Wie das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (LfD) heute mitteilt, wird der Neustädter Markt rund um den Goldenen Reiter zum Kulturdenkmal.
Aufgrund seiner ortsgeschichtlichen, städtebaulichen, gartengeschichtlichen und gartenkünstlerischen Bedeutung hat das LfD den Neustädter Markt in Dresden als Kulturdenkmal im Sinne von § 2 Abs. 1 des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes (SächsDSchG) in die Liste der Kulturdenkmale des Freistaates Sachsen aufgenommen.
Geschützt ist nun die gesamte Platz- und Straßenanlage mit Platzwänden (DDR-Plattenbauten), Grünanlagen, Kleinarchitekturen, Denkmal und Mobiliar. Bereits 1991 sind auf dem Neustädter Markt das Reiterstandbild, die zwei Nymphenbrunnen, die zwei Fahnenmasten und auf der Hauptstraße acht barocke Figuren, zwei Vasen aus der gleichen Zeit und die Platanen-Allee sowie der sie umgebende Platz erfasst worden. 2019 wurden zusätzlich die beiden Brunnen des Künstlers Friedrich Kracht nacherfasst.
Der Sächsische Landeskonservator, Alf Furkert: „Der Neustädter Markt ist mit all seinen Elementen ein hervorragend überliefertes Zeugnis eines lange gereiften, städtebaulichen und freiraumplanerischen Projekts der DDR.“
Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) sagt: „Die Ausweisung des Neustädter Marktes als Kulturdenkmal sei ein wichtiges Signal in die Stadt und würdigt das Engagement der ehrenamtlichen Initiativen für Denkmalpflege und Baukultur.“ Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) ergänzt: »Bereits im städtebaulichen und freiraumplanerischen Ideenwettbewerb haben wir die städtebauliche Qualität des Neustädter Markts gewürdigt und deshalb dem Stadtrat vorgeschlagen, die künftige Platzgestaltung vertieft zu untersuchen.“ Das Kulturdenkmal Neustädter Markt wolle man nun in den weiteren Planungen in gebotener Weise berücksichtigen. Ziel sei, die Aufenthaltsqualität des Neustädter Markts deutlich zu erhöhen.
Initiative Neustädter Freiheit ist erfreut
„Die Qualität und Bedeutung gestalterischer Leistungen aus vergangenen Zeiten wird oft erst (an-)erkannt, wenn sie abgerissen werden sollen oder nachdem sie zerstört sind“, heißt es in einer Mitteilung der Initiative. Besonders an Werken der Ostmoderne habe sich gezeigt, dass der zeitliche Abstand von mindestens einer Generation, also etwa dreißig Jahren, nötig ist, um sachlich über deren Erhaltungswürdigkeit zu urteilen. Für den Neustädter Markt sei es jetzt, annähernd 42 Jahre nach der Einweihung, endlich so weit. Von nun an gehe es darum, wie mit dem wertgeschätzten Ort umzugehen ist.
Landesfördermittel für Brunnen
Für die beiden denkmalgeschützten DDR-Brunnen am Neustädter Markt gibt es nun wieder Hoffnung. Unabhängig von der Entscheidung zum Kulturdenkmal des Platzes konnte der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Löser vor ein paar Wochen berichten, dass im sächsischen Haushalt eine halbe Million Euro für die Sanierung der Brunen eingeplant sind.
Geschichtlicher Hintergrund des Platzes
Nach einer längeren Vorgeschichte mit der großflächigen Beseitigung von Kriegstrümmern, aber auch dem Abbruch erhaltenswerter und wiederaufbaufähiger Ruinen und unterschiedlichen Überlegungen zum Wiederaufbau der 1945 stark zerstörten Dresdner Innenstadt entstand 1974 bis 1979 am Neustädter Markt und der Hauptstraße ein neues Quartier mit Bauten des industriellen Wohnungsbaus (WBS 70) für Wohnungen und – in den Erdgeschossen – Geschäfte und Gastronomie. Auf der Westseite der Hauptstraße wurden einige erhalten gebliebene Gebäude saniert und sind wesentlicher Bestandteil dieses städtebaulichen Ensembles.
Zwar blieb für die Hauptstraße (während der DDR: Straße der Befreiung) die ursprüngliche Idee einer das Stadtzentrum von Alt- und Neustadt in Süd-Nord-Richtung durchziehenden Fußgängermagistrale zwischen Hauptbahnhof und Albertplatz (während der DDR: Platz der Einheit) gültig. Allerdings ist hier 1979 (Vollendung auch als Prestigeobjekt anlässlich des 30. Jahrestages der DDR-Gründung) und damit zehn Jahre nach der weitgehenden Fertigstellung des südlichen Abschnitts (der Prager Straße) ein deutlicher Wandel der städtebaulichen Auffassungen festzustellen. Es wurden nicht mehr ausschließlich Neubauten, losgelöst von überkommenen Strukturen, errichtet, sondern einige historische Gebäude erhalten und einbezogen.
