Im Diakonissenkrankenhaus wurde heute ein ganz besonderer Geburtstag gefeiert. Schwester Margarete Herold feierte ihren 100. Geburtstag. Mit 17 Jahren kam sie in die Diakonissenanstalt Dresden, um Kindergärtnerin zu werden. Ein Jahr später entschloss sie sich, ihr Leben ganz in den Dienst für Gott und an den Menschen zu stellen und Diakonisse zu werden. Mit 100 Jahren zu ihrem Geburtstag sagte sie heute, dass sie für ihr Leben dankbar ist.
Geboren am 11. Oktober 1921 zur Zeit der Weimarer Republik, erlebte Margarete Herold als junges Mädchen 1933 die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Kindergärtnerin wollte sie werden und wurde im August 1939 in die Kinderpflegerinnenschule der Diakonissenanstalt Dresden aufgenommen. Gut erinnert sie sich an den Kriegsbeginn im September 1939, der sich durch hohe Militärpräsenz auf der Bautzner Straße direkt vor dem Gelände der Diakonissenanstalt auszeichnete.
Im März 1940 schloss sie ihre Ausbildung ab und entschied sich, Diakonisse zu werden. Am 5. Mai 1940 wurde Schwester Margarete als Probeschwester aufgenommen. Sie war dabei als man für die Wehrmacht das Diakonissenkrankenhaus räumen musste und dieses ab 1939 als Reservelazarett nutzte.
Wechsel nach Kleinwachau
Im August des selben Jahres wechselte Schwester Margarete ins heutige Epilepsiezentrum Kleinwachau, zu dieser Zeit eine Einrichtung der Inneren Mission. „Als ich im August nach Kleinwachau gekommen bin“, erinnert sie sich, „waren wir fröhlich. Ich habe viel Freude in Kleinwachau gehabt und gerne dort gearbeitet. Es war einfach schön mit den Kindern.“ Nur ein paar Monate später musste sie erleben, wie die ersten Bewohnerinnen und Bewohner der Epilepsieeinrichtung von den Nationalsozialisten im Rahmen des „Euthanasie“-Programms abgeholt wurden.
Im November 1940 ordnete man die Verlegung von 50 Menschen mit Behinderung nach Arnsdorf (später von dort nach Großschweidnitz) an. „Das schlimmste, was ich in meinem ganzen Diakonissenleben machen musste, ich musste den fertig angezogenen Kranken einen Pflasterstreifen mit ausgeschriebenen Namen auf die Kleidung kleben und das war grausam“, erinnert sie sich. Fünf Wochen später trafen in Kleinwachau die ersten Todesnachrichten ein. Für alle in der Einrichtung beschäftigten Diakonissen waren dies erschütternde Erlebnisse, welche sie noch ein Leben lang begleiteten.
Rückkehr nach Dresden
Im April 1941 rief die Diakonissenhausleitung Schwester Margarete nach Dresden zurück, um ihre Ausbildung weiter fortzusetzen. 1945 war sie in der Examensklasse und arbeitete im Diakonissenkrankenhaus. Von der Wehrmacht als Reservelazarett geführt, versorgte man hier verwundete Soldaten. Die Bombardierung Dresdens vom 13. auf den 14. Februar 1945 erlebte Schwester Margarete im Diakonissenkrankenhaus.
Sie erinnert sich an den ersten Angriff: „Wir waren im Untergeschoss. Soldaten, Schwestern, Pflegepersonal, Ärzte, alle die im Diakonissenkrankenhaus gearbeitet haben. Wir haben unten gesessen, wo heute die Röntgenabteilung ist. Da waren wir dicht gedrängt beieinander. Wir sind alle rausgekommen.“ Nach der ersten Bombardierung wurden die Soldaten aus dem Lazarett verlegt, das zivile Personal – darunter auch die Diakonissen – blieben zurück. Die Diakonissenanstalt wurde in dieser Nacht zu 75 Prozent zerstört. Dass niemand auf dem Gelände ums Leben kam, gehört zu den Wundern der Bewahrung.
Im März 1945 legte Schwester Margarete Herold ihr Examen ab. Anschließend war sie in der Verwaltung der Diakonissenanstalt tätig. Voller Dank blickt sie auf die Jahre 1947 bis 1957 zurück, die sie im Dienst des damaligen Landesbischofs Dr. Hahn bis zu dessen Tod verbrachte. Es war eine bereichernde Zeit für sie, in die auch ihre Einsegnung zur Diakonisse am 25. Oktober 1949 fiel. Anschließend kehrte sie zurück in die Mutterhausverwaltung.
Zeit des Wiederaufbaus
Der Wiederaufbau des Diakonissenkrankenhauses und der Gebäude auf dem Gelände ging nur schleppend voran. Vor und nach ihrem regulären Arbeitstag im Krankenhaus oder in der Verwaltung putzten die Diakonissen Ziegel und beräumten den Schutt. 1965 erfuhr die Diakonissenanstalt von der Absicht der Kathedrale in Coventry (England), ein Zeichen der Versöhnung in Dresden setzten zu wollen. Englische Studenten sollten ein zerstörtes Gebäude wiederaufbauen. Die Wahl fiel auf das Diakonissenkrankenhaus. Im März 1965 kam die erste Gruppe aus England, die gemeinsam mit Teilnehmerinnen und Teilnehmer von „Aktion Sühnezeichen“ ans Werk ging. Zunächst befreiten sie einen Teilabschnitt des Krankenhauses von Schutt und leiteten dann den Wiederaufbau ein.
Finanziert wurde das Vorhaben vor allem durch Spenden, unter anderem auch aus Coventry. Die Leitung des Hauses beauftrage Schwester Margarete mit der Betreuung der jungen Menschen im Aufbaulager. Sie war Ansprechpartnerin, stellte die Kontakte her und sorgte für ein gutes Miteinander. Über viele Jahren bis heute blieben die Kontakte und Freundschaften bestehen. Es war das erste einer Reihe internationaler Aufbaulager, die wesentlich zur Wiederherstellung des Diakonissenkrankenhauses beigetragen haben.
Wechsel in die Pflege
1971 stand für Schwester Margarte ein erneuter Wechsel an. Sie übernahm die Betreuung und Pflege von Altoberin Luise Denneberg, die sich entschied, ihren Ruhestand in Radebeul im Haus Salem, zu dieser Zeit Feierabendheim für Diakonissen, zu verbringen. 1973 übertrug man Schwester Margarete die Leitung von Haus Salem in Radebeul. Mit Freude und Engagement sorgte sie für die alten und in der Regel hilfsbedürftigen Schwestern und kümmerte sich um das Haus mit samt der Gartenanlage. Sie organisierte Arbeitseinsätze mit den sogenannten „Sühnezeichenveteranen“, die sie bei der Pflege und Instanthaltung von Haus Salem unterstützen.
1992 erkrankte Schwester Margarete, gab die Hausleitung ab und ging mit nunmehr über 70 Jahren in den Ruhestand. Heute lebt Schwester Margarete im Altenzentrum Schwanenhaus des Diako und ist letzten Monat in ihr neues Zimmer im Neubau eingezogen. Ihr Leben steht unter dem Spruch aus Johannes 15,16: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, auf dass, worum ihr den Vater bittet in meinem Namen, er’s euch gebe.“, welcher ihr zu ihrer Einsegnung als Diakonisse zugesprochen wurde.
Text und Fotos: Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden e.V.