Die Hechtstraße beginnt direkt am Bischofsplatz. Wo einst ein Garten grünte, prangt nun ein selbst für das an architektonische Armutszeugnisse gewöhnte Auge bemerkenswert unästhetischer Neubau. Zusätzlich verunzieren ihn einige Farbflecken, unter denen der Putz bereits abblättert, sowie mehrere wohl durch Steinwürfe verursachte Fensterschäden.
Der durch diesen Anblick einigermaßen verstörte Blick erfährt etwas Linderung, wendet er sich der anderen Straßenseite zu. Hier lädt das Café Kawa mit bunter Schrift und grünen Pflanzen dazu ein, mit einem warmen Pappbecher in der Hand auf den großen Betonstufen zu verweilen und sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen.
Geschäfte hinter inhaltsträchtigen Fassaden
Ich verweile jedoch nicht, sondern setze meinen Weg entlang adretter Bäumchen und stilvoll geschwungener Laternen fort. Er führt zunächst vorbei an Gebäuden aus der Gründerzeit, in denen seit jeher eine Mischung aus Wohnungen und Geschäftsräumen vertreten ist.
Heilpraxen folgen auf eine Weinhandlung und Versicherungsagenturen auf den Imkerverein. Kunst und Kultur konkurrieren mit der Spielhalle und Haar- mit Fußpflegesalons. Kulinarische Auswahl bieten – teilweise auch noch im Lockdown – die Pizzastube, die Löffelbar und die Schmiede. An zwei Kreuzungen stehen Pflanzkübel, die von Anwohner*innen gepflegt werden.
Gar nicht lange dauert es, da stoße ich auf den ersten Hecht. Er schwimmt munter zwischen Wasserpflanzen umher, gänzlich unbeeindruckt davon, dass sein Lebensraum streng genommen aus dem Beton einer Hauswand besteht. „Ehe ist nur ein bürgerliches Konstrukt zur Aufrechterhaltung des Patriarchats“, lese ich auf einer anderen Mauer und beglückwünsche innerlich die dafür verantwortliche Person zur erfolgreichen Teilnahme an der Ersti-Vorlesung in Soziologie.
Der Förster und sein Park
Den Namen haben Straße und Viertel übrigens nicht dem Seebewohner zu verdanken, sondern dem Revierförster August Hecht, der hier ein Weingut und eine Schankwirtschaft betrieb. Ich stelle mir kurz vor, wie er im Jenseits zusammen mit Erich Kästners Onkel Franz Augustin und dem sozialdemokratischen Fischhändler August Paschky (beides ehemalige Bewohner der Hechtstraße) eine Runde Skat kloppt.
Ab Höhe der Fichtenstraße beginnt eine Bebauung, die kennenzulernen mein imaginäres Skat-Trio keine Gelegenheit mehr hatte. Darunter die zweite Version der 30. Grundschule, deren ursprüngliches Gebäude dem Krieg zum Opfer fiel. Benannt ist sie nach dem Hechtpark, der dann auch ein paar hundert Meter weiter beginnt.
Hier oben kann der Blick weit über Kleingärten und den nordöstlichen Teil der Stadt schweifen. Dieser Blick scheint recht begehrt zu sein, betrachtet man die in den letzten Jahren hier neu entstandenen Blöcke. Schon etwas länger, nämlich seit den 1920er Jahren, gibt es die daneben beginnende Wohnanlage „Oberer Hecht“. Sie erstreckt sich gegenüber dem Park und endet, wo dieser in den St.-Pauli-Friedhof übergeht.
Am Ende kommt immer der Tod
Er dominiert den letzten Teil der Hechtstraße, der deswegen im Volksmund früher als Leichenweg bezeichnet wurde. Hinter der Friedhofsmauer des St.-Pauli-Friedhofes ruhen Erich Kästners Eltern nebst besagtem Onkel, Seite an Seite mit Mitgliedern der Orgelbaufamilie Jehmlich und anderen Dresdner Persönlichkeiten. Außerdem sind hier zahlreiche Säuglinge und Kleinkinder von Ostarbeiterinnen bestattet, die die Lebensbedigungen im sogennanten Entbindungsheim in den vormaligen Räumen des „Judenlager Hellerberg“ nicht überdauerten.
