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Brauer in Nöten

Von außen erscheint die Hausbrauerei Schwingenheuer eher unauffällig. Einzig ein paar Schilder wie „Lenins Hanf“ verweisen auf die Brauerei, die seit 2002 die Neustadt bereichert und heute aufgrund von Corona in schwieriges Fahrwasser geraten ist.

Die rote Tür zum Laden in der Schönbrunnstraße - Foto: Jonas Breitner
Die rote Tür zum Laden in der Schönbrunnstraße – Foto: Jonas Breitner

Die Hausbrauerei Schwingenheuer

Der Laden der Hausbrauerei wirkt eher wie eine experimentierfreudige Großküche: hohe Decken, viel Licht, Kessel, Regale, Ofen, Chemieausrüstung, und viele leere Bierkisten, die darauf warten erneut befüllt zu werden. Plakate wie „Wer Bier trinkt hilft der Landwirtschaft“ oder „Bier ist gut…sagt der Arzt“ schmücken die Wände.

Einige Tische stehen im Raum, verwaiste Plätze für Besucher, die derzeit nicht kommen dürfen. Man bekommt den Eindruck, dass hier sonst mehr los ist, weniger leer, weniger still, willkommen im Corona-Winterschlaf.

Überhaupt nicht still und schläfrig hingegen ist der Brauer selbst, Christian Schwingenheuer (aka „Lenin“). Er führt durch die Räumlichkeiten. Um die vierzig, Wollpulli, Zimmermannshose, Neustädter Urgestein und trotz der angespannten Lage herzlich freundlich.

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Lieber Bier als Maschinen

Die Brauerei war dabei gar nicht geplant. Eigentlich wollte er Bierbrauanlagen verkaufen. Nur war während der 1990er (ganz anders als heute) das Interesse an Hobby-Brauerei im Osten gleich Null. Um die Leute auf den Geschmack zu bringen, hielt Lenin deswegen Bierbrauseminare ab. So wollte er seinen eigenen Markt schaffen, für den er dann Brauanlagen verkaufen würde.

Verkauft hat er mit dieser Strategie drei Maschinen in den letzten achtzehn Jahren. Zum Glück kam das auf den Seminaren gebraute Bier bedeutend besser an. „Die Leute haben mich als Brauerei benutzt“.

Ladenverkauf in der Großküche - Foto: Jonas Breitner
Ladenverkauf in der Großküche – Foto: Jonas Breitner

Die Seminare werden heute noch angeboten und das sogar „mit Erfolgsgarantie, wenn Du braust und Dein Bier droht nach Radeberger zu schmecken ruf mich an und ich reparier Dein Bier am Telefon“ erklärt Lenin lachend. Außerdem versichert er, dass der Genuss auf den Seminaren nicht zu kurz kommt. „Wir schmeißen niemanden raus, der noch stehen kann“.

Neustädter Urgestein

Als Lenin in die Neustadt zog, bezahlte man für 200 Quadratmeter noch 450 Mark, dazu kam die Erkenntnis, „dass es sowieso von Vorteil ist in der Neustadt zu wohnen, wenn man starker Kneipengänger ist“. Ihr fühlt er sich verbunden. So packte er während der 2002er Flut mit an: Keller auspumpen, Sandsäcke stapeln und Gebäude mit dem Hochdruckreiniger putzen. „Man hilft sich eben aus“ kommentiert er beiläufig.

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„Die BRN war am Anfang geil“, etwas melancholisch erzählt er von „Un-TÜV-able“ Kettenkarussellen beschallt von Synthesizer-Sounds, Schrauber-Autokorsos, die durch die Straßen zogen, und dem von ihm organisierten Lustgarten im Rahmen der Bunten-Republik-Neustadt. Alles mittlerweile verboten und durch „Radeberger Plastik-Aufklappbierbuden“ ersetzt. Schade drum.

Mit Herzblut gebraut

„Im Grunde ist das ein Ehrenamt, für alle die hier arbeiten“ sagt Lenin, „viel verdienen wir nicht, aber wir machen‘s gerne“. Regionalität, Nachhaltigkeit und Qualität werden hochgehalten. Lenin beschäftigt acht MitarbeiterInnen, dazu ist die Brauerei ein Ausbildungsbetrieb. Auf seinen ersten, preisgekrönten Azubi ist er „stolz wie Bolle“.

