Am Sonnabend, 28. August, fand die 6. Tolerade unter dem Motto „Keine Räume, keine Träume“ statt. Gemeinsam demonstrierten Tausende für Toleranz, kulturelle Freiräume, Gleichberechtigung und Klimaschutz.
Pünktlich um 14 Uhr ging es am Neustädter Bahnhof los. Der anfängliche Regen tat der Stimmung keinen Abbruch und unter großem Beifall forderten die Redner*innen die Anwesenden auf, zu tanzen und ihre Stimmen gegen gesellschaftliche und politische Probleme zu erheben.
Danach bahnte sich die bunte Tanzdemonstration ihren Weg vom Neustädter Bahnhof über die Altstadt bis hin zum Industriegelände. Alt und jung tanzte zu Techno-Beats, die aus den riesigen Lautsprechern der elf Lastwagen dröhnten. Dabei stand jeder für ein fundamentales Thema, wie Gesundheit, Klima oder Menschenrechte.
Ein besonderes Anliegen der Veranstalter war darauf aufmerksam zu machen, dass frei gestaltbare Räume knapp werden. Insbesondere die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig frei zugängliche Kultur für das gesellschaftliche Miteinander ist – daher auch das Motto „Keine Räume, keine Träume“.
Als die verschiedenen Wagen über die Marienbrücke rollten, fand endlich die Sonne ihren Weg durch die Wolken. So blieben, zur Freude der Demonstrierenden, die Regenschirme auf der Zwischenkundgebung am Postplatz geschlossen.
Die Redebeiträge drehten sich um verschiedenste Themen. Während der Gesundheits-Floor auf den Kapitalismus im Gesundheitswesen aufmerksam machte, diskutierten die Redner*innen des Klimawagens mit „Mutter Natur“ – einer Stimme aus dem Off.
Besonders einprägsam: 70 Prozent der Lebensmittelverschwendung fände in privaten Haushalten statt. Somit könne und solle jeder Einzelne etwas tun, um den Konsumwahnsinn zu stoppen.
Keine Bäume, keine Träume
Ein weiterer Vorschlag von „Mutter Natur“ war, endlich anzufangen den eigenen Müll und Zigarettenstummel, welche 15 Jahre zum Verrotten brauchen, aufzusammeln. Die großen Worte müssten in Taten umgesetzt werden und das besser heute als morgen – denn die Uhr ticke. Mit dem Ruf „Keine Bäume, keine Träume“ endete der Beitrag.
Daneben erinnerte der Menschenrechtswagen daran, dass sich der Oberbürgermeister zwar für Integration ausspreche, sich jedoch weigere Dresden zu einem Sicheren Hafen zu erklären. Um ihn an sein Versprechen von 2015 zu erinnern wurde unter den Demonstrierenden eine Petition herumgereicht mit dem Ziel 10.000 Unterschriften zu sammeln.
Tolerante Zukunft
Besonders die Rede zum Thema Gleichberechtigung fand großen Anklang. Darin definierte die Sprecherin, was „gleich sein“ bedeute, warum Rassismus ein systematisches Problem sei und Deutschland Entwicklungspotential habe.
Obwohl die UN-Menschenrechtskonvention festlegte, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, seien Hass und Ignoranz leider in manchen Teilen der Gesellschaft immer noch fest verankert.
So sei es keine Seltenheit, dass Menschen mit Migrationshintergrund rechtsextremistische Parolen hinterhergebrüllt werden. Gemeinsam könnten wir es jedoch schaffen in eine tolerantere Zukunft zu schreiten. Der Beitrag erntete tosenden Applaus.
Doch wie dachten die Demonstrierenden über die Tolerade? Eine frisch zugezogene Studentin meinte, dass sie sich über die Vielfältigkeit Dresdens freue und solche Events wichtig seien, um auf politische Forderungen aufmerksam zu machen.
Dennoch gab es auch kritische Stimmen. Ein junger Mann war hin und hergerissen vom Konzept der Tolerade. Es würden zwar Probleme angesprochen werden, aber nur um direkt danach zu lauter Techno-Musik zu feiern. Es sei seltsam sich erst etwas über Abschiebehaft anzuhören und dann einfach weiterzutanzen.
Trotzdem räumte er ein: „Die Tolerade erfüllt ihren Zweck, wenn die Menschen danach wenigstens ein bisschen über die angesprochenen Themen nachdenken.“ Genau diese Mischung aus Tanz und Politik macht die Tolerade so besonders. Sich für bestimmte Themen einsetzen und dabei gute Laune zu haben schließt sich gegenseitig nicht aus.
Club-Atmosphäre auf der Straße
Nach der Zwischenkundgebung am Postplatz setzte sich die Tolerade langsam wieder in Gang und die Demonstrierenden tanzten weiter Richtung Neustadt – vorbei an Tourist*innen, die mit ihren Handys Fotos von den gestalteten Wagen machten.
