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Für den sächsischen Dialekt

Wie oft wurden und werden die Sachsen für ihre Mundart verlacht, beleidigt, verächtlich gemacht, als Hinterwäldler arrogant brüskiert und diskriminiert. Nicht einmal im „*“ werden die Sächsinnen und Sachsen als deutsche Minderheit anerkannt. Durch die weiche, breitgezogene Aussprache der Konsonanten und Wörter lässt es sich zum Beispiel so schön fluchen, dass es fast schon wie ein Kompliment für die Verfluchten wirkt.

1913 gab es eine Konferenz zur Sächsischen Mundart in der Martin-Luther-Kirche - Postkarte um 1900
1913 gab es eine Konferenz zur Sächsischen Mundart in der Martin-Luther-Kirche – Postkarte um 1900

„So äh Diggnischl“ hört sich doch irgendwie liebevoll an. Im Gegensatz zum harten hochdeutschen „So ein Sturkopf“.

Der spezielle sächsische Humor

Darüber machte man sich Anfang April 1913 auf einer Konferenz ernsthafte Gedanken. Diese fand im Gemeindesaal der noch nicht einmal 35 Jahre alten Martin-Luther-Kirche in der Neustadt statt. Initiator war der heute weitestgehend unbekannte Dresdner Schriftsteller Georg Zimmermann.

Zunächst stellte er fest, dass „sich andere deutsche Dialekte in Prosa und Poesie, sogar bis zum Schauspiel, sich Anerkennung zu erobern wussten“, so fühlten sich „viele ganz und gar Unberufene veranlasst, die sächsische Mundart zu karikieren und lächerlich zu machen.“ So war es in den Dresdner Nachrichten am 9. April 1913 zu lesen.

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Und so charakterisierte der Herr Zimmermann die sächsische Mundart: Erstens als gemütvolle Harmlosigkeit, zweitens als Selbstzufriedenheit, drittens als Heiterkeit und viertens als eine umständliche Ausdrucksweise. Das seien nach seiner Ansicht die Gründe, warum diese Mundart schon damals im Ranking der deutschen Dialekte einen hinteren Platz belegte. Zu Unrecht. Zumal es keine einheitliche sächsische Sprache gab und gibt. Jede Gegend hat ihre eigenen Spracheigentümlichkeiten, Sprachmelodien, Worte und einen eigenen Satzbau.

Dresdner Nachrichten von 1913
Dresdner Nachrichten von 1913

„Erst in neuester Zeit“, so war 1913 in der Zeitung zu lesen, „sind Heimatliebe und Heimatstolz dafür eingetreten, zu beweisen, dass die sächsische Mundart ebenso ihren Wert, ihre Innerlichkeit und ihre reizvollen Seiten hat, wie jeder andere Dialekt. Auch ohne die berüchtigte, das Ohr und das Heimatgefühl beleidigende Übertreibung, kamen in den Darbietungen sowohl Innigkeit, als auch schlagfertiger Witz und urkräftiger drastischer Humor zum Ausdruck.“

Was der Sachse nicht leiden kann

Er will nicht „forhohnebiebeld“ werden. Da wird er „iedsch“. Und „dor Lumisch griegd en baar off de Gusche“. Er liebt seine „Räuchermännln“, seinen „Stolln“, seinen „Gliewein“ und pflegt seinen Weihnachtsfimmel. Und seine „Gemiedlichgeid“. Zusammngluggen, alles bequargen, die große Politik, wie die Nachbarn – das liebt man hier und das verstehen Auswärtige oft nicht.

Man liebt hierzulande das Reisen. Fremde „beschnarchen“, „guggen“, wie andere so hausen, neugierig sein. Und man rennt nicht jeder Sau hinterher, die gerade vom Mainstream durchs Dorf gejagt wird. Damals wie heute. Naja, bis auf Manche, die rennen vor allem montags echt merkwürdigen Säuen hinterher.

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Daher hängt dem Sachsen der Makel des Konservativen an. Was auch hier und da in der Grundmentalität in allen Schichten stimmt. Dass seine Herrschaften immer wieder mal auf die falschen Pferde gesetzt hatten und man brav mitlief, ist auch wahr. Dafür mussten Land und Leute mehrfach bluten.

Und laut der Zeitung Welt sprechen die Sachsen heutzutage angeblich das schlechteste Hochdeutsch. Welche himmelschreiende Arroganz. In der kursächsischen Kanzlei wurde schließlich das Hochdeutsche erfunden. Das war dann Martin Luthers Sprache für die Bibelübersetzung.

Natürlich wurde dafür nicht die Mundart verwendet. Die blieb dem gemeinen Volk vorbehalten. Aber nicht nur. Auch die Obrigkeit am Dresdner Hof verleugnete ihr sächsisches „Gebrabbel“ nicht. „Machd doch eiern Dregg allene“, soll der letzte König Friedrich August III. bei seiner Abdankung in der Revolution 1918 ausgerufen haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er das so nie gesagt, aber es hätte stimmen können, zumal seine Majestät ein wunderbares Dresdner Sächsisch gesprochen hatte.

Der Sachse liebt Süßes

Nirgends ist das Kuchenangebot so vielfältig. Die Apfel-, Rhabarber-, Kirsch- oder Pflaumenkuchen auf Hefeteigbasis mit Streusel, die Dresdner Eierschecke und die vielen anderen regionalen Spezialitäten suchen ihresgleichen. Und, und, und.
Aber mittlerweile sind dem Völkchen zwischen Saale, und Neiße, zwischen Erzgebirge und Dübener Heide die überheblichen bissigen Bemerkungen aus anderen deutschen Landen völlig „schnubbe“ und rutschen ihm den „Buggel runder“. Man macht hier „sein Ding“. Alles geht seinen Gang. Und es ist ein erfreuliches Zeichen, dass heute unter jungen Leuten und bei diesem und jenem Künstler das Selbstbewusstsein zur eigenen Mundart zunimmt. Und das hat nichts mit Rückwärtsgewandtheit zu tun.

Wenn ich bidden derfte

Der Nachwelt überliefert ist dieses mundartliche Gedicht des Schriftstellers Geog Zimmermann. Nachzulesen in Wikisource.


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.

Ein Kommentar

  1. Lustig!

    Mittlerweile hören wir das gar nicht mehr.

    Es sei denn, ein freundlicher Kollege aus den linkselbischen Tälern telefoniert mit einer Kollegin aus seiner Nachbarschaft. Dann verstehen wir wirklich kein Wort.

    Und dem Sohn von Freunden haben wir mal in der Strassenbahn den guten Rat gegeben, nachdem er lautstark verkündete, dass hier alle so „komisch“ sprechen, jetzt einfach mal die Klappe zu halten. Ansonsten würde es vermutlich zeitnah zu: „dor Lumisch griegd en baar off de Gusche“ kommen…..

Kommentare sind geschlossen.