Maro hat sich vor zwei Jahren als Künstlerin selbstständig gemacht. Ihr Markenzeichen ist ihre Vielfältigkeit. Ihr Stil reicht vom Comic bis zu fotorealistischer Malerei.
Interessen: alles
Eine schmale Stiege führt in das verwinkelte Atelier von Maro wie auf einen geheimen Dachboden. Ein Ort, der ihrer Schüchternheit entgegenkommt: Präsent, aber ohne Schaufenster. „Ich weiß, wie Selbstmarketing geht. Ich habe das ja gelernt. Aber es ist anstrengend.“
Wenn unten die Tür geöffnet ist, können Interessierte sich empor wagen. Oben erwartet den Gast ein Raum, der wirkt, als hätten Malkasten und Eisen-Feustel eine Fusion gewagt. Aber diese Beschreibung dient natürlich nur der Veranschaulichung, denn was Maro sich unter ihrem Künstlernamen hier vor zwei Jahren geschaffen hat, ist ihr Ureigenstes. Pinsel, Bohrer, Kästchen, Sägen, Spachtel, Papierrollen, Skulpturen, Postkarten, Leinwände, Stifte, Späne, Spraydosen, restaurierte Möbel verdeutlichen ihre Interessen: alles.
„Bei mir in der Familie haben alle immer gemalt“, erzählt sie. „Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, Kinder.“ Bei ihr setzt sich die kreative Ader fort: „Es sprudelt immer!“ Ihren drei Söhnen breitet sie zur Überbrückung von Wartezeit Papier und Farben aus. „Das bringt runter!“ Die Kunst war lange etwas so Normales, dass Maro nicht auf die Idee gekommen wäre, sie zum Beruf zu machen. Doch vor zwei Jahren war es so weit.
„Das Leben ist kurz“
Lange hatten Freund*innen, Verwandte und ihr Partner sie zur Selbstständigkeit ermuntert. Vielseitig kreativ war Maro schon immer. Sie studierte Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte, arbeitete nach einer BWL- und Mediendesignausbildung in Agenturen, textete, fotografierte, entwickelte Logos, Webseiten, Kampagnen. In der Freizeit dann lesen, Möbel restaurieren, wandern. Immer auf Achse, immer lebenshungrig. „Ich will immer alles machen und ausprobieren, das Leben ist kurz.“
Für Anette Maro Art verkaufte sie ihre Fotoausrüstung, sagte Aufträge ab, ließ das Texten sein: Sie wollte sich fokussieren. „Ich habe immer von allem etwas gemacht. Jetzt wollte ich eines richtig machen.“ Für ein Kunststudium sei sie zu ängstlich und zu pragmatisch gewesen – nun ist sie auf ihrem eigenen Weg beim Brotverdienst Kunst gelandet.
Aufträge für die Kunst
Ihre Lieben nennen sie Unruhegeist und diagnostizieren Hummeln im Hintern. Es gibt da eine ungezähmte Energie, die Maro antreibt. Versunken in ein Bild vergisst sie die Zeit – und die Mahlzeiten. Früher war das umgekehrt. Da fand sie neben dem Alltag selten Zeit für die Kunst. Der Schritt in die Selbstständigkeit hat das verändert. Zur richtigen Zeit kam der richtige Ort: Das kleine Atelier am Ende der steilen Treppe im Kunsthof, gegenüber von Shudao und neben Argali Filzkunst, liegt nur wenige Minuten von ihrer Wohnung entfernt und schafft es doch, sie „weit weg“ zu bringen. „Mein kleiner Rückzugsraum“, sagt sie. „Ich bin dann komplett raus aus der Realität.“
Am liebsten übernimmt Maro Auftragswerke. „Ich male gerne für andere“ – solange die Instruktionen nicht zu eng gefasst sind. Maro experimentiert. Nebenbei fertigt sie auf Anfrage noch Logos und Visitenkarten für Kleinunternehmer*innen an.
Zwanzig Leben gleichzeitig
„Ich habe meine vielen Stile lange als Nachteil gesehen“, erklärt sie. Aber die Vielseitigkeit ist das, was sie ausmacht. Wenn sich Gäste in ihr Atelier verlaufen, können sie die vielen Bilder an der Wand oft nicht ein und derselben Person zuordnen. „Und von wem ist das?“, wird oft gefragt. „Na, von mir!“, sagt Maro dann nicht ohne Frohlocken.
Der Spagat zwischen Arbeit und Familie sei gelegentlich anspruchsvoll. „Ich brauche wenig Schlaf“, sagt die Künstlerin, die ständig in Bewegung ist und in manchen Nächten so die Zeit vergisst, dass sie nachts um zwei noch an der Staffelei steht. „Manchmal stelle ich mir ein Parallelleben vor. Wie wäre es, wenn ich mich an einem Punkt anders entschieden hätte …?“ Wenn sie könnte, würde sie auch zwanzig Leben gleichzeitig führen. Aus purer Neugier. „In einem wäre ich sicherlich mein Leben lang in einem VW-Bus unterwegs.“
Freie Tage und wunde Finger
„Ich arbeite immer irgendwie!“ Um dafür die Kraft zu sammeln, genießt sie spontan freie Tage, die ihr durch ein leeres Postfach und erledigte Aufträge angezeigt werden. In anderen Monaten wiederum kommt sie auf 300 Arbeitsstunden – und wunde Finger. Ihre haptische Arbeit mit Materialien und Menschen bedeutet ihr eine enorme Befriedigung. „Nur für Ölmalerei habe ich zu wenig Geduld. Das braucht ewig zum Trocknen“, sagt sie lachend. „Da müsste ich mehrere gleichzeitig anfangen, damit ich immer an einem weitermalen kann.“
In freien Stunden hat Maro das Skizzenbuch stets zur Hand. Auch beim Fernsehen: „Wenn ich drei Dinge mit auf eine einsame Insel nehmen müsste, wären es Pinsel, Papier und ein gutes Buch – nicht der Computer.“
Anette Maro Art
- Görlitzer Straße 23, Kunsthof Passage
- offen bei geöffneter Tür
- www.anettemaro.com