Ein ganz schön düsterer Abschluss, immerhin abgemildert durch die Kita gegenüber, die von einer hoffnungsvollen Zukunft kündet. Das letzte Haus schließlich vertreibt mit virtuosem Sarkasmus noch die letzten trüben Gedanken. Denn was wäre ein passenderes Ende für eine Straße, die (wenn auch zufällig) den Namen eines Fisches trägt, als – ein Geschäft für Angelbedarf.
Die Hechtstraße
- Die Straße auf dem Stadtplan von dresden.de
Fast auf der gesamten Hechtstraße, zwischen Bischofsplatz und St.-Pauli-Friedhof, fuhr ehemals die Straßenbahn. Diese ist auch der Grund für den Grünstreifen zwischen Hechtpark und -straße.
Was die Schule betrifft, so ist deren Beschreibung nicht ganz korrekt. Auf dem Gelände der 30. POS „Wilhelm Pieck“ (heute 30. GS) befand sich vor dem Krieg keine Schule, aber ganz in der Nähe. Die 30. Volksschule war an der Windmühlenstraße (seit 1953 Seitenstraße). OK, ist jetzt etwas Kaffeesatzleserei :)
@Stefan E. auf der Seite dresdner-stadtteile.de gibt es sogar ein, wenn auch winziges, Foto davon. Und für die Geschichtsfreunde noch mehr historische Details.
…am Haus (ohne architektonischen Kommentar) blättert der Putz nicht ab. Das sind auch Schäden von Steinwürfen. Bitte prüfen, evtl. korrigieren…?
Sehr schön auch, wie jemand das Haus bei Google Maps beschriftet hat…
Mir ist nicht bekannt, wo sich eine Wohnanlage „Oberer Hecht“ aus den 1920er Jahren befinden sollte. Außer natürlich in irgendwelchen Stuss-Wikipedia-Artikeln oder Werbetexten von Immobilienfritzen. Das da oben ist seit eh und je das sog. „Bärwalder Viertel“, welches mit dem Hechtviertel rein gar nichts zu tun hat. Dieses endet pi mal Daumen mit der Bebauung der Buchenstraße.
Auch der (heutige Teil) der „oberen Hechtstraße“ ist lediglich eine nachträglich verlängerte Namensgebung. So ich mich nicht täusche (Details habe ich gerade nicht präsent), war das früher mal die Friedhofsstraße. Der Leichenweg war’s zu Zeiten, als die Hechtstraße noch der Hechtweg war.
Auch sonst hat der Artikel leider nicht viel zu bieten. Da wurde wohl nur ein Vorwand gesucht, um -sorry- ideologischen Stuss und Traumtänze unter’s Volk zu bringen. Ob nun die Autorin, sowie eine Zweite, die Qualität des Neustadt-Geflüsters steigern, überlasse ich dem Urteil eines jeden selbst. Schade drum.
Na gut, ich stimme mal schnell noch „Fragezeichen“ zu. Putz blättert nicht ab, sondern bröckelt. Auch gerne mal, wenn von „wertvollen Einsteins“ geschmissene Pflastersteine einschlagen und sogar die darunter liegende Wärmedämmung beschädigen. Na ja, linksgrüne Bildungs- und Erziehungspolitik von und für Gescheiterte….
Ja das Hechtviertel hat sich total verändert. Ich bin hier aufgewachsen in der Fichtenstrasse. Heute kennt man fast gar nichts wieder. Aber trotzdem schön geworden. Es sind immer meine Erinnerungen wenn ich mal in der Gegend bin.
Halle, keine Ahnung wer den Text hier von der Hechtstr. verfasst hat, aber ich würde sagen so eine gute Beschreibung habe ich noch nicht gesehen von dieser Geschichtsträchtigen Straße.
Ich bin hier, Buchenstr. 1, aufgewachsen, die ja am unteren Ende vom Berg in die Hechtstr. einmündet.
Heute lebe ich in Shanghai und in Salzburg,
aber meine Kinderstraße vergesse ich nicht.
Danke das ich diese Beschreibung lesen durfte.
Allen wünsche ich eine Corona-freie Zeit,
und immer beste Gesundheit.