Auf den abgesperrten Straßen wurde erneut das Tanzbein geschwungen, Nebelmaschinen sorgten für ein bisschen Club-Atmosphäre und die tiefen Bässe ließen die Körper der Tanzenden vibrieren. Nicht jeder mag elektronische Musik, doch die Veranstaltung hat gezeigt, was Dresden dringend braucht: Toleranz, Weltoffenheit und Solidarität – die Forderung stellt man wohl besser laut.
Ein Redner wendete sich mit folgenden Worten an die Menge: „Gegen den Lärm von Pegida ist die Tolerade immer noch viel zu leise. Sie ist die Antwort der Dresdner Clubszene auf Pegida – nur wir sind cooler. Es stellt sich die Frage, ob wir es hinnehmen wollen, dass am Montag wieder rechtsextreme Leute durch die City ziehen. Seid am Montag bitte am Start. Ich habe keinen Bock, dass die Leute nur zur Tolerade aus ihren Löchern gekrochen kommen.“
…. „Seid am Montag bitte am Start. Ich habe keinen Bock, dass die Leute nur zur Tolerade aus ihren Löchern gekrochen kommen.“…
So ist aber leider die Realität in DD. Hier konnte sich – anders als in anderen Städten – Pegida etablieren, da der zivilie Widerstand viel zu gering ist. Zu sehen sicherlich auch wieder heute Abend… :-((
@Annett
Und wieder hat es PEGIDA geschafft zum Thema zu werden. Es war ja schon fast vergessen. Gott sei Dank.
Diese Bewegung lebt von öffentlicher Wahrnehmung.
Denk mal drüber nach…..
@statler & waldorf
Das greift leider zu kurz! Nur weil PEGIDA in deiner Blase kein Thema mehr ist, wenn niemand drüber spricht, muss das für andere Menschen nicht ebenso der Fall sein.
Sprich‘ mal mit Menschen mit dunkler Hautfarbe darüber, ob sie Montags in die Altstadt gehen. PEGIDA ist Symptom von Rückwärtsgewandheit und Rassismus in Dresden. Es braucht die Auseinandersetzung und einen Umgang damit. Schweigen und ignorieren ist fruchtbarer Boden für menschenverachtendes Gedankengut!
@Torerave e.V.
Ich lebe weder in einer Blase (das ist eine dumme Unterstellung) noch toleriere ich Fremdenhass. Ich habe latente Fremdenfeindlichkeit selber erfahren.
Aber ich bin auch der Überzeugung, dass man solchen Menschen nicht auch noch Foren bieten sollte. Jede Erwähnung ist zu viel. Dafür sind das zu wenige……. Hoffentlich!
Aber gebt der PEGIDA gerne Anerkennung. Dann haben die ja das, was die wollen……
Werden Pegida-Sympathisanten oder Teilnehmer überhaupt durch die Tolerade „erreicht“ und denken über ihr eigenes Meinungsbild nach? Vermutlich eher nicht. Und was statler & waldorf schreibt, ist da nicht so falsch, Pegida braucht Öffentlichkeit und je häufiger darüber berichtet wird, desto interessanter dürfte es für Sympathisanten sein, da auch aktiv teilzunehmen, man wird ja „gehört“. Dies konnte man gut in den ersten Jahren von Pegida beobachten, als ständig und überall darüber berichtet wurde (inkl. Teilnehmerzahlen).
Was die Tolerade betrifft, halte ich die sehr große Themenvielfalt und den „Eventcharakter“ für kontraproduktiv. Wenn es um die Inhalte geht, dann bedarf es dazu keiner wummernden Bässe, die kilometerweit durch die Stadt scheppern. Mich erinnert die Veranstaltung eher an die Loveparade als eine Demonstration. Und wer jetzt meint, die LP war ja eine Demo, der meint das hoffentlich nicht ernst.
1933 hat es ja auch schon funktioniert. Ignorieren, wir werden die Nazis einbinden. Tragen die mal politische Verantwortung werden die auch das Verstehen lernen.
Pegida ist nicht nur Montags. Pegida findet sich zur nächsten Wahl.
Was die Themenvielfalt betrifft: Keines der genannten Probleme ist es nicht wert erwähnt zu werden. Nur mal so zur Wahrnehmung.
Lieber @Alex, alternative Vorschläge, im Sinne von: Wie können wir es besser machen, sind jederzeit gerne willkommen.
Ich fand die (letzten?) beiden Redner:innen auf dem Alaunplatz super. Da war viel Energie und Kampfgeist drin. Von denen bitte gerne wieder was!
Leider sind die Redebeiträge aber meist immer noch zu leise um Sie etwa auf dem ganzen Theatherplatz verstehen zu können.
Eine andere Route wäre auch mal cool. Auch mit größerem Fokus auf die Altstädter Elbseite. Auf dem Unicampus, hinterm Hauptbahnhof oder am Großen Garten kann man die LKWs auch entspannt parken und abbauen.