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Ganovenunehren rechtselbig

Die ersten Jahre nach dem Ende des Kaiserreiches waren weder glorreich noch golden. Hunger, Wohnungselend und gesellschaftlicher Absturz auf der einen Seite. Reichtum und Kriegsgewinnler auf der anderen Seite. Und dazwischen die, die vom Kuchen Letzterer auch ein Stück abbekommen wollten. Natürlich nicht mit ehrlicher Arbeit.

Davon wurde keiner reich. Man nahm sich das Geld oder die „Sachbezüge“ von dort, wo sie scheinbar im Überfluss vorhanden waren. Diese Jahre waren nicht die Zeit der kleinen Einzelganoven, sondern die der organisierten Kriminalität. Dabei umgaben sie sich mit einem Hauch von Robin Hood. Hier zwei Beispiele aus dem Rechtselbischen zwischen Weißem Hirsch, der Neustadt und Pieschen.

Eine gut qualifizierte, marktwirtschaftlich handelnde Truppe

Sommerzeit ist Erntezeit, sagte sich eine Bande unter Führung des 27-jährigen Maschinenschlossers Paul Albert Held. Und mit leerem Bauch lässt es sich nicht gut „arbeiten“. 1919 war bei vielen Bürgern in der Stadt Hunger ein ständiger Gast. Mit ihm konnte man aber gute Geschäfte machen. Zur „Helden-Kolonne“ des Paul Albert Held gehörten laut Dresdner Volkszeitung (DVZ) vom 5. Februar 1920 der 34-jährige Arbeiter Albert Max Küstner, der 43 Jahre alte Kaufmann Robert Tendloff, die 28-jährige Arbeiterin Anna Marie Schrempel, die 30-jährige Wickelmacherin Sophie, verwitwete Zierfelder, der Schlosser Willi Reinhold Herrmann und dessen Ehefrau. Geschäftlich betrachtet, eine gut qualifizierte Truppe.

Das „Hauptgeschäft der Firma“ betrieb man mit dem Stehlen von Kaninchen, Hühnern, Enten und Gänsen aus den Ställen in den Schrebergärten. Schlosser Herrmann hatte eigens dafür eine Anzahl Sperrhaken angefertigt, schrieb die Zeitung. Die beteiligten Frauen sorgten für die Ausschlachtung und Aufbereitung der Tiere und Kaufmann Tendloff war für den Absatz zuständig.

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Der Chef der Truppe musste nicht nur über gute Managementerfahrungen und diesbezügliche Talente verfügen. Auch ein toller Hecht soll er gewesen sein. Was das weibliche Geschlecht betraf, so ließ er angeblich nichts anbrennen. „Die beteiligten Frauen waren die Geliebten von Herrn Held und wurden durch Drohungen bewegt, sich zu beteiligen“, so in der DVZ zu lesen. Zumindest wurde es in der Gerichtsverhandlung so dargestellt. Sehr glaubwürdig klang das jedenfalls nicht.

Mit dem Viehzeug kam zwar was auf den Tisch und in die hungrigen Bäuche. Auch brachte der Verkauf auf dem Schwarzmarkt einiges an Barem ein. Aber man hatte nach den Kriegsjahren schon ein paar mehr Ansprüche an das Leben als nur satt zu werden. Da besann sich Organisator Held auf örtlich Naheliegendes. Oberhalb des damaligen Exerzierplatzes (heute Alaunplatz) waren die Militärkasernen. Und er hatte einen Plan.

Einbrüche ins Sanitätsdepot

„Held unternahm im September 1919 mehrere Einbrüche in das Sanitätsdepot des 12. Armeekorps, wo er 150 Operationsmäntel im Wert von über 5.000 Mark stahl und verkaufte. (…) Zwei Einbrüche galten einem Fahrradgeschäft auf der Königsbrücker Straße, wo den Dieben Fahrräder, Taschenlampen, Fahrradlampen und andere Gegenstände in die Hände fielen. (…) In einem Schuhgeschäft stahlen sie sechs Paar Schuhe und in mehreren Produktengeschäften Lebensmittel“, verkündete die Dresdner Volkszeitung. Was das Diebesgut betraf, war die Bande „stets am Markt dran“.

Aber irgendwann bewahrheitete sich auch hier der Ausspruch: „Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.“ Und eines Tages brach der Krug, beziehungsweise wurde die Bande in flagranti geschnappt. Die Urteile lauteten für den Kopf der Truppe, dem werten Paul Albert, Held seines Namens, auf zwei Jahre und sechs Monate Zuchthaus und fünf Jahre Ehrenrechtsverlust. Der Arbeiter Küstner erhielt ein Jahr, Kaufmann Tendloff musste für neun Monate hinter Gitter und Schlosser Herrmann für zwei Monate gesiebte Luft schnuppern.

