
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