Zweimal ist es schon passiert – der Dresdener Stadtrat hat den Vorschlag einzelner Parteien abgelehnt, ein Sicherer Hafen zu werden. Dass finanzielle Unterstützung, Unterschlupf und mehr Sprachkurse für Geflüchtete für Dresden keine Option sein sollen, das will die Initiative „Seebrücke“ nicht auf sich sitzen lassen.
Unterstützt von Mission Lifeline hat die Bewegung deswegen eine Petition gestartet und will alle weltoffenen Dresdner in der Neustadt zusammentrommeln, um sich für Geflüchtete einzusetzen.
Auf dem Fahrrad soll es ab 14 Uhr für eineinhalb Stunden quer durch die Neustadt und durch Dresden gehen, damit möglichst viele Bürger*innen von der Aktion Wind bekommen. Ab dem Alaunpark wollen die Aktivist*innen losradeln, um dann beim Goldenen Reiter eine Kundgebung abzuhalten und Unterschriften zu sammeln.
Teil dessen sind neben Reden auch die musikalische Aufbereitung der Sängerinnen Tini Bot und die Mittelmeermonologe – Geschichten von Geflüchteten, die den beschwerlichen Weg nach Europa auf sich genommen haben. Schauspieler erzählen nach, wie die Betroffenen in Notlagern und durchlässigen Zelten unterkamen, in denen Ratten Krankheiten übertragen oder wie es ist knapp dem Tod durch Ertrinken entronnen zu sein.
In dem sie diese Erlebnisse teilen, sollen die Erfahrungen der Geflüchteten greifbar werden. Denn, wie Juliane von der Initiative „Seebrücke“ sagt, „Es gibt so viele Zahlen von Menschen, die in Deutschland ankommen, von Menschen, die ertrinken. Die einzelnen Geschichten aber sind schwer vorzustellen. Es kann ja nicht jeder runterfahren.“
Geflüchtete – nicht nur eine Nummer
Sie selbst arbeitete eine Zeit lang auf Lesbos, bekam mit wie Männer ihre Familien zurückließen, um dennoch genau dieser eine finanzielle Zukunft zu geben. Oder wie Geschäftsfrauen alles verloren, vorm Krieg flohen, zu Fuß versuchten über die Grenze zu kommen und immer wieder zurückgewiesen wurden. Mit dem Blick auf Deutschland zurück sagt die 30-Jährige, die bei der Kirche arbeitet: „Es wird unterschätzt, wie traumatisierend so eine Flucht ist. Wer zuhört, merkt, dass Geflüchtete nicht nur eine Nummer sind.“
Mit diesen Einzelschicksalen wollen Juliane und ihre Mitstreiter*innen ihre Forderungen unterstreichen: Sie fordern von der Stadt, dass sie sich verantwortlich zeigt und Organisationen, die sich für Seenotrettung einsetzen, mehr unterstützt. Aber nicht nur private Träger soll Dresden bestärken: Ziel ist eine staatliche Seenothilfe, die verhindert, dass die Rettung Geflüchteter im Mittelmeer mit Strafen geahndet wird. Juliane konnte das selbst erfahren: Das Projekt, bei dem sie auf Lesbos arbeitete, unterstützte bei der politischen Arbeit und half bei Gerichtsprozessen wegen „Menschenhandel“ – die Angeklagten diejenigen, die die Schiffe gesteuert hatten, um Menschen vor dem sicheren Mittelmeertod zu bewahren.
Dresden und sicherer Hafen – geht das überhaupt?
Eine weitere zentrale Forderung orientiert sich wieder an einer Zahl: Nämlich der Anzahl von Geflüchteten, die Dresden zurzeit aufnimmt. 2.750 Menschen sind das, und das hält die Seebrücke verglichen mit der Einwohnerzahl Dresdens für eine sehr geringe Menge. Die Initiative ist sich sicher: „Wir haben Platz.“ Doch hier scheint der Dialog mit dem Stadtrat bisher zu stocken: „Eine Frage, die wir häufig gestellt bekommen, ist, ob Dresden denn die richtige Stadt dafür ist, um sicherer Hafen zu werden“, berichtet Juliane.
Die Bedenken dabei: Dass es nicht sicher für die Geflüchteten sein könne, weil es so starke Bewegungen dagegen gäbe. Die Seebrücke steht vehement gegen diese Aussage. „Dann müssen wir doch dafür sorgen, dass sich das ändert!“, ruft Juliane aus. „Dresden ist doch bunt und weltoffen – dann soll es das auch zeigen!“ Für sie sei Dresden eine Stadt, die jetzt schon aus viele Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft bestehe. Doch dieses Miteinander solle eben auch weiter garantiert werden und sicher möglich sein.
Eine Absage wäre Symbolpolitik – für Pegida
Dafür sei es auch wichtig, Sprachkurse und Erstaufnahmeeinrichtungen zu fördern, die Geflüchteten die Ankunft im neuen Land leichter machen sollen. Auch das gehört zum Forderungskatalog, der Teil der Petition der Seebrücke ist. Zehntausend Unterschriften wollen sie sammeln bis zum 3. September – damit sich der Stadtrat in einer Debatte mit dem Thema auseinandersetzen muss. Rund 70 Institutionen unterstützen dieses Anliegen, unter anderem die TU Dresden und die Stiftung Frauenkirche. „Wir sind nicht nur 20 Leute, wir sind Tausende von Menschen“, bekräftigt Juliane.
Wichtig ist den Aktivist*innen auch, hier keine Symbolpolitik zu machen. „Das ist ein Vorwurf, der häufig kommt“, weiß Juliane. Dabei gehe es hier weniger um ein Zeichen, sondern um Druck: Je mehr Menschen sich dahinter stellen, desto größer werde er. Denn Stadträte sind gewählt, genauso wie ein Innenminister, und müssen sich an den Anliegen der Bürger*innen ausrichten. Und wenn der groß wird, dann könne man dem selbst auf Bundesebene nicht mehr standhalten. Genau das ist das Ziel der „Sicheren Häfen“, und Dresden ist da beileibe kein Vorreiter: Schon 250 andere Städte in Deutschland haben sich zu der Petition bekannt.
Für Juliane wäre es aber allerdings ein Symbol, wenn die Stadt Dresden sich nun ein drittes Mal gegen die Aufnahme von Geflüchteten positionieren würde: Für sie sei das eine Absage an die Bürger, die den Stadtrat eingesetzt habe, während Pegida jede Woche auflaufen dürfe.
Dennoch – Aufgeben ist für die Seebrücke keine Option. Juliane kennt viele persönliche Schicksale, die sie ziemlich mitnehmen. Letztendlich geht es für sie auch schlicht und einfach um Menschenrechte. „Ich möchte etwas tun, um zu verhindern, dass dort Menschen sterben“, sagt sie, und es schwingt Verantwortung mit, für etwas, das ihrer Meinung nach eigentlich Aufgabe des Staates ist.
Fehlende staatliche Seenotrettung?
Deutschland hat seine internationale Verpflichtung zur Seenotrettung an die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger“ (gibt es seit1865) abgegeben. Und diese wird von der Marine unterstützt.
Italien hat eine Küstenwache, welche Seenotrettung durchführt.
Tunesien übrigens auch.
Eine Seenotrettung außerhalb der eigenen 3 Meilen Zone betreibt weltweit kein Land.