An A. und A., meine alle ersten Mitbewohnerinnen und besten Freundinnen.
Vor der Tür des mit bunten Graffiti bedeckten Gebäudes zeigt eine Reihe von Klingeln alle aktuellen und ehemaligen Bewohner des Hauses an. Man ist noch nicht reingegangen, da lässt bereits diese chaotisch aneinandergereihte Sammlung handschriftlicher Namensschilder ein sympathisches Innenleben erahnen.
Der Haupteingang öffnet sich zu einem Flur, der mit allen möglichen Fahrzeugen zugestellt ist. Mit alten Stadträdern, die mit Gepäckablagen, extra Satteln für Mitfahrer und zusätzlich noch Kindersitzen hinten versehen sind. Außerdem stehen dort noch Hand- und Holzwagen, Kinderwagen und Buggys aller Formen und Alter, und im Winter auch einige Holzschlitten.
Der Flur führt bestenfalls in einen grünen Garten, der als fantastischer Spielplatz für die Kleinen oder Grillplatz für die Erwachsenen dient: Dort findet man Blumen und Gemüse, vielleicht eine Rutsche, einen Sandkasten oder ein Baumhaus, Bobbycars und vergessenen Traktoren, eine gemütliche Sitzecke um eine Feuertonne, Wäsche die auf einer Wäscheleine trocknet, noch weitere Fahrräder in einer Hütte geparkt … Davon bekommt man sofort Lust, sich mit den Nachbarn und Freunden zu treffen.
Im Flur gibt es auch eine Tür, die in den Keller führt. Es gibt moderne Keller oder solche mit alten Steingewölben. Manchmal sind sie leer, damit man dort Partys feiern kann oder sie sind mit Möbeln gefüllt. Ab und zu trifft man auf einen Stapel Holz, der zum Befeuern der Öfen dient, die es immer noch in manchen Wohnungen in meinem Viertel gibt.
In den Treppen und den Gängen: noch ein paar Fahrräder, die manchmal am Geländer hängen; grüne Pflanzen an den Fensterbrettern, die allen gehören müssen; Schuhregale, Bierkästen, Pfandglas oder Papiermüllkartons. An den Wänden: Posters, Kinderzeichnungen und „Hier leben: … “ Aufkleber, die jedem Wohnungseingang eine persönliche Note geben. So viele Beweise von Leben und Austausch. Im Treppenhaus unsanierter Altbauten, in denen man noch mit einem Ofen heizt und es so schön nach Feuer riecht, steht ein Eimer mit Asche vor jeder Fußmatte.
Ganz oben gibt es einen riesigen Dachboden in dem man, wie im Keller, Wäsche aufhängen, Krempel lagern oder einfach feiern kann.
Man geht rein und entdeckt hohe Decken und einen riesigen Flur, der als chaotischer Lagerraum dient: Hier ein Kicker, da ein Sofa, dort einen Wäscheständer und weitere Bierkästen. Poster, Karten und Fotos an deren Herkunft sich wahrscheinlich keiner erinnern kann, schmücken die Wände. Die Zimmer sind meist größer als die ganze Einraumwohnung eines französischen Studenten und in jedem Fall gemütlich.
Mit etwas Glück ist die Küche groß genug, um dort alle Mitbewohner zum gemeinsamen Essen unterzubringen. Sie bietet den besten Komfort mit Waschmaschine, Geschirrspüler, Kühlschrank in Familiengröße in dem jeder Mitbewohner seine Etage hat. Besteck und sonstige Utensilien wurden von allen Zwischenmietern der vergangenen WGs gesammelt und in Regalen oder hübschen uralten Buffets aufgeräumt. Um den Tisch: unterschiedlichste Stühle oder alte Sessel, die auf Flohmärkten oder auf der Straße gefunden wurden. Am Fensterbrett: Kerzen, Blumen, ein Aschenbecher. Musik.
Oft gehört zu jeder Wohnung ein lebendiger bunter Balkon, wenn nicht sogar zwei. Dass diese auch genutzt werden, bezeugen die Weingläser vom Vorabend auf dem vom Wachs klebenden Tisch, die frische Asche im Grill, die vielen Erdtöpfen, Blumen, Basilikum- Rosmarin- und sonstige Kräuterpflanzen.
Natürlich passt diese traumhafte Beschreibung nicht auf jede WG. Aber auf sehr viele, die ich kennenlernen durfte. Die Wohnungssuche war meine erste Aufgabe als Neuankömmling in Dresden und diese Wohnungen der erste Eindruck, den ich vom Leben der Deutschen bekam.
Als frisch diplomierte Französin konnte ich nur staunen: Während meines gesamten Studiums hatte ich ganz alleine in kleinen überteuerten Einraumwohnungen gewohnt, wie die meisten Studenten in Frankreich.
Deswegen war ich völlig aus dem Häuschen, als ich diese traumhaften Gemeinschaften, in denen man sich für kleines Geld einmieten kann, entdeckte. Allein wegen dieser immensen Lebensqualität wusste ich, ich würde Dresden nie verlassen!
Ein Gastbeitrag von Peps, der Französin in der Neustadt. Aus der Reihe „C’est la vie! – Chroniken einer Französin in der Neustadt“. Illustrationen: Jean-Pierre Deruelles. Fortsetzung folgt.