Auch an die historische Bauflucht der Hauptstraße knüpfte man annährend an. Allerdings wurde die bis 1945 erlebbare barocke städtebauliche Situation aufgegeben: Von den ursprünglich als Dreistrahl vom Markt in nördlicher Richtung ausgehenden Straßen behielt man nur die mittlere Achse der Hauptstraße bei, während die beiden seitlichen Achsen mit Plattenbauten überbaut wurden. Diese bilden symmetrische, im stumpfen Winkel abknickende Flügel.
Zu betonen ist die bemerkenswerte Freiflächengestaltung, die historische und neue Gestaltungselemente miteinander verbindet und wirkungsvoll in Beziehung zueinander setzt. Mittels Ornamentpflaster und umlaufender Stufenarchitektur hervorgehoben, ist der »Goldene Reiter« Zentrum und Bezugspunkt der gesamten Anlage geblieben. Neben dem Reiterstandbild und den Nymphenbrunnen von Johann Benjamin Thomae (Kopien 1938 wohl von Paul Polte) gehört auch das Paar Fahnenmasten mit Balustraden zum älteren Bestand.
Vor allem letztere leiten optisch in die Hauptstraße über. Die beiden modernen Wasserspiele von Friedrich Kracht in den Winkeln der seitlichen Flügel sind als Ausdruck ihres Anspruchs von großzügigen Freiflächen umgeben. Von Anfang an geplante »Baumblöcke« von Platanen zu beiden Seiten des Reiterstandbildes verbinden die seitlichen Bereiche mit der Platzmitte und knüpfen an die Platanen der Hauptstraße an.
Mit der Geste sich weit nach außen öffnender Flügel wird in zeitgenössischer Form und mit den damals vorhandenen technischen Möglichkeiten der barocke Duktus der Hauptstraße neu interpretiert. Es überlagern sich zwei städtebauliche Freiraumfiguren: die Hauptstraße als Boulevard und der Neustädter Markt als Schmuckplatz. Dazu gehört die Einbeziehung der Silhouette der Altstadt als vierte Platzseite. Im Zentrum stehen als große Geste der Goldene Reiter und repräsentative Wasserkünste, während die Flanken des Platzes beruhigt sind.
Dies beschert ihm sowohl eine durchdachte Funktionalität als auch mittels individuell gestalteter Ausstattungselemente eine hohe Verweilqualität. Das ist in dieser Konsequenz für das Gebiet der DDR ein frühes und gleichermaßen bemerkenswertes Beispiel.
Nachtrag 15. Juni
Am Dienstag äußerte sich sowohl die FDP als auch die Linke. FDP-Stadtrat Holger Zastrow: „Der Denkmalschutz für den Neustädter Markt ist eine symbolische Aktion der zuständigen Ämter. Uns ist der Wert dieses städtebaulichen Ensembles längst bewusst und ich wünschte mir, dass die Ämter dieselbe Energie in die Restaurierung des Kracht-Brunnens, der Häuserfassade und des Platzes stecken würden wie in die Verleihung des Denkmalschutz-Status. Denn außer dem Stadtplanungsamt selbst hatte bislang niemand die Absicht, das Areal zu bebauen oder neuzugestalten. Im Ergebnis des vom Stadtplanungsamt vorangetriebenen städtebaulichen Wettbewerbs zum Königsufer und Neustädter Markt, in dem die Behörde die Bebauung ausdrücklich vorsah, haben wir als Stadtrat festgelegt, dass wir eine Bebauung des Neustädter Marktes nicht wollen.“
Im Moment sei der Neustädter Markt mit dem zerfallenden Kracht-Brunnen, dem ungepflegten Platzbereichen und den unsanierten Häuserfassaden ein unwürdiges Entrée in die Dresdner Neustadt und stehe im Gegensatz zu den sanierten Fassaden der Hauptstraße. Um diesen inakzeptablen Zustand müssen wir uns als Stadt dringend kümmern. Ohne die notwendigen Restaurationen ist der Denkmalschutz nichts wert.
Stadtrat Tilo Wirtz (Linke), Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften: „Die Unterschutzstellung des Neustädter Marktes lenkt die weitere Entwicklung des bedeutenden und in Dresden angenommenen Platzes endlich in strukturierte Bahnen. Es gilt, nun die Gesamtheit des Platzes zu bewahren und ihn behutsam denkmalschutzgerecht weiterzuentwickeln. Und da ist noch einiges in Planung. Aber für heute freuen wir uns über die mit Erfolg gekrönte Initiative der städtischen Denkmalpflege und der Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch.“
Zum Neustädter Markt gehört für tausende Dresdner natürlich auch die Unterführung. Die kann man in den euphorischen Umschreibungen -„bemerkenswerte Freiflächengestaltung“ usw.- über die architektonische Wirkung des Gesamtkonzepts doch nicht einfach so weglassen.