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Die Damen kamen relativ glimpflich davon, wegen der Masche mit der sexuellen Nötigung. Die Witwe Zierfelder bekam einen Monat Gefängnis, die Gattin vom Schlosser Hermann zwei Wochen und die Schrempel eine Woche. War ja fast wie ein kleiner Kuraufenthalt auf Staatskosten.

Missglückte Köpenickiade

Es sollte ein großes Gaunerstück werden. UFA-reif würde man damals wohl gesagt haben. Doch am Ende wurde es eine Lachnummer, die in den Kneipen Dresdens rauf- und runtererzählt und ausgeschmückt wurde. Dabei war der Plan eigentlich genial: Raub der Einnahmen in einer Spielbank auf dem Weißen Hirsch. Dort in Lahmanns Sanatorium kurten die Reichen und Schönen aus dem Hochadel, der Wirtschaft und der gut verdienenden Künstler sowie die selbsternannten Lebemänner, begüterten Witwen und die Gigolos. Und eine Spielbank dient der Geldabschöpfung. Warum alles der Bank überlassen, sagten sich die geistigen Vorbereiter der Aktion.

Und diese waren ein Zivilist mit Strohhut, ein Matrose und ein Feldwebel. Deren Namen wurden nie bekannt. Alle drei postierten sich am Vormittag des 22. August 1919 vor dem Zentralarbeitsnachweis auf der Marienstraße, dem Vorläufer des Arbeitsamtes. Die Arbeitslosigkeit war zu dieser Zeit hoch, die staatliche Stütze klein.

Mit Kennerblick suchte sich das Trio insgesamt neun Arbeitslose aus. Auf die Frage, „ob sie sich etwas verdienen wollten“, antworteten diese natürlich mit JA. Die Dresdner Neuesten Nachrichten beschrieben den weiteren Hergang ausführlich in einem Gerichtsbericht am 30. Januar 1920.

Auch vor 100 Jahren schon blind - Justitia
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„Die erforderlichen Besprechungen fanden am Abend des 22. August 1919 auf dem Zwingerwall statt. Gegen 9 Uhr (abends) fuhr man in kleinen Abteilungen mit der Straßenbahn bis zum Waldschlößchen und lief dann zum Stellplatz an der Mordgrundbrücke“, so die Zeitung. Dort kleidete sich eine Gruppe als Matrosen und die andere in feldgrauen Uniformen um. Dann ging es im Marschschritt geschlossen nach dem Weißen Hirsch.

„Vor der Villa, wo der Spielklub seine Sitzungen abhielt, fasste die Abteilung in feldgrauer Uniform Posten und besetzte das ganze Grundstück. Die Matrosen drangen unter Führung des Zivilisten mit Strohhut (!) in die Klubräume ein.“ Unter den Spielern beiderlei Geschlechts breitete sich Panik aus. „Der Führer rief ‚Hände hoch‘, und mit vorgehaltenem Revolver kassierte er die auf den Spieltischen herumliegenden Bons und einen Hundertmarkschein.“

Es hätte so gut laufen können, wenn sich nicht ein anwesendes Mitglied der hiesigen Militärpolizei unter die maskierte Räubertruppe gemischt hätte, was nicht gleich bemerkt wurde. Als es darum ging, die Kasse des Klubs in Besitz zu nehmen, bemerkte man das Trojanische Pferd in den eigenen Reihen. Die Bande verließ mangels Schneid und Erfahrung fluchtartig das Spielkasino.
Die Bons waren außerhalb der Spielbank nichts wert. Mit der einzigen Ausbeute eines Hundertmarkscheins verschwanden aber die drei „Organisatoren“ ins Dunkel der Nacht. Unsere neun „Frisch-Räuber“ standen bedeppert mit leeren Händen da. Einige Tage später konnte der Großteil von ihnen von der Polizei eingesammelt werden.

In der späten Abendstunde des 28. Januar 1920 erfolgte das Urteil wegen schweren gemeinschaftlichen Raubes gegen die neun rekrutierten Bandenmitglieder, so die Dresdner Neuesten Nachrichten. Zwischen einem und anderthalb Jahren betrugen die Strafen. Selbstredend kamen für jeden acht Jahre Ehrrechtsverlust dazu. Ein Angeklagter wurde wegen Hilfe bei der Beweisführung freigesprochen.

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.