Sonntagnachmittag in der Rudolf-Leonhardt-Straße 1. An der Fassade ein Abschiedsgruß, im Gang hinter der Eingangstür ein Sammelsurium aus Kisten, Möbeln und einer Tischtennisplatte. Es ist der letzte Tag für die Mieter*innen hier. Der letzte Tag von vielen, in denen abgelatschte Holzdielen, mit reichlich Botschaften und Kunst verzierte Hausflure und separate Außenklos den unterschiedlichsten Menschen eine Heimat waren.
Nach Rechtsstreit nun friedliche Einigung
Im Hinterhof werkelt Gero zwischen den Überresten der Abschiedsparty von gestern Nacht. Er ist seit 1996 Teil der Hausgeschichte und erzählt mir, wie es kam, dass „Rule Eins“ entgegen der hoffnungsvollen Ankündigung auf Plakaten und Kundgebungen doch nicht bleibt. Der Plan der Bewohner*innen, als Verein das Haus gemeinschaftlich zu erwerben, wurde mit dem Verkauf an eine andere Interessentin jäh hinfällig.
Nach den darauffolgenden Protesten und einem nervenzehrendem Rechtsstreit über Monate hinweg kehrt nun Ruhe ein. „Wir haben uns am Ende friedlich geeinigt“, erklärt Gero. Die Beziehungen zum Vermieter, über Jahrzehnte hinweg freundlich, seien wieder aufgenommen, Fehler eingeräumt worden und man habe eine für beide Parteien annehmbare Lösung gefunden.
So stellt der Vermieter, Kaj H., eine hohe Summe im fünfstelligen Bereich für gemeinnützige Projekte zur Verfügung. Ein kleiner Ausgleich für den Verlust, den die lokale Kulturszene mit dem Verkauf der Rule Eins erleidet. Auch privat erhalten die Mieter*innen finanzielle Unterstützung, die den Umzug erleichtert. Fast alle haben mittlerweile eine neue Bleibe gefunden.
„Es war eben irgendwie unvermeindlich“, schlägt Gero versöhnliche Töne an. „Das Leben hier hat sich sowieso in den letzten Jahren sehr verändert, vor allem seit dem Wegfall des Hechtgrüns, das wie eine Erweiterung unseres Geländes war.“ Statt Grün und schattenspendender Bäume liegt jenseits der Hofmauer nun ein großer Neubau, dessen Errichtung zudem tiefe Risse in der Fassade der Rule Eins hinterlassen hat.
Nicht ohne Wehmut
Die Stimmung heute ist gelöst; nichts mehr zu merken von der Streitlust im letzten Herbst. Ein paar junge Leute schleppen die letzten Überreste aus den Wohnungen die Treppen hinunter, scherzen zwischendurch mit Kaj, der selbst mit vor Ort ist. Versöhnlich auch er, und eine leises Bedauern kann er schlecht verbergen.
„Das Haus ist ein Familienerbstück, ich war hier schon als Kind. Es war immer mein Traum, es selbst zu sanieren, auch gern gemeinsam mit den Mieter*innen.“ Doch dann ging die Kommunikation schief, der Konflikt um Mietverträge und Eigentumsverhältnisse verschlimmerte sich. Dazu kamen noch gesundheitliche Probleme, sodass Kaj schließlich recht kurzfristig das attraktive Kaufangebot der A-B17 Projekt GmbH annahm, entgegen der Absprachen mit der Hausgemeinschaft.
Nun räumen also Kaj und die Bewohner*innen das Feld, um das Gebäude der neuen Eigentümerin und den Renovierungen zu überlassen. Neue Fenster, Balkonanbau, Fahrstuhl statt Außenklo, dann Vermietung an Leute, die es sich leisten können oder wollen. Die Ära der Subkultur ist für das Haus damit wohl Geschichte. (Obwohl – wer kann schon in die Zukunft sehen…) Was bleibt, sind jede Menge Erinnerungen. Und ein letztes Winken, in Frieden. Bye bye, Rule Eins.
Ich leiste Mal einen sachlichen Beitrag und weise mit dem Ökonomen und Soziologen Pierre-Joseph Proudhon auf den leistungslosen Gewinn hin, der aus diesem Verkauf resultiert.
https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/eigentum-ist-diebstahl-sagt-proudhon-wieweit-hat-er-recht-27410
Ach Mist, falscher Link.
Hier nochmal die Erklärung dazu:
https://bodenwertsteuer.org/2015/11/15/eigentum-ist-diebstahl-ein-bruch-in-unserer-rechtsordnung/
Es ist so traurig :(
Hechtgrün, Lustgarten, Sabotage und sicher noch mehr an das ich mich gerade nicht erinnern kann-nicht mehr wieder zu erkennen.
Und in den knapp 1,5 Jahren hat sich vor Ort nichts getan.
Diese Woche wurde am Gebäude mit der Entkernung begonnen.