Also was dort erhaltungswürdig sein soll erschließt sich glaube ich nur ganz ganz wenigen! Brunnen die seit 30 Jahren verrotten und die wohl hässlichsten Plattenbauten die es noch in Dresden gibt.
Gott sei Dank muss man den Goldenen Reiter als Tourist ja andersherum fotografieren, so das im Hintergrund nur die (vielleicht irgendwann fertige) Ausgustbrücke im Hintergrund hat, und nicht diese Prachtbauten :-D
auch klasse wie dem Erbauer des Narrenhäusel weiterhin Steine in den Weg gelegt werden… ihm ist jetzt erlaubt worden das sein Müll durch ein Müllauto was dann die Augustusbrücke gnädigerweise befahren darf abgeholt werden darf.
Ich Liebe diese Stadt wirklich sehr, aber manchmal macht sie mich echt sprachlos.. so behäbig und lethargisch das es fast weh tut.
Hallo Tim, bitte achte bei Deinen Ergänzungen auf die Hausordnung. Danke.
Die Gestaltung der Straße der Befreiung folgte seinerzeit durchaus einem Konzept. Ob dieser Baustil (heute) allen Betrachtern gefällt, ist eine andere Frage. Allerdings hat man in den letzten 30 Jahren eine ganze Reihe von Veränderungen vorgenommen, die das ursprüngliche Erscheinungsbild erheblich verändert haben. Allein die völlig unterschiedliche Fassadengestaltung der beiden Eckhäuser zum linken und rechten Flügel ist nicht wirklich schön. Damit wird die Symmetrie der Gesamtanlage erheblich gestört. Oder auch kleinere Details wie die Straßenlampen, die schwarz-weißen Kugellampen sollte man wiederherstellen, wenn man es wirklich ernst meine mit dem Denkmalschutz. Ähnlich ist es mit den Lichtbändern oberhalb der Ladenpassage. Wird interessant zu beobachten sein, wie es sich in den kommenden Jahren entwickelt. Der von Falk S. bereits erwähnte Tunnel wird wohl nicht wieder angelegt werden, aber er war auch ein Teil des Gesamtkonzeptes. Warum er unbedingt verfüllt werden musste, ist mir bis heute ein Rätsel.
Positiv kann man vielleicht anmerken, dass die Gesamtanlage der heutigen Hauptstraße nicht annähernd so verunstaltet wurde wie z.Bsp. die Prager Straße. Was man dort in den letzten 30 Jahren „verändert“ hat, ist wirklich bemerkenswert. Auf die eine oder andere „Nachverdichtung“ hätte man da wohl lieber verzichten sollen. Hoffen wir, dass man da im Umfeld der Hauptstraße (besonders in Richtung Elbe) etwas sorgfältiger überlegt, was da sinnvoll ist und was eher nicht.
@Stefan E.: Es gab zwei Gründe für die Verfüllung, der Tunnel war innerhalb weniger Jahre zweimal voll gelaufen und die Sanierung jedes Mal ziemlich teuer, außerdem wird ebenerdige Straßenquerung als barrierefreier angesehen. Das Thema ist seinerzeit umfangreich im Ortsbeirat und Stadtrat diskutiert worden.
Einen guten historischen Eindruck bekommt man mit diesem Bild und diesem Artikel von das Neue Dresden.
Was die Flutschäden betrifft, denke ich man hätte „mit den heutigen technischen“ Möglichkeiten da auch eine praktikable Lösung finden können, an anderen Stellen der Stadt hat man ja auch den Hochwasserschutz erheblich ausgebaut nach 2002 und 2013. Sei es drum, man hat es so entschieden und damit müssen wir jetzt leben. Danke für das Panormabild, was ich in der Breite noch nicht woanders gesehen habe. Leider fehlt dort schon das kleine Erlweinsche Wartehäuschen, was man hätte auch wirklich da stehen lassen können :-)
Kommentar entfernt, bitte beachten Sie die Hausordnung.
Hi Anton: der Tunnel war barrierefrei!.
In anderen Städten werden aus solchen Unterführungen kleine, auch tourismusfreundliche Ladenstrassen. Und Hochwasserschutz ist technisch inzwischen leicht möglich. Da die Verkehrslösung mit der Schnellstrasse Große Meißner das Überqueren erschwert und damit ein vernünftiges Wechseln von Alt- zu Neustadt unmöglich macht ist hier noch was zu verbessern.
„der Tunnel war barrierefrei!“
Die Querung von der Brücke zum Neustädter Markt war es, wenn man die doch etwas steile Rampe an der Brücke als „barrierefrei“ bezeichnet. Der Zugang zu den Haltestellen durch den Tunnel war nie barrierefrei.
Ergänzung entfernt. Laut Hausordnung sind keine reinen Meinungsäußerungen in der Ergänzungsspalte möglich.