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Susan Donath: Die Grenzgängerin

Die Künstlerin Susan Donath ist Stipendiatin von „Bouncing Forward – Resiliente Kultur“ des Amts für Kultur und Denkmalschutz. Ihr künstlerisches Forschungsgebiet ist „das Allerletzte“.

Der Tod, der große Gleichmacher, ist für die meisten Menschen mit Ängsten behaftet. Grusel, Abscheu, Wortlosigkeit, wenn es um „das Allerletzte“ geht – das kennt Susan Donath von vielen, aber nicht von sich. Als Künstlerin ist sie beruflich, als Vereinsmitglied ehrenamtlich auf Friedhöfen in Deutschland und Tschechien unterwegs. „Wenn ich auf einer Party nicht angesprochen werden will, muss ich nur sagen, dass ich mich künstlerisch mit Tod und Sterben auseinandersetze“, erklärt sie lachend.

Susan Donath: "Die Grabstätte ist für die Hinterbliebenen womöglich wichtiger als für die Verstorbenen." Foto: Philine
Susan Donath: „Die Grabstätte ist für die Hinterbliebenen womöglich wichtiger als für die Verstorbenen.“ Foto: Philine

Die Peer-Gruppe des Todes

Der Tod sei ein „Nicht-Thema“. Also ein Fakt, der existiert, aber über den wenig gesprochen werde. Zugehörige der „erweiterten Peer-Gruppe des Todes“ aus dem ärztlichen, kirchlichen, pathologischen oder – in diesem Fall künstlerischen –  Bereich seien es gewohnt, dass Gespräche schnell verebben. Aber Corona habe Themen wie Pflege und Sterben in ein neues Schlaglicht gerückt: Die Frage danach, wie wir sterben wollen, führt zwangsläufig zu der Frage, wie wir leben.

„Bei uns Zuhause ist der Tod ein ganz normales Thema“, sagt Susan Donath. Oftmals auch in scherzender Weise. „Der Tod ist eine Änderung des Aggregatzustandes, sage ich immer.“

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Wer liegt wo richtig?

Der Tod ist mitnichten nur eine einseitig passierbare Grenze. Kulturell betrachtet ist sie durchlässig, denn die Toten kommunizieren mit den Lebenden. Sie wühlen auf, sie stoßen Diskussionen an. Welche Person wo ruht und ruhen darf, wie mit ihrer Ruhestätte umgegangen wird, wie erinnert wird – das sind umstrittene Entscheidungen. Die ewige Ruhe ist mitunter turbulent. „Der Umgang mit ihren Toten sagt viel über eine Gesellschaft aus“, sagt Susan Donath. Sie führt über den verschneiten Nordfriedhof, dessen Grabstätten eine ungewöhnliche Vielfalt aufweisen.

Symbolisches Grab des Widerstandskämpfers Hans Oster auf dem Nordfriedhof. Foto: Philine
Symbolisches Grab des Widerstandskämpfers Hans Oster auf dem Nordfriedhof. Foto: Philine

Die unterschiedlichen Abteilungen des Friedhofes haben ihre eigene Ästhetik, ihre  Geheimnisse und Prominenten. Im Jahr 1901 als unter dem Namen Garnisonfriedhof eingeweiht, wurde die Stätte im Ersten und noch einmal im Zweiten Weltkrieg erweitert. Ein weiter Acker, voller Spannungen, auch posthum. Hier teilen Verstorbene den ewigen Frieden, die ihn zu Lebzeiten miteinander nicht gefunden hätten. Zwangsarbeiter*innen, Wehrmachtsoldaten, Wehrdienstverweigerer, Offiziere, Widerstandskämpfer, Bombenopfer sind hier gebettet.

Alle Toten haben ihre Würde

„Der Erhalt von Gräbern, die als Kriegsgrab deklariert sind, wird aus Bundesmitteln finanziert“, erklärt Susan Donath. Allerdings sind nicht alle Gräber gleich gut erhalten. Ein geplantes Kunstprojekt von Susan Donath gab den Anstoß, die Abteilung der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen zu sanieren.

Susan Donath ist auch gelernte Steinmetzin und säuberte mit ihren Fertigkeiten den Grabstein von Werner Langer, einem Soldaten auf dem Areal, als Probestück. Anderen Meinungen nach hätte man „die Gräber der Nazis“ verfallen lassen können. „Hier liegen junge Menschen begraben“, sagt Susan Donath. „Sie sind ein Teil unserer Geschichte. Über die Toten zu urteilen steht uns nicht zu.“

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Ihre Haltung ist klar: „Alle Toten haben ihre Würde.“ Sie hält nichts davon, Gräber verfallen zu lassen oder gar unkenntlich zu machen, weil die Vergangenheit des darin Liegenden Anstoß erweckt. „Jeder Tote hat es verdient, seinen Namen zu tragen“, sagt sie. Das sei man besonders der Nachwelt schuldig. Um sich eine kritische Meinung zu bilden, brauche man das Wissen um eine Person. „Und wenn ich an dem Grab vorbei gehe und eine Beschimpfung murmle – dann ist das mein gutes Recht. Aber ich kann das nur tun, weil der Grabstein mir sagt, wer dort liegt.“

Seit 2019 hat jedes Grab seine Inschrift zurück. „Meinetwegen muss ein Friedhof heute aber nicht so eine Steinwüste sein. Schon aus Gründen des Umweltschutzes nicht“, sagt Susan Donath. Es gehe ihr auch nicht um „militärischen Fetisch“, sondern um das Erinnern. Zur Gestaltung von Friedhofskultur und Gedenken begrüßt sie innovative Ideen und die Einbindung in die Gesellschaft.