@Horst: Der Weg wurde um 1870 im Volksmund als Leichenweg bezeichnet, 1887 wurde er zur Friedhofstraße, 1927/1928 zur Hechtstraße.
@Anton: Danke für die schnelle Reichung der Historie. Ja, das kommt so hin.
Noch etwas zu diesem Neubau, den die Autorin gleich einleitend als „architektonisches Armutszeugnis“ und „bemerkenswert unästhetisch“ herabwürdigt, um nicht zu sagen: bepöbelt. Leider hat sie mir nicht offenbart, was sie persönlich als ästhetisch empfindet. Und ob sie architektonisch überhaupt etwas auf die Kette bekommt, noch dazu unter aktuellen Baubestimmungen, wage ich unbesehen zu bezweifeln. Es wäre wohl eher abzuraten, überhaupt nur einen Holzschuppen zu betreten, den sie aufgebaut hat. Ich jedenfalls finde dieses Haus in seiner Gestaltung modern und vertretbar gelungen, zumal dafür sicher keine hunderte Millionen Steuergelder zur Verballerung zur Verfügung standen.
Viel interessanter ist, dass das vorherige Haus -sofern meine Infos stimmen- zum 13./14.02.1945 Bombentreffer abbekam und niederbrannte.
Hier noch ein Bild von diesem vorangegangen „architektonischen Meisterwerk“:
https://altesdresden.de/pics/leip/bisp0002.jpg
(Bitte bisschen mehr auf Ruf und Qualität des Neustadt-Geflüster achten. ;-) )
Hallo Horst, ich glaube, wir haben unterschiedliche Vorstellungen von Qualität. Ich bin mit den Texten von Elisabeth sehr zufrieden.
Und welchen Ruf das Neustadt-Geflüster bei Dir hat, ist mir nach den bisher von dir geschriebenen Kommentaren herzlich egal.
@Fragezeichen Was die Ursache ist, wird vielleicht nicht genannt, aber der Putz bröckelt … Ausrufezeichen ;)
@Horst Pseudo-Wissen…typisch für deinen Schlag von Mensch. Im Pöbeln bist du ja ein Meister. Bombentreffer: 16. Januar 1945! Halt einfach mal die Luft an, bis ich stopp sage! Zeit läuft …
Mir gefällt die feine Beobachtung und das Sinnliche des Artikels sehr. Und ob der Putz bröckelt oder blättert finde ich unerheblich. Wenn ein kleinlicher Geist krittelt…
Danke für den guten Artikel.
Schöner Artikel. Danke dafür. Über des geistes Kindes des Verfassers kann man sicherlich streiten. Meiner Meinung nach ist das Haus am Bischoffsplatz nicht unbedingt eine Architekturische Fehlbildung und sieht zu manch anderen Neubau im Hecht relativ schich aus, obwohl man es hätte besser machen können. Das Firtel ist nun mal von sandstein und Ziegelmauerwerk geprägt.
Als ich selber noch in der 30.Gesamtschule lernte haben wir von einem alten Lehrer erfahren das die Schule vorm Krieg auf dem Spielplatz (Königsbrücker Platz) gestanden haben soll.
Vorab. Wer ein *ininininin in meinem Text sucht ist bei mir an der falschen Adresse. Wir leben als Familie gleichberechtigt und glücklich zusammen.
Am Königsbrücker Platz befand sich die 7. und die 14. Bezirksschule, wobei ich gerade nicht genau weiß, wie die Gebäude aufgeteilt waren. Anschrift war wohl Schanzenstraße bzw. Oppelstraße (heute Rudolf-Leonhard-Straße) auf altesdresden.de gibt es einige Bilder.
@DD Hecht (-bewohner): Da mich das wirklich interessiert, könntest du mir bitte Quellen liefern, dass es der 16.01. war? Nach meinen Infos brannte dieses Haus am 13./14.02.1945.
@Schdeffn: Die 30. Volkschule stand, wie schon von Stefan E. geschrieben, auf der Windmühlenstr. 12 (heutige Seitenstraße, in etwa die Turnhalle der heutigen Schule).
Auf dem Königsbrücker Platz befand sich tatsächlich auch eine Schule. Eingang war von der kleinen Querstraße, dort wo heute -wie nennt man es?- „Tribüne“ steht.
