Wieder mal wurde der Lockdown verlängert, die Rückkehr in den „normalen“ Alltag ist nunmehr ein verschwommener gemeinsamer Tagtraum. Eine zähe Zeit des Wartens und des Durchhaltens. Für uns alle, aber ganz besonders für Kultur und Gewerbe.
Wir wollten wissen, wie die Gastro- und Clubszene sich durch die Flaute manövriert und haben stellvertretend für die ganze Flotte das „Blue Note“, das „Raskolnikoff“ und das „Objekt klein a“ unter die Lupe genommen.
Von wegen Blue
Kneipe und Club in einem, und damit seit Jahrzehnten feste Instanz in der Szene ist das Blue Note. Wo sich normalerweise Musikbegeisterte bei dem ein oder anderen Getränk dicht an dicht in der rauchgeschwängerten Luft zusammendrängen, bleibt nun das Publikum aus.
Hinter der verschlossenen Tür wird aber fleißig gewerkelt: eine neue Lüftungsanlage wird eingebaut und soll ihren Beitrag zu höchsten Hygienestandards und einer baldigen Wiedereröffnung leisten. Finanziert wird sie zum Großteil durch die Kulturförderung des Bundes.
Der Blick richtet sich also zielstrebig in die Zukunft. Aber auch der in die vergangenen Monate ist so trüb nun auch nicht. So lief der Sommer richtig gut, erzählt Geschäftsführer Mirko Glaser. Als der vorbei war, war das Fenster so lange wichtigste Verbindung nach draußen, bis auch diese gekappt werden musste.
So mancher Becher Glühwein wurde hier über den improvisierten Tresen geschoben, nicht ohne die rechtfertigende Information auf einem Schild, das sei so nie geplant gewesen. Es sei eben Kreativität gefragt, so Mirko. Flexibilität, Optimismus und das Finden von immer neuen Ideen zählt er zu unternehmerischen Grundvoraussetzungen: „Man muss grundsätzlich versuchen, den Kopf über Wasser zu halten.“
Neben dem Fenster, das übrigens noch weiterhin eine Rolle spielen soll, hat dabei das Anbieten von Streams geholfen. Damit war das Blue Note ganz zeitig am Start, spürt aber schon die Abnutzung des Konzepts durch die flächendeckende Verbreitung.
Was nach den bisherigen Ideen noch kommt, wird sich zeigen. Längerfristig müsse man sehen, was passiert. Mirko verliert trotz Zweifeln an Zielführung, Prioritäten und Kommunikation der Corona-Maßnahmen nicht seinen Humor und versichert sogar, neugierig zu sein, wie es weitergeht.
Die Axt im Walde der Wirrungen
Eine weitere der Ur-Instanzen der Neustadt seit der wilden Ära der Hausbesetzungen und Künstlerkneipen ist das Raskolnikoff. In seiner heutigen Form ist es Restaurant und Bar mit einigen Pensionszimmern im Anhang und wird geführt von Ralf Hiener und seiner Frau Petra Burckhardt. Sie waren befreundet mit dem vorherigen Besitzer, der sich sehr für das geschichtsträchtige Haus eingesetzt hatte, und tauschten eigens für diese Aufgabe die Bundes- gegen unsere Landeshauptstadt ein.
Das war vor mittlerweile sieben Jahren. Das Personal, das die beiden ebenfalls schon kannten, übernahmen sie, unter anderem aus der Überzeugung heraus, dass die Menschen, die darin arbeiten, die Seele des Lokals ausmachen. Auch in der momentanen Situation ist es erklärtes oberstes Ziel, das Team zusammenzuhalten und zu unterstützen.
Der erste Lockdown kam unerwartet und hart. Die gerade für die Saison eingestellten Pauschalkräfte mussten entlassen und das Geld für die Löhne irgendwie aufgetrieben werden. Die zweite Schließzeit war dann immerhin abzusehen und konnte besser vorbereitet werden. Während beider Lockdowns wurden Gerichte zum Mitnehmen angeboten. Auch das hauptsächlich, um dem Personal wenigstens ein paar Schichten zu ermöglichen. Und natürlich wegen des Kontakts zu den Gästen.
