Teil 1 – Ein Fest der Architektur und ein Hochamt der Monarchie
Am Abend des 20. September 1873 gab es in der Residenz Dresden nur einen Brillanten, der die gesamte Stadt überstrahlte, der der ewigen Rivalin auf der linken Elbseite zeigte, was in der Neustädter Bürgerschaft an innovativer und finanzieller Kraft steckte.
Die Dresdner Nachrichten schrieben euphorisch über die Eröffnung des Alberttheaters: „Hell leuchtete das Innere, glänzend war die Versammlung. Festlich gehoben die Stimmung. Herren wie Damen waren in geschmackvoller Toilette erschienen und teilten sich die Eindrücke mit, die der zum ersten Male sich in seinem Glanze zeigende Festbau auf sie machte.“ Nach Viertel Sieben traf der Königliche Hof ein. Angeführt vom Kronprinzen Albert und Prinz Georg nebst ihren Gemahlinnen kamen auch die Vorstände des Aktienvereins, die Herren Anger und Strödel sowie der Architekt Schreiber. Sie führten die Hoheiten durchs Haus. König Johann (das ist der, der heute auf dem Theaterplatz Richtung Schloss reitet) lag erkrankt danieder. Nach dem Rundgang gings in die Hofloge. Das Spektakel begann mit einem Tusch. Das Publikum sprang von den Sitzen auf und Advokat Anger ließ die Prinzen und das Königshaus hochleben. „Hierauf trug die königliche Kapelle unter Schuch´s Leitung die Jubelouvertüre vor, deren Finale (Den König segne Gott!) das Publikum stehend anhörte“, so in der Zeitung zwei Tage später zu lesen.
Diese Jubelfeier verdeckte jedoch einen Skandal, der für das konservativ-monarchistische Dresden typisch war. Der Bau des Theaters ging laut Theaterarchiv Dresden nach dem Deutschen Krieg von 1866 von einem bürgerlichen „Verschönerungsverein für die Neu- und Antonstadt“ aus. Dieser bestand aus Unternehmern, Rechtsanwälten, Ärzten, Kaufleuten dieses Stadtteils.
Sie machten es sich zur Aufgabe, das neues Stadtbild, Verkehrslösungen und öffentliche Einrichtungen auf der rechten Elbseite zu schaffen und diese Stadtteile für Einheimische und Touristen attraktiv zu machen. Doch ihr Plan, „für die Neustadt ein eigenes Privattheater zu schaffen, stieß auf den erbitterten Widerstand der staatlichen Stellen, die das überkommene Monopol des Hoftheaters mit Zähnen und Klauen verteidigten“, so im Theaterarchiv zu lesen.
Jahre später durfte der extra dafür gegründete „Aktienverein für das Theater zu Neu- und Antonstadt“ endlich mit eigenem Geld ohne Zuschüsse bauen. Aber der Hof setzte sich dahingehend durch, dass das Gebäude zwangsweise an die Hoftheaterintendanz als Königliches Schauspielhaus verpachtet werden musste.
Das eigentliche Hoftheater, Sempers erster Theaterbau von 1841 im Stil der Frührenaissance, brannte im September 1869 ab. Als Interimslösung entstand hinter der Ruine eine Arena, im Volksmund „Bretterbude“ genannt. Sempers zweiter Bau im Stil der Hochrenaissance wurde erst 1878 fertig. Das Alberttheater in der Neustadt wurde von Architekt Bernhard Schreiber im aktuellen Stil der zweiten Semperoper, aber weniger pompös, errichtet.
