Die Medienkünstlerin Antje Seeger ist Stipendiatin von „Bouncing Forward – Resiliente Kultur“ des Amts für Kultur und Denkmalschutz. Ihr aktuelles Sujet untersucht sie filmisch: ein Schwimmbad.
„Ich war permanente Zuhörerin“, sagt Antje Seeger. Im vergangenen Jahr arbeitete sie an einem dokumentarischen Video-Essay über ein Schwimmbad in ihrer Heimat Thüringen. „Ich habe dort schwimmen gelernt.“ Heute macht sie einen Kopfsprung in die Geschichtsmoleküle des Ortes. Das Bad ist verbunden mit vielen weiteren Schicksalen, mit Wende und Wendungen, mit Frosch- und Vogelperspektiven.
Brüche beibehalten, Absehbarkeit vermeiden
Antje Seeger arbeitet konzeptionell, recherchebasiert und in verschiedenen Medien wie Video, Fotografie, Installation, Objekt oder Text. Zudem realisierte sie verschiedene Interventionen und Performances im öffentlichen Raum. Dabei beschäftigt sie sich mit den Wechselwirkungen zwischen der materiellen und der mentalen Welt, zwischen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und alltäglichen Handlungskonventionen. Seit zwei Jahren arbeitet Seeger mit dem Schwerpunkt künstlerische Wissensgenerierung durch Bilder sowie der gesellschaftlichen Rolle von Kunst, Künstler*innen und Bildmedien.
Bis zu einem Jahr oder länger kann es dauern, bis ein Film entstanden ist. Sie führt Interviews mit Menschen, durchstöbert Archive, durchkämmt Bibliotheken. „Filmen habe ich mir selbst beigebracht“, sagt sie. Zwar habe ihr das Studium der Medienkunst in Leipzig Grundlagen vermittelt, doch das Entwickeln von Dramaturgie und Story erschloss sie sich selbst.
„Das ist die größte Herausforderung“, erklärt Antje Seeger. „Film ist stark geprägt von Sehgewohnheiten.“ Als Beispiel nennt sie die Hollywood-Produktion. Es gibt bewährte Stereotypen, Abfolgen, die Erwartungen erfüllen, Fährten, die am erwarteten Ziel ankommen. „Ich möchte die Brüche im Film beibehalten und damit Absehbarkeit vermeiden.“
Ein starkes Nachdenken
Mit der Kamera taucht die Künstlerin tief in das Privatleben der mitwirkenden Personen ein. „Es kann passieren, dass Prozesse ausgelöst werden, die schmerzhaft sind. Dass familiäre Sachen hochkommen.“, sagt sie. „Für mich ist es wichtig, mich offen zu halten, nicht voreingenommen zu sein.“ Ihre Forschung ist absichtslos – es gibt keinen Beweis zu erbringen. Antje Seeger sammelt, hört und sieht. Im Film ordnet sie das Material neu. „Es ist ein starkes Nachdenken. Jeder Schnitt ist am Ende ja eine Fiktionalisierung.“
Eines ihrer ersten Video-Essays realisierte sie in Rotterdam. Dabei spielt die Fassade eines Luxushotels sowie die griechische Staatsschuldenkrise eine Rolle.
Am I a Warrior?
Für 2021 stehen etliche Projekte an. Im Rahmen des Bouncing Forward Stipendiums arbeitet sie aktuell an der Konzeption eines Video-Walks unter dem Arbeitstitel „Am I a Warrior?“ durch den öffentlichen Stadtraum Dresdens. Dabei soll es um die Bewältigung krankheitsbedingter Krisen im Kontext aktueller gesellschaftlicher Geschehnisse gehen. Der Fokus liegt auf Kampf als einer Form krisenbasierter Auseinandersetzung.
Die Künstlerin hofft darauf, dass das Leben bald wieder jenseits von Online-Ersatzformaten stattfinden kann. Sie vermisse Interaktion und zwischenmenschlichen Austausch: „Mit der Vereinzelung steigt die Gefahr der Intoleranz.“ Konflikte auszuhandeln sei inspirierend. Sie zu ertragen eine Fähigkeit, die durch Isolation gefährdet sei, erklärt Antje Seeger.
Zugleich berge die Krise das Potential neuer Wege und Verbesserungen: „Es ist immer beides da“, sagt die Künstlerin. Sie werde getragen von der Zuversicht, dass sie das alles irgendwie schaffe. „Ich lasse mich nicht unterkriegen.“
Antje Seeger
- Bildende Künstlerin, Filmemacherin, Kuratorin
- Video, Fotografie, Installation, Text
- www.antjeseeger.de