Verzerrte Gesichter, gezeichnet von Qual und Leiden. Es sind keine schonenden Bilder, die in der Ausstellung „Das Massaker“ ab Mittwoch in der Neustädter Bibliothek zu sehen sind. Trotzdem, oder gerade deshalb, lohnt es sich, sie anzuschauen. Sich auf die Geschichten einzulassen, die sie erzählen, und mit den Fragen auseinanderzusetzen, die sie stellen.
Kopf und Hand hinter den Acrylgemälden und Kohlezeichnungen ist Abdelwahhab Azzawi. Der Syrer und Familienvater ist hauptberuflich Augenarzt, hat sich aber im Herzen der Kunst verschrieben. Seine Gedanken finden nicht nur in Bildern Ausdruck, sondern auch in Gedichten; Azzawi darf sich Ehrenmitglied des deutschen PEN-Zentrums nennen.
Schmerz als Definition der Menschlichkeit
Beides, das Malen und das Schreiben, beschäftigt sich immer wieder mit dem Thema des Massakers. Es ist ein Thema, das er zum einen selbst erleben musste, in dem er aber auch ein seit Urzeiten in der Geschichte wiederkehrendes Motiv erblickt. Und damit eine grundlegende menschliche Gemeinsamkeit.
Der Genozid während der Naziherrschaft in Deutschland und der Syrische Bürgerkrieg – beides Beispiele für den Schmerz, den Kriege, Völkermorde und Pogrome zu allen Zeiten überall auf der Welt verursachten und verursachen. Die Erfahrung ist gleich und verbindet Menschen mehr, als eine bloße Nationalität es könnte.
Ein Sinnbild dafür sieht der Künstler im Interesse an Bertold Brecht, das in Syrien viel stärker sei als bei den meisten Deutschen. Brechts Beschreibungen des Kriegs, sein Kampf gegen die Diktatur und seine Flucht ins Exil – die gleichen Erfahrungen machen Teile der syrischen Bevölkerung heute durch.
Vieles muss noch verarbeitet werden
Das Thema Massaker entwickelt sich über die Zeit. Immer mehr Ereignisse häufen sich, stehen in Beziehung zueinander. Für Azzawi ist klar: „Wir haben noch nicht gelernt aus unseren Fehlern.“ Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die in uns lebt, treibt ihn und seine Werke um. Denn vielleicht kann ja die Kunst dazu beitragen, Erfahrungen aufzuarbeiten und dazuzulernen.
Ein möglicher Blickpunkt, unter dem die Ausstellung betrachtet werden kann. Die Bilder sind teilweise von Fotos inspiriert, auch Eindrücke einer Gedenkstätte in Ruanda finden sich wieder in der Beschäftigung mit körperlichen Positionen. Wichtig für die Wirkung ist neben den Körpern oder Gesichter die Leere, die sie umgibt. Eine bewusste Leere, die Platz schafft für eine sehr laute Stille.
Ziemlich düstere Motive sind es also, die die Wände der Bibliothek säumen werden. Sie sprechen die Sprache des gemeinsamen Leids. Aber wer weiß, ob nicht gerade darin der Keim für eine gemeinsame Hoffnung schlummert.
Adelwahhab Azzawi: Das Massaker – Malerei
- Ausstellung in der Bibliothek Neustadt
- 23. September – 9. Oktober
- Vernissage am 23. September, 18 Uhr