Egal in welchem Land ich mich befinde: Wenn ich auf der Straße zufällig italienisch sprechen höre, bekomme ich sofort ein sonniges Urlaubsgefühl und mir wirken die Italiener spontan sympathisch.
Anscheinend geht es den Deutschen genauso mit den Franzosen. Als Vertreterin eines Landes, das hier sehr beliebt ist, wurde ich immer mit Neugier und warmherzig empfangen. Ich brauche gar nichts tun: Kaum hört ein Dresdner mein Akzent und schon ist seine Vorliebe für Frankreich erweckt. Er möchte mehr über mich erfahren, mir von seinen Erfahrungen mit Frankreich oder der französischen Sprache erzählen. Als würde er aus unserem Gespräch heraus ein Stück Provence mit nach Hause nehmen.
Aber was sagt denn genau ein Dresdner, wenn er einer Französin begegnet? Hier sind ein paar wiederkehrende Reaktionen, die mich immer wieder überraschen.
Sophie Marceau
Liebe Bäckerin, lieber Büroleiter, und liebe Menschen, die ich nicht mal kenne: Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich mit „Salut“ zu begrüßen, aber vor allem sehr seltsam. Liebe Französischlehrer: Sagt doch bitte euren Schülern, dass wir uns nur unter besten Kumpels mit „Salut“ begrüßen! Einfach „Bonjour“ ist viel angemessener.
Mir wurde erzählt, der französische Film „Die Fete“1 sei auch in Deutschland erfolgreich gewesen und habe dieses „Salut“ verbreitet (so begrüßen sich ständig die Jugendlichen in dem Film). Wie lustig! Ich hatte nicht damit gerechnet, diesen französischen Kultfilm der Achtzigerjahre hier wiederzufinden.
Louis de Funès
„Oh, Frankreich! Kennen Sie Saint-Tropez? Ich liebe Louis de Funès“. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Louis de Funès hier so berühmt und beliebt wäre, und insbesondere der Film „Der Gendarm von Saint-Tropez“. Komischerweise wird Louis de Funès auf Deutsch ohne S genannt, also „Louis de Funé“. Pech gehabt: Hier spricht man das S am Ende ausnahmsweise doch mit!
„Und was hat Sie denn nach Dresden geführt?“
…wollen immer alle zu Recht wissen. Darauf antwortete ich anfangs gerne ausführlich warum und weshalb ich in diese Stadt kam. Aber nach zehn Jahren Leben in Deutschland verkürze ich nur noch etwas schroff: „Die Arbeit und die Liebe“. Das tut mir leid, weil ich oft das Gefühl habe, meinen Gesprächspartner dabei zu enttäuschen, der meistens ehrlich interessiert ist. Aber ich habe einfach keine Lust mehr, diese Frage zu beantworten, die mir zu oft gestellt wurde … Außerdem möchte ich manchmal gerne nicht sofort als Ausländerin betrachtet werden, sondern einfach als Dresdnerin.
„Oh Frankreich, was für ein wunderschönes Land!“.
Ich bin immer wieder fasziniert, wie sehr die Deutschen meine Heimat lieben und oft besonders gut kennen. Dort verbringen sie auch gerne ihre Ferien, die sie mir ebenso gerne in Details erzählen: „Oh, letzten Sommer haben wir eine Fahrradtour in der Provence gemacht“, „Aaah die Atlantikküste, dort machen wir jedes Jahr Campingurlaub“, „Ah die Bretagne“, „Die Alpen, was für fantastische Berge“, „Wie schön und abwechslungsreich die Landschaft ist“, usw.
Nach solchen Reiseberichten kann ich nicht anders: Ich bekomme sofort Heimweh. „Aber vermissen Sie nicht Frankreich?“ wollen manchen anschließend wissen. Na vorhin nicht, aber jetzt schon!
Deutsch oder Englisch?
An meine Eltern, wenn sie mich besuchen: „Oh, Sie besuchen Ihre Tochter? Woher kommen Sie, hatten Sie eine schöne Reise, und wie lange bleiben Sie denn?“ usw. Total nett! Aber: Auf Deutsch. Als wäre es ganz selbstverständlich, dass meine Eltern fließend Deutsch (oder sogar Sächsisch) sprechen! Man sagt oft, Franzosen können keine Fremdsprachen. Aber viele Dresdner bemühen sich auch nicht, langsamer, ohne sächsischen Akzent oder gar auf Englisch zu sprechen!
Was aber nur halb so schlimm ist. Denn spricht mich einer (meistens von der jüngeren Generation) auf Englisch an, fühle ich mich sofort beleidigt: Habe ich so viele Fehler beim Bier Bestellen gemacht, dass der mitleidige Kellner mir lieber auf Englisch antwortet? Oder liegt das an meinen französischen Akzent, den ich nie loswerde? Mist…
Auch wenn es gut gemeint ist, empfinde ich das oft als Kritik gegen meine Akklimatisierungsbemühungen. „Wie wagen Sie es, mich für eine Touristin zu halten? Ich bin eine Dresdnerin“, denke ich immer, und setzte dann meine Ehre daran, in meinem schönsten Deutsch zu antworten, als hätte ich die englische Anrede nicht gehört.
