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Flirten auf die deutsche Art – L’amour compliqué

Platonische Liebe

Meine lieben Französinnen hier in Deutschland: Solltet ihr euch eines Tages in einer Bar befinden und ein gutaussehender Mann fragt euch nach der Zeit, dann heißt das nicht automatisch, er findet euch hübsch und würde gerne mit euch ins Gespräch kommen. Viel wahrscheinlicher ist es, er möchte WIRKLICH wissen wie spät es ist…

L'amour compliqué - Liebe zu Deutschen ist nicht so einfach. Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles
L’amour compliqué – Liebe zu Deutschen ist nicht so einfach. Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles

Wenn ein Deutscher euch hübsch findet und mit euch ins Gespräch kommen will, besteht das Risiko, dass er es euch… gar nicht sagt! Was das deutsche Flirten ein wenig kompliziert macht. Und etwas langsam.

Ich wünsche all denjenigen, die in den Bann eines deutschen Mannes geraten sind, viel Mut und vor allem: viel Geduld.

Aaah, dieser süße Anfang einer Liebe: Man hat gerade jemanden getroffen hat, an den man plötzlich ständig denken muss. Bei jeder SMS zuckt man ein wenig zusammen, bei jeder Andeutung seinerseits fängt man an zu zittern und antwortet mit einer ähnlichen Anspielung… Hahaha, nichts davon in Deutschland.

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Die Deutschen scheinen die mehrdeutigen Botschaften nur wortwörtlich zu verstehen und die diversen Liebeseinladungen der romantischen Französinnen völlig zu übersehen. Wie soll man denn bitte ohne solche Spielchen wissen, ob er uns mag oder nicht, unser Auserwählter?

Unter Französinnen reden wir oft über unsere deutsch-französischen Flirts: Leider haben sie meist nichts von einer mitreißenden Fernsehserie. Sie sind langweilig wie die Hölle, und Wochen können vergehen, ohne dass irgendetwas passiert.

Ein Kaffee pro Monat reicht uns aus, um die Fortschritte unserer aktuellen Flirts zusammenzufassen. Aber Achtung: Das bedeutet trotzdem nicht, dass er nicht verliebt ist. Wir verbringen also Stunden damit, jede einzelne Geste, jedes Wort, jeden Blick, jedes Lächeln und alle anderen Zeichen zu analysieren, um herauszufinden: Gibt es einen Flirt, oder nicht? Damit wollen wir vermeiden, einen Korb zu bekommen, falls wir es beim nächsten Treffen nicht mehr aushalten und an ihm hochspringen.

Ich selber musste drei Monate lang Backgammon mit meinem zukünftigen Mann spielen, bevor er es endlich wagte, meine Hand zu berühren. Eine deutsche Freundin verdiente eine Liebeserklärung erst nach zwölf gemeinsamen morgendlichen Joggingrunden (immer sonnabends) im Wald. Schön zu wissen: Der endlose Wartetest ist also nicht nur für französische Frauen bestimmt. Bei einer anderen war das Badminton (mit erstem Kuss eine Woche vor ihrer Rückkehr nach Frankreich. Na toll).

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Eine französische Freundin von mir ist seit sechs Monaten verliebt. Beide mögen sich, das ist eindeutig. Aber ich denke, sie wird die Warterei bald aufgeben. Letzte Woche bekam sie eine SMS von ihm: Sie solle mal abends vorbeikommen, um ihre Quiche-Form abzuholen, die sie bei einem früheren gemeinsamen Abendessen vergessen hatte. Bei einem französischen Verehrer, hätten wir keinen Zweifel: Das wäre voll der Liebes-Jackpot. Die Quiche-Form wäre selbstverständlich ein Vorwand und die SMS eine indirekte Einladung zum Knutschen. Aber von einem Deutschen? Da weiß man ja nie. Es könnte gut sein, er denkt wirklich, meine Freundin vermisse ihre Quiche-Form…

Jedem seine eigene Decke

Glückwunsch! Ihr habt es geschafft, einen deutschen Liebhaber zu finden, habt ihn mit euren Annährungsversuchen nicht abgeschreckt und die sechs Monate, fünfzig Partys, Kaffees, Kino- und Konzertbesuche durchgestanden, bis er sich endlich traute, eure Hand zu halten (ich möchte gar nicht wissen, wie Flirten auf deutsche Art beim Lockdown geht…). Nun, mal sehen, ob ihr die Ehebettprüfung besteht…

Bloß nicht unter einer Decke stecken.Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles
Bloß nicht unter einer Decke stecken.Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles

Denn auch hier siegt der praktische Geist über die Romantik: Im Ehebett hat nämlich jeder seine eigene Decke! Nicht nur Rentnerpaare, nein, von der ersten Liebe an ist das die Regel. Und warum nicht gleich jeder sein eigenes Bett. Wie bitte? Das gibt es auch? Ja, in Hotels und vielen Familien macht man es so: Statt eines Doppelbettes, hat das Paar zwei Einzelbetten, die dicht beieinanderstehen oder deren Matratzen mit einem gemeinsamen Spannbetttuch bezogen werden.

Anfänglich schockierte mich dieser Brauch, der Lichtjahre von meiner französischen Romantik entfernt war. Aber dann, auch wenn ich es ungern zugebe, mochte ich es doch. Denn… es schläft sich einfach so gut unter einer eigenen Decke! Beim Frühstück gibt es auch nie das übliche Gemecker: „Du hast mir die ganze Nacht die Decke weggezogen!“.