@Catrin: Wenn du als größte Künstlerin aller Zeiten meinst, dass Lack und Farbe bröckelt, während Putz blättert, und die Ursache ziemlich kleingeistig völlig Rille ist, dann hab ich wieder was gelernt. ;-)
So, und nun rückt den Schlips wieder grade, schmiert Schmerzsalbe auf die Füße und habt nen schicken Sonntag. :-)
@Anton Das Foto kenne ich, wie auch einige mehr :-)
Schicke Sammlung.
@Stefan E., diese Sammlung kenne ich auch noch nicht. Recht vielen Dank für den Link.
Vermutlich kennst du die Bilder aus den glücklichen Zeiten der vor-kapitalistischen Denkmalpflege. Z.B. dies hier. Und das hier müsste die Schmiede sein.
@catrin
„Und ob der Putz bröckelt oder blättert finde ich unerheblich. Wenn ein kleinlicher Geist krittelt…“
Mir gefällt der Artikel auch, doch macht es einen Unterschied, ob etwas dem Verfall aufgrund schlechter Bauweise (so kommt es rüber) oder aufgrund von Zerstörung preisgegeben ist. Ich denke die Verzerrung war hier nicht das Ziel der Beschreibung. Darum der Hinweis evtl. zu ändern…
Alles freundlich, nicht kleinlich…
Gruss @ Elisabeth Renneberg
…hab nochmal einen prüfenden Blick gewagt. Es sind keine Alterungsschäden am Putz. Sind Folgen mechanischer Einwirkung…. wie am Glas.
@Horst: Tatsächlich kann Putz blättern.
Gern geschehen =)
Das Interessanteste ist der Link zu dem Bilderarchiv.:-) Bilder ersetzen eben doch Tausend Worte.
Das Haus am Bischofsweg wird wohl wie auch die Kirche, die beiden Schulen und vor allem die Bebauung in der Kiefernstraße dem Bombenangriff im Januar zum Opfer gefallen sein. Ob das alles „Querschläger“ des Ziels Kasernen waren oder ob die Gasanstalt in der Friedensstraße getroffen werden sollte, weiß ich leider nicht. Hat denn jemand historische Bilder von der Kiefernstraße?
@Wolfram:
Glaube nicht, dass es „Querschläger“ waren, die Albertstadt wäre leicht zu finden gewesen (ganz auffällige Bauwerke und Strukturen), aber viel wurde da nicht zerstört. Was das Hechtviertel betrifft, ist der entsprechende Ausschnitt aus dem Schadensplan interessant, da sieht man ganz gut, welche Gebäude beschädigt oder zerstört waren.
Schwarz = total beschädigt
Blau = schwer beschädigt
Grün = mittelschwer beschädigt
orange/rot = leicht beschädigt
Die Farbwahl ist etwas irritierend, aber da hatte man 1945/1946 wohl andere Probleme, als sich darüber Gedanken zu machen.
Ich finde den Schadensplan sehr interessant. Allerdings habe ich die Frage, ob hierzu jemand weitere Informationen hat? Ich gehe nämlich davon aus, dass dieser die Gesamschäden zu Kriegsende widergibt.
Man sollte sich nochmals vor Augen führen, dass die Stadt Dresden 9 Bombardierungen erlebte. (13./14.02. gezählt als 3). Die erste am 24. August 1944, die letzte am 17. April 1945.
Die St.-Pauli-Kirche erhielt am 16.01. erste Schäden und wurde 02.03. im bekannten Ausmaß zerstört.
Auch die Nachtbombardierung vom 13./14.02. ging wohl nicht spurlos am Hechtviertel vorbei, ebenso wie es die Diakonissenanstalt traf. Zum selben Datum hat’s auch die Schützenkaserne oberhalb des Alaunplatzes „weggewichst“. Und lt. Augenzeugen eben auch das Haus am Bischofsplatz.
Soweit aber nur interessante Historie abseits des Themas Hechtstraße.
Und „DD Hecht (-bewohner)“ ist sicherlich noch mit der Recherche beschäftigt, um Substanzielles zu liefern. MfG ;-)
@Stefan E.:
Danke für den Link. Ich bin schon wieder erstaunt, was es heute doch tatsächlich online zu recherchieren gibt.