„Es tut mir leid, ich kann kein Französisch.“
Süß, wie viele Deutsche sich bei mir dafür entschuldigen, dass sie kein Französisch können!
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„Ich hatte mal Französisch in der Schule. Leider habe ich alles vergessen.“
„Ich weiß nur noch wie man sagt: „Mon père est conducteur de TGV“2
„Ich kann bloß ‚je ne comprends pas‘3 sagen“.
„Oh, mein Sohn lernt Französisch in der Schule! Aber er ist sehr schlecht … “
Nun, was soll ich dazu sagen? Das ist doch nicht so schlimm!
TGV versus ICE
Die merkwürdigste Bemerkung, die ich je gehört habe:
„Bist du eine echte Französin?“, fragte mich ein Verkäufer im Fahrradladen und sah mich verblüfft an. Ich nickte etwas verwundert, denn ich fand der Ausdruck „echte Französin“ ziemlich witzig: Dabei fühlte ich mich plötzlich wie eine Außerirdische… „Bist du schon mal mit dem TGV gefahren?“ wollte er noch wissen. „Und stimmt das, dass der so schnell fährt? Viel schneller als unser ICE?“
Also ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung aber ja, mit dem TGV war ich schon gefahren. Hätte ich ihm gesagt, dass ich schon mit einer Rakete zum Mond geflogen bin, wäre seine Begeisterung nicht geringer gewesen.
„Französischer Bonus“
Im Grunde genommen, Französin zu sein, empfand ich hier immer als Vorteil. Nicht nur weil man sich gleich so willkommen fühlt, sondern auch weil es mir und meiner deutsch-französische Familie schon mehrere Türen geöffnet hat. Bei der Suche nach einer Tagesmutti, einer Kita, einem bereits vollen Kinderarzt oder eine Wohnung hat uns die attraktive Herkunft unserer deutsch-französischen Familie immer geholfen. Inzwischen haben mein Mann und ich sogar einen Begriff dafür erfunden: Wir nennen es unseren „französischen Bonus“.
1 Auf Französisch: „La Boum“
2 „Mein Vater ist TGV-Fahrer“
3 „Ich verstehe nicht“.
Ein Gastbeitrag von Peps, der Französin in der Neustadt. Aus der Reihe „C’est la vie! – Chroniken einer Französin in der Neustadt“. Illustrationen: Jean-Pierre Deruelles. Fortsetzung folgt.
Liebe Peps, es hört sich lustig an, von „einem bereits vollen Kinderarzt“ zu sprechen. Das suggeriert, dass dieser Kinderarzt ein Alkoholiker ist, zudem man möglichst früh am Tag geht. Da ist er noch nicht betrunken oder umgangssprachlich „voll“. Bitte verstehe das nicht als Kritik. Es passt nur gut in deine schöne Artikelserie.
Liebe Peps,
Wir sind in den letzten 15 Jahren fast jedes Jahr ein mal in Frankreich im Urlaub gewesen. Und ja Frankreich ist nicht nur eines der schönsten Reiseländer in Europa die Menschen sind viel unvoreingenommener Fremden gegenüber sie sind sehr warmherzig ( auch die Bretonen ! ) ! Wir haben es schon oft erlebt wenn wir mit Bonjour grüßen das die Leute merken das wir Deutsch sind und sich freuen das wir uns Mühe geben. Auch wenn wir die Sprache nicht sprechen mit dem Augenkontakt oder Gesten und einer Portion Humor geht alles gut.Jetzt wo wir Rentner sind werden wir es hoffentlich bald wieder genießen,, wie Gott in Frankreich,, zu leben und dieses Land mit seinen wirklich freundlichen Leuten weiterhin zu besuchen. Als die schrecklichen Abschläge in den letzen Jahren in Frankreich waren haben wir mit getrauert und als in Paris Notre Dame brannte waren auch wir in Gedanken bei den Franzosen.
Freundliche Grüße Uwe
Wie immer sehr schön geschrieben. Das Interessante ist doch: die Französin nervt in Deutschland das gleiche, wie den Deutschen in Frankreich. Man mag es kaum glauben, aber es ist wahr: Auch in Frankreich wird einem mittlerweile mitunter auf Englisch geantwortet, auch wenn man sich größte Mühe gibt, in Landessprache zu kommunizieren. Im Gegensatz zur in DD heimisch gewordenen Französin schwinden für den deutschen Touri in Frankreich damit aber leider auch die Möglichkeiten, sich zu verbessern.
Es gibt aber auch das Gegenteil, wo die Bitte, doch etwas langsamer zu sprechen so lange ausgeschlagen bleibt, bis man dann darauf hinweist, dass man kein Franzose ist – dann geht’s sofort langsamer weiter! Vielleicht gibt es in Frankreich ja auch Dialekte, die einem sächsisch gesprochenen Französisch ähneln?
Was das Grüßen angeht: Ich finde es ultra-sympathisch, dass man in Frankreich in jedem Kaff von wildfremden Menschen auf der Straße nett gegrüßt wird (mit „Bonjour“)… gibt’s hier nicht so…