Wenn wir länger bei meinen Eltern sind, versuche ich nun immer die traditionelle französische Doppeldecke gegen zwei Einzeldecken auszutauschen. Die aus meiner Jugend, die keiner mehr nutzt. Jedoch muss ich meine Familie jedes Mal beruhigen: „Nein, wir haben nicht vor, uns zu trennen! Wir schlafen nicht in separaten Zimmern, wir wollen nur beide eine eigene Decke.“

Bei unserem allerersten Aufenthalt in Frankreich warf mein Mann einen verdutzen Blick auf unser Gästebett. „Was ist denn das?“. Das war ein „traversin“: eine Art Nackenrolle, so breit wie das Bett und auf der zwei Köpfe liegen können. Trotz meiner Erklärungen verriet mir sein entsetzter Gesichtsausdruck, dass dieses französische Konzept des „Kissens für zwei“ die Rheingrenze höchstwahrscheinlich nie überschreiten wird.

Mein Mann war auch überrascht als er die zusätzliche Kante des französischen Bettdeckenbezugs entdeckte, die unter der Matratze straff einklemmt wird. Damit kann der Bezug nachts nicht rutschen und unsere französischen Füße bleiben immer schön warm. Das hätte eine deutsche Erfindung sein können, aber nein: Die Deutschen lassen sich ungern unter ein Laken quetschen und schlafen lieber unter luftigen Betttüchern (Und beim offenen Fenster. Aber das ist eine andere Geschichte…).

Als wir das erste Mal bei meiner Oma zu Besuch waren, hatte sie unser Bett in traditionellem Stil vorbereitet: mit einem Oberlaken und einer Wolldecke, deren Kanten alle unter der Matratze steckten. Während ich mich schon darauf freute, mich in dieses gemütliche französische Laken flach einzuschleichen, hatte mein Mann bereits das ganze Bett komplett abgezogen.

Ein Gastbeitrag von Peps, der Französin in der Neustadt. Aus der Reihe „C’est la vie! – Chroniken einer Französin in der Neustadt“. Illustrationen: Jean-Pierre Deruelles. Fortsetzung folgt.

8 Kommentare

  1. ‚vermeiden, einen Korb zu bekommen‘ – da liegt der Hund begraben! Die Jungs wollen das halt heuer auch…
    Und da diese altmodischen Flirtstrategien nichts anderes bedeuten, als sich an längst überkommene Geschlechterstereotype zu klammern, könnte man sagen, diese gescholtenen teutonischen Jünglinge sind einfach schon viel weiter auf dem Weg zum ‚Neuen Menschen‘ als ces filles démodées.

  2. War mir bei dem Text zunächst nicht sicher, ob ich die Situationen genauso empfinde… In einem Deiner früheren Texte schriebst Du mal „es kommt darauf an“, und in Sachen Liebe oder Flirten ist das genau so hier. Die Quiche-Pfanne IST hochvermutlich ein Vorwand, aber nur um jmd. wieder bei sich zu haben, auf den man steht. Den Mut gibts nicht zur praktikablen Schnapsidee dazu :) Wenn besagter Jemand zum Quiche-Pfanne holen kommt, in den man WIRKLICH verknallt ist und dessen SMS man ebenso die ganze Woche analysiert hat, siegt die Furcht vor dem Korb und das Flirtigste was man sagt ist „hatte sie nicht im Geschirrspüler, hab sie vorsichtshalber selbst gewaschen“. Nun, einen Riesenvorteil hat diese Phase, finde ich: sie ist spannend. Ja, wenn bei mir dann mal definitiv was läuft, ist es schön, na sicher, dann ist es aber eben fix nicht mehr spannend. Ganz Geübte erkennen auf den ersten Blick, ob jemand die Uhrzeit wissen will oder höflich herausfinden, ob man an Kontakt interessiert ist… gehöre nicht zu diesen Genies, oder waren es die Selbstsicheren, oder die, die auf Eigeninitiative setzen…? Dem/der zu Langsamen haut man halt schnell ab, selbst beim Joggen, gilt für deutschen still Angebeteten wie für französischen, schätze ich. Die Kunst ist, diese Dinge nicht auszureizen, bis man sich so verdammt sicher fühlen kann, dass jemand Interesse hat, dass es der/diejenigen schon gar keins mehr haben :) Wenn ich übrigens meine jungen Freunde oder meine großen Kinder beobachte, bin ich immer hin- und hergerissen zwischen Freude und Neid darüber, dass meine Generation etwas spröder Kontakt aufnimmt, also eben de facto weniger unverbindlich „flirtet“…. bei den Jüngeren sehe ich Körperkontakt viel häufiger und beliebiger, und so sehr ich als Teenagerin auf billigen Körperkontakt der Uhrzeit-Version („kannst du mir bitte mal Sonnencreme auf den Rücken schmieren?“) gelauert habe, eine Handberührung oder ein umgelegter Arm war damals zumindest etwas gaaaanz klares. Das hieß „ich habe Tage Schrägstrich Wochen gebangt und nun traue ich mich“. Heute heisst es oft nur „ich brauche einen weichen Platz für meinen Arm“ oder „mir ist gerade so nach Haare kraulen, wer da gekrault wird ist an sich zweitrangig und sonst ist da auch nichts“. Hat klare Vorteile (niedrige Korbgefahr und yeah, Körperkontakt), aber auch Nachteile (genau so wenig Aussagekraft).

  3. Liebe Neustadt-Nachbarn, vielen herzlichen Dank für eure vielen liebevollen Kommentare und interessanten Ergänzungen! Eure Reaktionen entdecke ich mit viel Freude und Neugier und ich nehme sie gerne auf. Weiterhin viel Spaß beim Lesen! Und danke an das Neustadt-Geflüster, das Lust hatte, diese Texte mit euch zu teilen!

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