Das Societaetstheater wagt sich an die Eröffnung und bietet einen transkulturellen Theaterparcours. „Spookai“ gibt intime Einblicke in das Seelenleben von Weckern und lehrt respektvoll das Fürchten vor gewaschenen Bohnen.
Jeder kennt sie, die Situationen, in denen man denkt: „Warum, zum Donnerdrummel, habe ich mich darauf eingelassen?“ Als die Uhr der Dreikönigskirche bedrohlich zum sechsten Mal schlägt, verschluckt ein schwarzer Vorhang unseren kleinen Hausstand mit einem Happs. Es sind nur ein paar Schritte abwärts und schon sind wir mit einer entzückenden Klimabilanz nach Japan gereist.
Japan, ein Land mit animistischer Kultur, dessen Mythologie sich hervorragend auf die Moderne reimt. Denn: Im Animismus hat jedes Ding eine Seele – vom Bonsaibäumchen bis zum Bleistift. Selbst übergroße Gefühle können sich von ihrem Verursacher loslösen und ein Eigenleben entwickeln. Als Yokai.
Die Monologe der Windmaschine
Die Inszenierung Spookai der Socie-Residents Post Theater macht sich auf Spurensuche und hinterfragt kritisch, wie sich im menschlichen Umgang mit der Welt das Dämonische zeigt. Wer besitzt eigentlich wen, wenn es um die Beziehung zwischen Mensch und Smartphone geht? Könnte die Annahme, ein Tisch ist beleidigt, wenn er nicht repariert wird, für mehr Nachhaltigkeit sorgen? Philosophisch spukend ergreifen die guten und die bösen Geister sehr leibhaftig von der Aufmerksamkeit der Besucher*innen Besitz, sodass sich zwischenzeitlich kurz der Wunsch aufdrängt, man wäre von ihnen verlassen …
Schwebende Stimmen, finsterste Schwärze – die Yokai sind in ihrem Element. Sie jubilieren über die Hilflosigkeit der Menschen (deren Fleisch für sie, wie man erfahren darf, nach Granatapfel schmeckt) und rebellieren gegen die Entzauberung der Welt, aus der sie verdrängt werden. Eindrucksvoll demonstrieren sie ihre Machteinflüsse – vom verlorenen Schlüssel bis zur Heilung von Naturwunden. Es ist erstaunlich, wie viel Empathie ein Saugroboter, wie viel Andacht die Monologe einer Windmaschine erwecken können.
Das eingeschnappte Fahrrad
Drunter und drüber geht es auf der sehr privaten Führung durch die dunklen Eingeweide des Socie. Keck und frech sind die Dämonen, höflich und schreckhaft, tragisch und verführerisch … Eine große Portion der magischen Verwandlung ist der Tatsache geschuldet, dass es – endlich wieder! – Theater ist, was hier stattfindet! Kein blaues Licht, keine Einwahlcodes, keine geteilten Bildschirme – nein. Theater in einem Theater! Und darüber hinaus …
Wie verwandelt man ist, stellt sich erst am Ende des Trips mit der Rückkehr in die Außenwelt heraus. Wir wühlen uns durch den schwarzen Vorhang und draußen hat jemand den Mond gelb wie eine Mandarinenscheibe aufgehängt. Die Luft ist aus Veilchen und mein Fahrrad, das treue Tier, schnaubt ungeduldig. Ich flüstere ihm ein paar zärtliche Worte zu und tätschle ihm den Sattel. Wir wollen ja nicht, dass es nach 100 Jahren eingeschnappt ist. Zuhause fasse ich die Türklinken sanfter an als sonst und frage mich, welchem Yokai ich unbedingt begegnen möchte.
Jeder kennt sie, die Situationen, in denen man denkt: „Warum, zum Donnerdrummel, habe ich mich darauf eingelassen?“ Die Antwortet lautet in diesem Fall ganz klar: „Damit ich weiß, was ich jederzeit wieder machen würde!“
Spookai – Theaterparcours im Societaetstheater
- 26. bis 28. März; 7. bis 11. und 14. bis 18. April. Wochentags stündlich zwischen 18 und 21 Uhr, am Wochenende stündlich von 15 bis 21 Uhr
- bis zum 28. März ohne Corona-Test buchbar, nach Ostern müsst ihr bei Einlass einen tagesaktuellen, negativen Test vorweisen
- www.societaetstheater.de
- Socie auf Facebook