Angenehme Interview-Atmosphäre - Foto: Jonas Breitner
Angenehme Interview-Atmosphäre – Foto: Jonas Breitner

Zusätzlich zu den Seminaren bietet er Verköstigungen und den Hausverkauf seiner Biere an. Eine kleine Auswahl: Das „Zitzschewig Death“, „Bio Neustadt Hell“, oder das „Bio-Mittagsbier working-class-edition“. Working class da „so leicht, dass man’s schon gut beim Tag, bei der Arbeit oder der Autofahrt trinken kann“ fügt Lenin lachend hinzu.

Fake-Beer, Corona – und nun?

Schon vor Corona wurde die wirtschaftliche Lage dadurch erschwert, dass sich auf dem „Craft-Beer“ Markt mittlerweile viele Spieler tummeln, die gar nicht wirklich selbst brauen, dies jedoch mit sehr gutem Marketing mehr als wettmachen.

„Uns gibt’s wirklich, wir brauen wirklich, gibt ’n Haufen Typen, die nur so tun als ob“, kommentiert Lenin dies „das muss bloß mal raus“. So hätte man zum Beispiel noch nie einen Vogel beim Brauen gesehen oder ein Pils aus der Nationalvogel-Brauerei Coswig getrunken.

Brauer Lenin mit modebewusster Männerhandtasche - Foto: Jonas Breitner
Brauer Lenin mit modebewusster Männerhandtasche – Foto: Jonas Breitner

Zu Fake-Bier kam Corona dazu. Alle Gastronomien und Kneipen sind geschlossen, was nicht nur diese, sondern auch die beliefernden Brauereien, insbesondere die Kleinen wie Schwingenheuer, trifft.

Wegfall von Gastro, Volksfest und Brauseminaren führen dazu, dass trotz staatlicher Unterstützung und Kurzarbeit die Lage ernst ist. „Im Moment ist es pups-eng wirtschaftlich“, gibt Lenin offen zu, „wir brauchen Kneipen und Biergärten, die wir im Sommer beliefern können, dieses Jahr wollen wir wachsen!“.

Wie kann man helfen?

Auf die Frage was man machen könne, um ihn zu unterstützen, antwortet er: „Ich kann nur empfehlen: kauft Flaschenbier, kauft Gutscheine für Bierbrauseminare, könnt ihr auch später noch einlösen und bittet Euren Kneiper über ein lokales Bier an seinem Zapfhahn nachzudenken“. Das ist sein Aufruf an interessierte BiertrinkerInnen.

Wer dies kann und möchte: Schwingenheuer Biere sind in ausgewählten Bio-Supermärkten, Spätis und der Brauerei selbst (Dienstag und Donnerstag von 15 bis 19 Uhr) erhältlich.

Neustädter Gelichter für Kerzen wie Kurze - Foto: Jonas Breitner
Neustädter Gelichter für Kerzen wie Kurze – Foto: Jonas Breitner

Trotz alldem kann Lenin auch noch freudig in die Zukunft blicken: „Seit die Kneipen zu sind, habe ich schon 13 Kilo abgenommen, weshalb ich wieder nach einem Mann suche“. Sobald die Gastronomie wieder öffnet, der Sommer anrückt, wird, ja muss sich die Lage verbessern.

Er freue sich darauf sich wieder mit Kumpels auf ein Bier zu treffen. „Die Kneipe ist das öffentliche Wohnzimmer“ sagt er noch „und mein Leben findet zwischen Firma und Kneipe statt“.

6 Kommentare

  1. Moin Ecki,
    ja das stimmt, da haben wir uns bei lecker Lößnitzpils kennengelernt. Entschuldige bitte vielmals. Ich war sehr betrunken damals.
    Ich wollte auch nur sagen, daß in der Adlerbrauerei Coswig seit 1978 kein Bier mehr gebraut wird (wikipedia.de, loessnitzpils.de). Natürlich leben auch heute noch Leute die rechtzeitig eingekauft haben (vor Ladenschluß ´78) und das Bier aus der Lößnitz noch kennen.

    Grüß´ Gott
    Lenin

  2. @Lenin: Bitte um Entschuldigung längst gewährt :-) Sollten wir mal besiegeln, sobald wieder möglich.

Kommentare sind geschlossen.