Wie das Theater zu dem preisgünstigen Kronleuchter kam
Für den Saal brauchte es auch einen Kronleuchter. Doch woher und vor allem preislich günstig sollte man ihn nehmen? Des einen Leid, des anderen Freud. Zu der Zeit ging das „Herminiatheater“ von Inhaber Baumgart in der Zirkusstraße pleite. Das Satiremagazin Calculator Nr. 16 von 1873 frotzelte: Dieser Kronleuchter „ward von Baumgart in Berlin für 2000 Taler bestellt. Als er im ‚Herminia‘ aufgehängt werden sollte, zeigte sich, dass er nicht dicht war und weniger zur Beleuchtung als zur Anzündung des Theaters gedient hätte. Außerdem müsste das Dach erst anders konstruiert werden.“
Doch trotz aller Umbauarbeiten war er den Behörden zu gefährlich. Und so vergammelte der Kronleuchter im Theaterhof unter freiem Himmel und rostete vor sich hin. Ein weiterer Sargnagel für die Pleite des Theaters. Der Pfandleiher Schöne hatte gegenüber der Direktion Forderungen von 500 Taler und pfändete daraufhin Dekorationen, Garderobe und eben jenen Kronleuchter, den er für 200 Taler verauktionierte. „Man teilte uns mit, dass ihn jemand für diese Summe erstanden, geputzt, ausgebessert, in eine Kiste verpackt und als neu an das Neustädter Theater für 750 Taler verkauft habe. … Der Ruhm, das Herminiatheater um seine Krone gebracht zu haben, wird Herrn Pfandleiher Schöne auf ewige Zeiten verbleiben“, so bissig das Satireblatt.
Boshaftigkeiten gegen die Bretterbude auf Altstädter Seite
Typisch Dresden. Da sich das Neustädter Bürgertum nicht gegen den Königlichen Hof behaupten konnte, stichelte man gegen die Generalintendanz und gegen dessen Interimstheater, genannt Bretterbude. Der Calculator machte dies in seiner Art öffentlich. So habe „die Hofintendanz eine Verordnung erlassen, nach der in der Nähe der Hoftheaterbude nicht laut gesprochen, gepfiffen, gehustet und genießt werden darf. Das Berühren der Wände mit Stöcken und Regenschirmen ist bei schwerer Ahndung verboten, ebenso das Anlehnen und Drängeln gegen das Gebäude.
Das Publikum hat in Gummischuhen bei der Vorstellung zu erscheinen und ist alles Trampeln und Applaudieren verboten. Die Sänger sind angewiesen, ihre Partien zu pfeifen. Die Blechbläser im Orchester ebenfalls. … Dem Souffleur ist bei harter Strafe verboten, nicht wie bisher laut zu schreien. Diese Maßregeln sind notwendig, um die jetzige Theaterbude noch bis zur Eröffnung des neuen Hoftheaters auf den Beinen zu halten.“
- Teil 1: „Ein Fest der Architektur und ein Hochamt der Monarchie“
- Teil 2: „Unter der Fuchtel des königlichen Hofes“
- Teil 3: „Veränderungen lagen in der Luft“
- Teil 4: Der aufhaltsame Abgesang
Der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb hat die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert. In loser Folge berichten wir über wichtige geschichtliche Ereignisse in der Neustadt.
Ach ja – das Alberttheater. Leider wurde die wiederaufbaufähige Ruine (siehe Villa nebenan mit selben Zerstörungsgrad und wiederaufgebaut) für die sozialistische Stadt plattgemacht.
https://www.theaterarchiv-dresden.de/img/at_slider/Ruine%20DVB-AG%20Beyer.jpg
Wie so oft wurde dann aber nichts gebaut und es blieb eine Wiese.
Heute wäre es (auch in vereinfachter Form) der kulturelle Mittelpunkt der Neustadt.
https://www.theaterarchiv-dresden.de/albert_theater.html
Tolle Kolumne übrigens. Danke dafür.
@Arne: danke für die Links. Schade, dass Informationen über die Geschichte des Alberttheaters nach dem zweiten Weltkrieg im Artikel komplett fehlen. Das fände ich doch interessanter als Anekdoten über einen Kronleuchter.
Wie schon am Ende des Artikels vermerkt, es wird einen zweiten Teil zur Geschichte des Alberttheaters geben.
Noch eine Information, die im Artikel fehlt: das Alberttheater stand an der Bautzner Straße Ecke Glacisstraße, dort, wo sich jetzt der Parkplatz befindet. Ein Jammer, dass das Haus abgerissen wurde.