Am Amtsgericht Dresden wurde heute eine 26-jährige Frau wegen Körperverletzung verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts soll sie einen 28-jährigen Mann ins Gesicht geschlagen und dabei verletzt haben. Die Rechtsanwältin der Beklagten legt Berufung ein.
Es war im Dezember 2019. Es gab noch Clubs und Partys. Die junge Frau A. war mit einer Bekannten L. unterwegs. Erst in der Scheune. Man trank kräftig, borgte sich Geld von einem Dritten zum Weitertrinken. Der wollte das Geld zurück, die beiden Frauen wussten eine Lösung. Im Downtown, da ist S., ein Freund von L., der hat noch Geld von ihr. Also rückten die Beiden gegen 3 Uhr in der Tanzdiele ein. Soweit ähneln sich die Aussagen von Zeugin L. und Angeklagter A. Einig war man sich auch, dass viel getrunken wurde. Doch dann unterscheiden sich die Ausführungen gravierend.
Die Angeklagte
Die Angeklagte A. ist eine zierliche US-Amerikanerin, schwarze Haare, schwarze Brille. Sie berichtet, dass L. sie unbedingt im Downtown dabei haben wolle, weil S. ihr Böses wolle. Daher sei sie mitgegangen, im Downtown habe S. sie dann geschubst und auf den Kopf geschlagen, dann kam die Security. So genau kann sie sich daran aber nicht mehr erinnern. Immerhin erinnerte sie sich heute vor Gericht deutlicher als bei ihrer Aussage vor der Polizei. Eins wisse sie aber ganz sicher, sie würde nie jemanden schlagen, es sei denn aus Notwehr.
Der Geschädigte
Auftritt Zeuge S. Der 28-jährige Albaner schildert, dass die beiden Frauen, ins Downtown gekommen waren. Die L. habe ihm früher an dem Abend Geld gegeben, so etwa 200 Euro. Dies solle er verwahren und ihr auf keinen Fall geben. Dann seien die Frauen aufgetaucht und weil es in der Disco sehr laut war, sei man nach draußen gegangen. Im Vorhof habe er dann mit der L. über das Geld reden wollen, als in plötzlich von hinten ein Schlag ins Gesicht traf. Der Mann spricht gut deutsch, arbeitet in Dresden als Kellner und macht einen sehr gemütlichen Eindruck. Allerdings ist er deutlich größer und erheblich schwerer als die Angeklagte. So ganz genau kann er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern. Er will auch nicht mitbekommen haben, dass er plötzlich eine größere Wunde im Gesicht hatte. Die hat er erst am nächsten Tag im Spiegel festgestellt.
Wer geschlagen hat, hat er nicht gesehen. Ich spürte den Schlag, dann drehte ich mich um und da stand dann nur die Angeklagte A. Und natürlich seine Freundin L., die habe er an der Hand gehalten, räumt er auf Nachfrage des Richters Rainer Garrelts ein. Er sei dann ziemlich schnell gegangen, habe auch die Security informiert.
Ortsbeschreibung: Der Zugang zum Downtown ist im Kulturhof an der Katharinenstraße. An Discoabenden steht in der Regel vorn an der Straße ein Security-Trupp. Ob die von dem Vorfall etwas mitbekommen haben, wurde in dem Prozess nicht thematisiert. Auf jeden Fall sei er wegen der Wunde im Gesicht mehrere Wochen krankgeschrieben gewesen, da er so als Kellner nicht arbeiten könne.
Die Zeugin
Auftritt Zeugin L., ein weitem bunten Kleid und hohen Absatzschuhen kommt die Mexikanerin L. zum Prozess. Die 46-jährige berichtet von der Party, vom Alkohol und dass dann das Geld alle war und sie dann im Downtown S. gebeten habe, ihr das Geld zurück zu geben. Daraufhin habe er sie an die Hand genommen und man sei gemeinsam rausgegangen. Sie stand ihm gegenüber und an ihr vorbei habe es einen Schlag in sein Gesicht gegeben. Wer es war, hat auch sie nicht gesehen, aber es war ja nur noch die Angeklagte A. in der Nähe. Dann sei S. gegangen und auch sie und die Angeklagte A. seien getrennter Wege nach Hause gegangen. Die Verletzung ihres Freundes S. habe sie auch erst am nächsten Tag gesehen.
Das Geld
Immer wieder ging es um Geld. Da hat sich einerseits die Angeklagte A. von einem Dritten, der im Prozess keine Rolle spielte Geld an dem Abend geborgt, dass sie dringend zurückzahlen wollte. Andererseits erzählte A., dass L. ihr gesagt habe, dass sie von S. noch viel Geld bekomme, die Rede war von mehreren Tausend Euro. Dann erzählte L., dass sie wiederum der Angeklagten in einem anderen Zusammenhang Geld geliehen habe, dass sie ihr erst wesentlich später zurück gezahlt habe. Dazu zitiert sie aus verschiedenen Whats-App-Chats. Über den Tatabend gibt es aber keine gespeicherten Nachrichten und ob sie mit der Angeklagten A. am nächsten Tag telefoniert habe, wisse sie auch nicht mehr so genau.
Die Angeklagte – zweiter Teil
Das Gericht wollte sich nun noch ein Bild über die Angeklagte machen. Sie ist in Miami aufgewachsen, der Liebe wegen sei sie nach Deutschland gekommen. Sie hat Medizin studiert und lernt nebenher Deutsch, um später mal in einem Krankenhaus zu arbeiten. Aktuell arbeitet sie in einem Altersheim als Hilfskraft. Bisher ist sie strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Die Pladoyers
Der Richter hatte versucht, eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken, aber da der Staatsanwalt offenbar seine Vorgesetzten nicht erreichen konnte, hielt er an einer Anklage fest. Diese milderte er aber nach dem Prozess ab. Nunmehr stand nicht mehr schwere Körperverletzung mit einem Gegenstand, sondern nur noch einfache Körperverletzung im Raum. Er beantragte 40 Tagessätze zu je 10 Euro. Das brachte Richter Garrelts dazu, die Einkommensverhältnisse der Angeklagte zu erfragen. Diese gab freimütig an, dass sie etwas mehr als 1.000 Euro im Monat verdient. Daher erhöhte der Staatsanwalt den Tagessatz auf 30 Euro.
Die Rechtsanwältin plädierte auf nicht schuldig. Die Aussagen der Zeugen seien widersprüchlich. Die Tat gesehen habe niemand. Auch könne Notwehr nicht ausgeschlossen werden. Es gelte „in dubio pro reo“, wenn es Zweifel an der Schuld eines Angeklagten gäbe, sei er freizusprechen. Die Angeklagte A. betonte noch einmal, dass sie nicht gewalttätig sei.
Das Urteil
Richter Garrelts verurteilte die Angeklagte zu 25 Tagessätzen je 30 Euro. Er sah es, trotzt der Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen als erwiesen an, dass die Frau den Mann geschlagen habe. Da der Einsatz eines Gegenstandes nicht nachzuweisen sei, sei es nur einfache Körperverletzung nach § 223, Absatz 1, Strafgesetzbuch.
Die Rechtsanwältin kündigte noch im Gerichtssaal an, in Berufung gehen zu wollen.