Tatsächlich beschreibt Petra die Stimmung aus dieser Zeit als sehr nett, positiv und solidarisch. Unterstützung durch Stammgäste habe es jede Menge gegeben, der Zusammenhalt zwischen ihnen, den Mitarbeitern und Lieferantinnen sei spürbar gewesen. Dennoch: „Fensterverkauf kann sich nie rechnen“, weiß Petra. Zwar haben sie und Ralf einen Kredit aufgenommen und warten noch auf die vom Bund angekündigten Hilfsgelder, jedoch wisse man ja nicht, wie lange das Geld reichen muss.
Nach Weihnachts- und Silvestermenüs wurde nun also im Januar das Verkaufen von frischen Gerichten zum Mitnehmen eingestellt und das Team in Kurzarbeit geschickt. Ganz weg vom Fenster ist das Raskolnikoff aber trotzdem nicht: „Ras im Glas“ heißt das neue Programm, das eine wachsende Auswahl an Eingewecktem umfasst, das zuhause aufgewärmt werden kann und zwei Monate lang haltbar ist.
Offen bleiben für die Welt
Was durch und durch Club ist, hat es besonders schwer und hatte auch nicht das Glück eines puffernden Sommers. So konnten im Objekt klein a erst spät wieder Tanzveranstaltungen stattfinden, unter Auflagen und mit einem ausgeklügeltem, auf Tanz-Séparées basierenden Konzept. Dazu Sommergarten und -kino, bevor dann alles wieder komplett dichtgemacht werden musste.
Dementsprechend ist das oka momentan auf finanzielle Hilfe des Bundes angewiesen, dazu auf Einnahmen aus dem Onlineshop, Spenden und kleinere Projektförderungen. Trotzdem können die Personalkosten kaum gedeckt werden und vieles läuft gerade ehrenamtlich oder mit eigentlich viel zu niedrigen Aufwandsentschädigungen. „So kritikabel das ist, so dankbar sind wir auch all den Menschen, die das für den Club in Kauf nehmen“, schildert Felix Buchta die Lage.
Unterstützung kommt zum Glück von vielen Seiten – das Objekt klein a hat eine Menge Rückhalt in der Szene und der Stadt. Gewonnen wurde der in vier Jahren rauschender Raves an einem erklärten Ort der menschlichen und künstlerischen Vielfalt. Der Zuspruch und die Hoffnung auf weitere Förderung geben den erforderlichen Mut, nicht zu verzweifeln.
Auch für sehnsüchtige Clubgänger*innen gibt es Grund zur Hoffnung. Seit einem halben Jahr arbeitet das oka an einer virtuellen 3D-Version der Räume, die erstmals zu Silvester betreten werden konnte. Die nächste Party im virtual club ist für den 30. Januar geplant. Das Lineup steht schon und am möglichst reibungslosen Ablauf, der neben Tanzen auch Begegnungen ermöglichen soll, wird derzeit gebastelt.
Jede Menge Ideen also, die im Kampf gegen die an die Türen klopfende Frustration selbige verbarrikadieren und damit umgekehrt dem Durchhaltevermögen den Weg nach draußen abriegeln.
Ras im Glas, sehr zu empfehlen.
Haltet durch und bleibt gesund!
„Für jede*n einzelnen*n“ – knapp daneben, ab als Satire ganz ok.
Vielen Dank für den Hinweis. Habs korrigiert.
„…, der Zusammenhalt zwischen ihnen, den Mitarbeitern und Lieferantinnen sei spürbar gewesen.“
Wie jetzt, keine Mitarbeiterinnen und keine männliche Bierfahrer?
Entweder konsequent oder gar nicht …:-)