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Kräht der Hahn auf dem Mist

„Bruno, bring mal noch ’ne Runde, aber diesmal mit Kompott.“ Und dem Bruno Haupt, seines Zeichens der Wirt vom Alaungarten in der Alaunstraße 51 in der Neustadt, war es ganz recht. An diesem herbstlichen Spätnachmittag im Oktober 1913 waren, bis auf die üblichen Verdächtigen am Stammtisch, ohnehin keine Gäste da.

Alaungarten - Postkarte von 1911
Alaungarten – Postkarte von 1911

Und diese üblichen Verdächtigen hatten gerade ein Allerweltsthema beim Wickel – das Wetter. Aber ganz so zufällig kam die Runde nicht darauf. Ratssekretär Arno Walter richtete nämlich eine Woche zuvor eine Anfrage an sein Leibblatt, die Dresdner Nachrichten, bezüglich zu den mehr oder weniger zutreffenden Wettervorhersagen und hielt die Antwort in seinen Händen. Inzwischen brachte der Schankwirt die Runde und notierte diese auf des Ratssekretärs Bierdeckel.

Dresdner Nachrichten vom 11. Oktober 1913
Dresdner Nachrichten vom 11. Oktober 1913

Wetterregeln – Anno 1913

„In der Verwandtschaft meiner Frau gibt es auch ein paar Bauern und Gärtner“, warf Fleischermeister Max Weinrich aus der Alaunstraße 48 ein, nachdem alle die Runde Korn vertilgt hatten. „Die schwören auf die Spinne.“ Steindrucker Otto Beyer hielt sich seinen kräftigen Bauch vor Lachen. „Setze dieses Vieh auf den Tisch und je schriller deine Frau dann kreischt, je nasser wird der Regen.“ Ottos Bauch vibrierte und erntete einen bitterbösen Blick vom Fleischermeister.

„Blödmann. Die Leute vom Dorf leben doch den ganzen Tag in der Natur und kennen sich aus. Die meinen, wenn die Spinne frühmorgens vor Acht nicht in ihrem Netz sitze, sondern in ihrem Loche, dann regnet es bereits oder es wird bald Regen kommen.“ Otto Beyer hielt es kaum noch am Platz. „Ja, ja, kräht der Hahn auf dem Mist …“, erwiderte Schuhmachermeister Karl Helbig und das Lachen erfasste den ganzen Stammtisch. Barbier Woldemar Schmidt hob die Hand mit Daumen und Zeigefinger und ließ sie kreisen. Bruno Haupt nickte verstehend. Noch eine Runde.

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Arno Walter faselte etwas von einem Wetteresel. Das ließ die Herrschaften verstummen und ungläubig dreinschauen. Davon hatten sie noch nie was gehört. „Das ist ein kleiner aus Holz geschnitzter Esel, eigentlich ein Kinderspielzeug.“ Man hatte immer noch nicht verstanden, was der Arno eigentlich meinte. „Und der schreit, wenn’s schneit?“, prustete Karl Helbig los. Der Ratssekretär wedelte mit seinem Zeigefinger verneinend hin und her. „Quatsch. Dem Holzesel fehlt nämlich der Schwanz. An dessen Stelle befindet sich ein Bindfaden.“

Wieder schallendes Gelächter im Alaungarten, das wohl bis auf die Straße hörbar war. „Man muss den Esel natürlich draußen anbringen. Schwankt der Faden dann von Nord nach Süd, so haben wir Nordwind und so weiter. Ist der Faden nass, so kann man sicher sein, dass es zuvor geregnet hat oder gerade regnet.“

Nun meinte der Schuhmachermeister, dass er mal von einem Wettermännchen gehört habe, welches es in jedem Dorf geben solle. Das sei ein ganz alter verhutzelter Bauer, welcher das Wetter in seinen Gliedern spüre. „Je nachdem, ob es in seinen Gliedern zerrt oder reißt und juckt oder zuckt, weiß er genau, ob man für die allernächste Zeit Regen, Schnee. Hagelwetter, grässlichen Sturm, Erdbeben oder den Weltuntergang zu erwarten habe.“

Dieser Spaß musste begossen werden. Diesmal machte der Fleischermeister das entsprechende Zeichen dem Wirt. Max Weinrich wollte eine Wette auf eine Vorhersage machen. „Ich stifte einen Schinken fürs Weihnachtsfest 1914. Es geht um den 31. Oktober, den Tag des Heiligen Wolfgang. Also ich behaupte: Sankt Wolfgang Regen verspricht ein Jahr voller Segen.“ Alle winkten ab. Keiner wollte ein Jahr warten.

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Der Spaß geht weiter

Nachdem die Runde die von Max gespendeten Kurzen hinter die Binde goss und das Lachen am Tisch abebbte, erinnerte sich Otto Beyer, dass der Herr Ratssekretär von einer Antwort der Zeitung auf seinen Brief sprach. „Arno, was hielt man denn bei den DN von deiner Anfrage?“

„Erst einmal lobte ich in meinem Brief die Wettermeldungen im Blatt. Nur meckern bringt nichts. Ein kleines Kompliment öffnet Türen und Herzen. Übrigens war der Redakteur über meinen hölzernen Wetteresel höchst angetan. Also hört.“ Arno Walter schlug die Dresdner Nachrichten auf und las den entsprechenden Abschnitt vor. „Wärst du (damit meint er also mich, den Ratssekretär) eher (damit) hervorgetreten, dann hätte, um das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden Meister Wrba1 seinen Rathausesel an Stelle des starren bronzenen Schwanzes sicher mit einem beweglichen Dreierstrick versehen. Jetzt ist es zu spät – durch deine Schuld.“

Stammtisch - Karrikatur um 1900
Stammtisch – Karrikatur um 1900

Der Fleischermeister schlug lachend seine flache Rechte so kräftig auf den Tisch, dass die Biergläser zu wanken anfingen. „Jetzt wird aus unserem schmächtigen Sekretär noch eine Künstlermuse. Der Redakteur hat wirklich Humor.“ Und dann hob Arno, Ruhe gebietend, noch den humorigen Schluss der Antwort des Herrn von der Zeitung hervor.

„Du (also da meinte er wieder mich) schreibst unter der Spitzmarke ‚Wetterwarte‘, scheinst aber den tieferen Sinn dieses Wortes noch gar nicht erfasst zu haben. Wetterwarte heißt eben, dass man auf das prophezeite Wetter warten soll, bis es eintritt. Nachher stimmts genau.“ Die Gaststube vibrierte vom lachenden Stammtisch und Friseurmeister Woldemar Schmidt wischte sich die Tränen aus den Augen und hob die Hand mit den zwei aufrechtstehenden Fingern und ließ diese kreisen.

Anmerkungen

    1 Georg Wrba, 1873 – 1939, war einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Neben dem Esel und dem Hietzigbrunnen am Rathaus stammen in Dresden unter anderen auch der Europabrunnen am Königsheimplatz, die Skulpturengruppe am Giebel des Schauspielhauses und die Innengestaltung des Krematorium Tolkewitz von ihm.

    Seine Werke sind auch in vielen anderen Städten zu sehen. Im Adressbuch von 1934 findet sich der Eintrag: Wrba, Georg, Dr. Geheimer Hofrat, Bildhauer, Professor, Gautschweg 1, Atelier Pfotenhauerstraße 81. Der Gautschweg 1 ist heute die Wiesenstraße 3 in Blasewitz. In der dortigen Villa Hedwig wohnte Georg Wrba seit 1907 bis zu seinem Tod.


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.