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Unser Teller ist von Adel

Die Zeiten sind schwierig, ganz besonders für Gaststätten, Kneipen, Hotels und Pensionen. Die haben zwangsweise geschlossen, machen weder Umsatz noch Gewinn.

Kleines Trostpflaster. Einbußen durch den Bruch von Geschirr und Gläser? Gleich Null. Schwund an Geschirr, Gläser, Handtücher und Bademäntel durch gewollte, zufällige oder verirrte Diebstähle und Souvenir-Sammler? Gleich Null. Das diese Posten nicht unerheblich sind, zeigt ein Blick in die Geschichte.

Wir sind alle kleine Sünderlein

„S´war immer so, s´war immer so“, hallt es echohaft aus dem Hintergrund. Und auch in Bezug auf unser Thema trifft das zu. Schon bei den alten Römern wurde gelegentlich und geschäftsmäßig geklaut. Am häufigsten, man staune, Mäntel, Tuniken, Schuhe, gefolgt von Silbermünzen und Schmuck.

Aber dann lies man auch Bratpfannen, Kochkessel, Löffel und Messer mitgehen. Je nach Schwere des Diebstahls wurde der Delinquent in der Arena den Tieren zum Volksspaß vorgeworfen, zur Zwangsarbeit verdonnert oder bekam eine Ladung Peitschenhiebe.

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Im Mittelalter wurde dem Dieb die rechte Hand abgeschlagen oder er und auch sie kamen an den Pranger. Und in der Neuzeit setzt man auf Paragraphen und Gesetze mit „du-du“, gemeinnütziger Arbeit und beim zehnten Wiederholungsfall auch Knast.

Aber trotzdem haben Bestecke, Tassen und Gläser in der Gastwirtschaft eine derart starke Anziehungskraft, die manch starken Willen zur Gesetzestreue außer Kraft setzt.

In der DDR ein Volkssport

„Aus unseren Kombinaten ist noch mehr herauszuholen“ – dieser Ausspruch wird oft Erich Honecker untergeschoben, ist aber nicht nachweisbar. Wohl ein Witz. Aber die breite Bevölkerung nutzte mit größter Ernsthaftigkeit und Staatstreue diesen Slogan. Man holte sehr effizient heraus, was aus allen möglichen herauszuholen war. Die sozialistische Mangelwirtschaft war dafür die ökonomische Grundlage.

„Wir sind die Arbeiterklasse, der neue Adel. Unsere Teller sind ‚von der Mitropa‘, das Besteck von der HO“, war so ein witziger Spruch. Der Wasserhahn kam aus dem Betrieb, in dem man arbeitete. Wenn man es genauer bedachte, gab es eigentlich das meiste. Es war nur, sagen wir mal, recht unterschiedlich verteilt.

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Und Meier, Schulze, Lehmann und Schmidt verteilten eben die Güter neu, außerhalb von HO und KONSUM und der Staatlichen Plankommission. Der eine hatte dies, der andere das und der dritte kannte jemanden der jenes hatte und dieses wollte. Diese Arten von Geschäften verbrüderten stärker als der Marxismus-Leninismus.

Dresdner Nachrichten vom 11. Februar 1923
Dresdner Nachrichten vom 11. Februar 1923

In der Weimarer Republik

Da echauffierten sich die Dresdner Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 11. Februar 1923. „Es wird heute alles geklaut, selbst das, was man für niet- und nagelfest hält. Am leichtesten verkrümelten sich die kleineren Verbrauchsgegenstände, wie Tafelsilber, Kännchen, Tassen, Gläser. Schon mancher Gast hat sich auf einer Vergnügungsreise ein ganzes Gedeck billig ‚eingekauft‘.“

Und diese „Einkäufer“ gehörten keineswegs zu den Ärmsten der Armen, der oft schlecht beleumundeten Unterschicht. Kleptomane gab es in allen Schichten der Gesellschaft. Mancher Diebstahl hatte auch den Charakter eines Fetischs für sexuelle Phantasien.

Nur eins sollten diese „Freunde eines geheimen Besitzerwechsels“ nie tun, nämlich vergessen, was sie wann wo entwendet hatten. Die Dresdner Nachrichten berichteten von einem diesbezüglichen Fall im Europäischen Hof von Dresden, der sich Anfang Februar 1923 zutrug. In besagtem Hotel logierte eine sich hochherrschaftlich gebende Dame mit ihrem Sohn. „Nach dem Morgenkaffee vermisste sie ihr kleines silbernes Tischmesser. Der Sohn meldete den Verlust dem Zimmerkellner, der die Anzeige der Hotelleitung weitergab. Nach langer Suche fand man das Messer im Spülraum. Als es der Kellner der Verliererin wiedergeben wollte, bemerkte er in winzigen Buchstaben am Griff die Gravierung ‚Hotel am Zoo Berlin‘.“

Süffisant bemerkte die Zeitung: „Die Freude der Dame über ihr wiedererlangtes ‚Eigentum‘ muss recht gemischt gewesen sein. … Jedenfalls brachen Mutter und Sohn ihren Aufenthalt im Europäischen Hof vorzeitig ab.“

Beliebt bei Langfingern: Porzellan und Besteck, aber auch Lampen und Leuchter.
Beliebt bei Langfingern: Porzellan und Besteck, aber auch Lampen und Leuchter.

In selbem Hotel wurde bei einem Gast ein Handkoffer beschlagnahmt, der Zuckerschalen, Messer, Gabeln, Menagen, Teller, Tassen, Gläser und Servietten enthielt. Beim Gast handelte es sich nicht um einen Gewohnheitsdieb, „sondern um eine hochachtbare Persönlichkeit, die unter dem Zwange der Kleptomanie stand und in sämtlichen von ihm besuchten Hotels solche ‚Reiseerinnerungen‘ zu sammeln pflegte“.

Besonders erregte man sich über die Arroganz reicher ausländischer Touristen. Die Einheimischen waren zwar den Aufdrucken auf der Papiermark nach, Millionäre, aber die galoppierende Inflation ließ sie immer mehr verarmen. „Es gibt unter den Ausländern bestimmte Kreise, die da glauben, dass ihre Valuta so hochwertig ist, dass man in Deutschland überhaupt nichts mehr zu bezahlen braucht“, so die DN.

Deren besondere Begierde richtete sich auf Tisch-, Bett- und Badwäsche. Aber auch scheinbar fest montierte Gerätschaften widerstanden einem Eigentumswechsel nicht: Metallene Türgriffe, Glühlampen, Leitungsdrähte, Tischtelefone oder Handtuchhalter. Diese wurden unverfroren abmontiert und als Andenken mitgenommen.

Das Fazit der Zeitung (1923): „Diese Verluste können unter den heutigen Verhältnissen auch nicht durch die höchsten Preise für Verpflegung und Unterkunft wettgemacht werden“.

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.

2 Kommentare

  1. …erstaunlich, dass der Artikel nach so langer Zeit noch so gut erhalten ist:

    „Dresdner Nachrichten vom 11. Februar 1023“

    ;-)

Kommentare sind geschlossen.