Der Friedhof als lebendiger Kulturort

Susan Donath engagiert sich im Verein Denk Mal Fort, um dem Nordfriedhof eine Zukunft zu geben. Dazu gehört nicht nur der Erhalt von Grabmälern, sondern die Integration des Ortes in das „Reich der Lebenden“. Die monumentale Trauerhalle ist im Inneren sanierungsbedürftig und wird im Sinne ihres ursprünglichen Zwecks nicht mehr genutzt. Kürzlich entschied sich die Stadt Dresden dazu, Corona-Tote hier aufzubewahren, weil die Krematorien überlastet waren. „Einen passenderen Ort kann es nicht geben“, kommentiert Susan Donath.

Der Verein Denk Mal fort hat die Trauerhalle auf den Nordfriedhof als Kulturort umkonzipiert. Foto: Philine
Der Verein Denk Mal fort hat die Trauerhalle auf den Nordfriedhof als Kulturort umkonzipiert. Foto: Philine

Der Verein Denk Mal Fort hat für die Halle vor zwei Jahren ein kulturelles Nutzungskonzept erarbeitet. „Die Räume für Kultur sind knapp in Dresden“, sagt Susan Donath. Warum die neustadtnahe Stätte, also die mitten im Wald nicht nutzen? Sie selbst wird im August eine Ausstellung in der Halle ausrichten und sie in ein begehbares Studio-Atelier verwandeln – sofern der Verein die Genehmigung erhält. Unter dem Titel „Unverblümt“ wird sie Totenkronen ausstellen.

Die Künstlerin pflegt ihr Grab

Einen beträchtlichen Teil ihrer künstlerischen Arbeit betreibt Susan Donath im Nachbarland Tschechien. Dort arbeitet sie mit dem Verein Omnium zusammen, der sich für Friedhöfe engagiert. Sie treffen sich meist in Usti nad Labem. Mindestens einmal im Monat pflegt Susan Donath dort ihr Grab. Auf dem Stein der historischen Stätte stehen ein deutscher und ein tschechischer Name. Auf sinnbildliche Weise zeige es, wie die Lebensläufe und Gefühle von Menschen über Grenzen hinausgehen, erzählt Susan Donath. Um das Grab möglichst lange zu erhalten, möchte sie selbst eines Tages darin beerdigt werden.

In Dresden hat sie mit einem Postkarten-Projekt u.a. auf das Grab von Hermann Jannasch, gestorben am 17. Juni 1916, aufmerksam gemacht. Ein deutscher Vorname, ein tschechischer Nachname. „Die Toten zeigen die Verflechtung unseres Kulturraumes. Dresden und Usti nad Labem waren jahrhundertelang wie eine wirtschaftliche und kulturelle Scharnierstelle“, sagt Susan Donath. Verfolgt man die Fährten der Toten, ergeben sich zahlreiche Verbindungen, die sie heute mit den tschechischen Kolleg*innen sichtbar macht und auffrischt.

Der Tod ist nicht eindeutig

Ein Lehrauftrag führte sie 2007 nach Usti nad Labem. Aufbauend auf ihren Russisch-Kenntnissen erlernt sie seitdem die tschechische Sprache, betreibt Ahnen- und Geschichtsforschung, Grabpflege und Restaurierung. „Durch meine Steinmetz-Ausbildung kenne ich mich auch mit Schriften aus“, erzählt sie. Sie werde gerufen, wenn deutsche Schrift auf Grabmälern zu deuten ist – oder zu restaurieren. Mit dem Entziffern öffnen sich Rätsel und Geheimnisse um Biografien und Lebensläufe, die weit hinein in die heutige Zeit führen. Ein Puzzle. „Der Tod ist nicht eindeutig“, sagt Susan Donath.

Ehrenhain der im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Dresdner Garnison. Foto: Philine
Ehrenhain der im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Dresdner Garnison. Foto: Philine

Die verschwundene Synagoge

Durch Corona sind die grenzüberschreitenden Beziehungen gestört. Die Besuche nach Usti nad Labem finden derzeit virtuell statt, was sie sehr schmerze, berichtet Susan Donath. „Ich hoffe, dass das keine Narbe hinterlässt.“ Glücklicherweise gibt es in Tschechien viele digitale Datenbanken. So kann die Arbeit an ihrem derzeitigen Projekt weitergehen: Sie möchte die verschwundene Synagoge in Usti nad Labem wieder sichtbar machen.

Das Gebäude wurde 1938 geschändet und bis auf das Erdgeschoss zerstört. Eine Fleischerei zog dort ein, bis ein Bombentreffer die Reste des jüdischen Gotteshauses restlos einebnete. Auf dem Platz wurde nach dem Krieg eine öffentliche Toilette an einer Bushaltestelle gebaut. „Sie wurde geschlossen, weil sie zu wenig genutzt wurde“, so Susan Donath.

Heute steht dort ein Einkaufszentrum. „Zu der Synagoge gibt es kaum Bildmaterial. Selbst Postkarten wurden so aufgenommen, dass das Gotteshaus angeschnitten oder nicht sichtbar ist.“

Ihr Bouncing-Forward-Stipendium nutzt Susan Donath für eine Bildrecherche, die das bewusste Verschwinden-Lassen der Synagoge belegt. „Möglicherweise werde ich dann eine Postkarte entwerfen, auf der die Synagoge richtig groß drauf ist.“

Susan Donath

Ein Kommentar

  1. Von der Seite der Stadt Dresden: „Auf Grundlage der Resilienz-Forschung lassen sich Strategien entwickeln, mit denen ein „bounce forward“ gelingen kann. “ – Jetzt habe ich es verstanden! (ich hatte noch Russisch als erste Fremdsprache).

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