Seit Januar wartet Vorzeigeprojekt Montagscafé auf wichtige Förderzusagen. Leiterin Wanja Saatkamp plant trotzdem wacker in die Zukunft. Ein Drahtseilakt.
Es ging wie ein Lauffeuer durch die Lokalmedien: Das Montagscafé steht auf der Kippe. Die Entscheidung über die Finanzierung eines großen Projektantrages durch das sächsische Sozialministerium steht aus, ebenso die Bewilligung eines kleineren Antrags. Corona hatte den montäglichen Treff von rund 150 Menschen bereits eingeschränkt: „Wir bieten jeden Montag eine digitale Teestube auf Jitsi an“, sagt Wanja Saatkamp.
Das inoffizielle Willkommenskommitee
Gegründet 2015 als eine Hilfestellung für Neu-Dresdner*innen bei der Suche von Arbeit, Wohnung und Anschluss jeglicher Art, erwuchs aus dem wöchentlichen Treff ein lebhafter sozialer Multiplikator, ein sicherer Ort für Gespräch, Austausch und Begegnung, ein Drehkreuz für Ideen und Wünsche. „Hier kann man Leute unabhängig von Konsummöglichkeiten kennenlernen“, sagt Wanja. „Wir sind so etwas wie das inoffizielle Willkommenskommitee von Dresden.“
Als sie die Koordination des Montagscafés 2017 übernahm, installierte sie ein neues Programm. Das Begegnungsformat wurden durch Kulturveranstaltungen zu Migrationsbewegung und Geschichte rund um das Thema „NEW DRESDEN – Zukunft einer diversen Stadtgesellschaft in Dresden“ ergänzt. Ein Beispiel: Der kosmopolitische Schlagerabends mit Ezé Wendtoin, das „trojanische Pferd des Schlagers“, wie Wanja es nennt. Laien performen Playback oder begleitet von Live-Musik ihre internationalen Schlager. Als Trophäe winkt das Goldene Einhorn.
„Wer hätte so was machen können? Nur wir“
Hier treffen Schlagerfreaks aller Länder aufeinander, Metalfans ertappen sich beim Schunkeln. Es geht um Musik. Und um Spaß – weil das Dinge sind, die die Menschen verbinden. „Für mich ist das wie ein Ideal einer Utopie“, sagt Wanja über das Montagscafé. „Hier passiert Empathie. Interessen werden geweckt. Man verlässt die eigene Blase und probiert, was man vielleicht immer schon mal probieren wollte. Ein Möglichkeitsraum.“
Das besondere des Projektes ist sein Standort im Theater. Hier kann man sich in den Abendstunden treffen, laut sein, experimentieren. Hier stehen Räume, Technik, Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Ohne das alles wären die Kosten für das Montagscafé dreimal so hoch. „Wer hätte so etwas sonst machen können? Nur wir“, sagt Wanja.
Das Montagscafé ist, was die Soziologie als „dritten Ort“ bezeichnet. Eine Begegnungsstätte ohne finanzielle Hürde, ein Ort frei von Dogma und Kontrolle. „Zusätzlich zu den interkulturellen Vermittlungsangeboten helfen wir bestimmt mehr als 300 Menschen im Jahr ganz konkret beim Ankommen in der Stadt. Dazu kommen Menschen, die allein oder einsam sind“, erzählt Wanja. „Und wir sehen: Die Samen gehen auf. Viele Projekte und Initiativen haben ihre Wurzeln im Montagscafé.“
„Es ist eine Hängepartie“
Durch Corona ist zu vielen Gästen der Kontakt abgebrochen. Man versucht die Verbindung zu halten – mit Online-Wohnzimmersessions mit Kochkursen und Stempelworkshops. Zehn bis zwanzig Teilnehmende kommen so zusammen. Es ist nur ein Bruchteil der üblichen Vielfalt. „Wir haben ziemlich schnell die digitale Teestube eröffnet, einen Telegram-Kanal gegründet und sind auch auf Facebook und Instagram“, berichtet Wanja. Den realen Kontakt ersetze das nicht.
Trotz der finanziellen Unsicherheit plant das Montagscafé weiter. Vielleicht können im Herbst Treffen auf der Terrasse stattfinden. Und wenn die Menschen nicht ins Montagscafé kommen können, kommt es zu den Menschen. Ein Elektro-Lastenrad schwebt Wanja vor, das verschiedene Orte in der Stadt ansteuert. Die derzeit laufende Spendenkampagne soll zukünftige Eigenmittel für Fördermittel einbringen und kleinere Projekte ermöglichen könnte das dafür nötige Geld bringen. Außerdem wird versucht, die zwei festen Stellen des Montagscafés intern zu finanzieren. „Es ist eine Hängepartie“, sagt Wanja, deren Hauptaufgabe in diesen Zeiten darin besteht, Projektmittel aufzutreiben.
Forum der unsichtbaren Geschichten
Als Ende Dezember keine Zusage über die Förderung aus dem Programm „Integrative Maßnahmen“ erfolgt war, dachten alle: „Okay. Das war’s.“ Das Signal aus dem Sozialministerium war kein hoffnungsvolles. Es hieß: „Auch gute Projekte können nicht gefördert werden.“
Das Montagscafé plant weiter. Die Reihe „Migration in der DDR“ mit Zeitzeugenberichten, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen soll fortgesetzt werden. Beim Themenabend Vietnam kamen überraschend über 200 Besucher*innen. Der Zuspruch war riesig. „Menschen haben teilweise zum ersten Mal über ihre Erlebnisse und Erfahrungen gesprochen“, erinnert sich Wanja. Bewegende Momente auf dem „Forum der unsichtbaren Geschichten.“
Kultur für alle und umsonst
Das große Projekt, dessen Förderung in der Warteschleife hängt, trägt nämlich den Titel „Our Stories“, hier geht es um die künstlerische Bearbeitung und Sichtbarmachung dieser Geschichten. Die Pläne sind groß – so wie die Lücken. Wie es so ist, mit den Drahtseilakten: Für die Zuschauer*innen ist es Spannung, für die Artist*innen bitterer Ernst.
Wanja Saatkamp kämpft weiter für den Kulturort Montagscafé. Gerade jetzt. „Die soziale und integrative Dimension von Kultur muss in den Fokus gerückt werden. ‚Kultur für alle und umsonst‘ – ich empfinde es als meine Aufgabe, das zu leben. Es war meine Hauptmotivation Kunst professionell zu betreiben“, sagt sie. „Kunst ist ein wirksames Mittel zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, das Spaß macht.“ Sie müsse besonders in dieser Situation eine Lobby für die Menschen mit weniger Privilegien und Chancen sein. „Ich halte es da mit Beuys: das Montagscafé ist eine soziale Plastik!“
Das Montagscafé – ein Projekt der Bürger:Bühne
- Glacisstraße 28 (Kleines Haus)
- Link zur Spendenkampagne auf Betterplace
- Das Montagscafé im Internet
Schöner Beitrag dazu auch letzten Sonntag im DLF.
https://srv.deutschlandradio.de/themes/dradio/script/aod/index.html?audioMode=3&audioID=914954&state=